AG-Blog | Open Source – Ein Schritt Richtung digitale Souveränität?

Open Source, also öffentlich zugänglicher Programmcode, in der Verwaltung könnte ein Schritt in Richtung digitale Souveränität sein. Die AG Innovativer Staat diskutierte verschiedene Perspektiven.

Berlin/virtuell. Spätestens seit Beginn der aktuellen Legislaturperiode und der damit einhergehenden Verankerung im Koalitionsvertrag wird der Einsatz von Open-Source-Software in der Verwaltung als große Chance wahrgenommen. Die AG Innovativer Staat nutzte bei ihrer aktuellen Sitzung die Gelegenheiten und diskutierte das Potential von Open Source, aber auch, welche Risiken damit einher gehen, eine komplette Verwaltung auf Open Source umzustellen. Aber was genau ist Open Source? Darunter versteht man Software, deren Quelltext öffentlich einsehbar ist und meist kostenlos verwendet werden kann. Das Ziel dabei ist es, sich aus der Abhängigkeit großer Konzerne zu befreien und für Transparenz und Datenschutz nach hiesigen Standards zu sorgen. Außerdem lassen sich durch die Verwendung von Open–Source–Software häufig kostengünstigere Lösungen finden, welche dennoch als verlässlich und sicher gelten.

Maik Außendorf – die Perspektive eines Bundestagsabgeordneten

Die AG-Sitzung begann mit einem Impuls von Maik Außendorf, Mitglied des Bundestages der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und digitalpolitischer Sprecher. Das übergeordnete Ziel, welches man sich bei der Verwendung von Open-Source-Software in der öffentlichen Verwaltung verspreche, sei die digitale Souveränität der IT, so Außendorf. Dies habe mehrere Gründe: Zunächst reduziere die Verwendung von Open-Source-Software die Abhängigkeit von großen Anbietern oder Lieferanten. Zweitens stärke die Verwendung von Open-Source-Software die regionale IT-Wirtschaft und senke Eintrittsbarrieren, sodass kleinere Unternehmen sich schneller am Markt beteiligen könnten. Weitere Vorteile seien die Transparenz und die Wiederverwendbarkeit in anderen Behörden und Institutionen.

Ein Screenshot mit dem Portrait von Maik Außendorf bei seinem digitalen Impuls
Maik Außendorf, MdB Bündnis 90/Die Grünen und digitalpolitischer Sprecher

Der Einsatz von Open-Source-Software setze allerdings einige Bedingungen voraus: Wie bei anderen Programmen und Softwares auch müsse Expertise innerhalb der Verwaltung aufgebaut und dabei nicht am Support gespart werden. Nur so könne nachhaltig sichergestellt werden, dass die Anwendungen sicher laufen, so Außendorf. Um vermehrt auf die Verwendung von Open Source zu setzten, ist im Koalitionsvertrag festgelegt worden, dass Entwicklungsaufträge in der Regel als Open-Source-Projekte beauftragt werden und die entsprechende Software grundsätzlich veröffentlicht wird. Zusätzlich müsse allerdings das Vergabeprinzip angepasst werden, sodass es kleinen- und mittelständischen Unternehmen möglich ist, ebenfalls teilzunehmen.  

Letztendlich wäre folgende Kombination die Zielvorstellung von Maik Außendorf: Eine zentrale Instanz stellt Open-Source-Lösungen für die Verwaltung über die Cloud zur Verfügung. Die Kommunen würden diese dann für ihre konkreten Fachverfahren nutzen und würden dazu ein zertifiziertes Rechenzentrum beauftragen, welches europäischen Rechtskontrollen unterliege.  

Thomas Bönig – die Perspektive einer Stadtverwaltung

Ein Screenshot mit dem Portrait von Thomas Bönig während seines digitalen Impuls
Thomas Bönig, Amtsleiter des Amts für Digitalisierung. Organisation und IT (DO.IT) Stuttgart

Thomas Bönig schilderte als ehemaliger CIO/CDO der Landeshauptstadt München (seit dem 01. Juli ist er nun in Stuttgart der Amtsleiter des Amts für Digitalisierung, Organisation und IT) von seinen Erfahrungen mit Open Source in der Stadtverwaltung. Er machte deutlich, dass für ihn Open Source nur bedingt sinnvoll sei bezüglich der digitalen Souveränität. Vor allem, wenn man ausschließlich auf Open-Source-Software setze, parallel aber eine eindeutige Strategie fehle, stoße die Idee an ihre Grenzen. In München sei genau das der Fall gewesen. München habe gemeinsam mit acht Partner*innen die Verwaltung der Stadt komplett auf Open-Source-Software basieren und damit einen Schritt Richtung digitale Souveränität machen wollen. Doch aufgrund der in Bönigs Augen schlechten Planung und Umsetzung hätten sich im Verlauf der Zeit alle Projektpartner*innen zurückgezogen, sodass das Projekt nur noch an wenigen hauseigenen Software-Entwickler*innen der Stadt München gehangen habe. Diese wären nun also für die gesamte IT-Versorgung der Stadt verantwortlich und müssten in vielen Fällen improvisieren.

Der Grund für die „unprofessionelle Ausführung“ läge darin, dass das Projekt aus politischen statt technischen Gründen so durchgeführt worden sei. Thomas Bönig findet klare Worte: 

Die Diskussion über Open Source in der Verwaltung ist so, wie sie aktuell teilweise ideologisch geführt wird, nicht zielführend. Verwaltungen, die ausschließlich auf Open Source setzen, manövrieren sich in eine Sackgasse
Thomas Bönig, ehemaliger CIO/CDO der Landeshauptstadt München

Das Projekt sei in München in seiner Gesamtheit nicht zielführend gewesen. Als er selbst 2018 nach München gekommen war und zum Projekt dazustieß, sei er vor allem damit beschäftigt gewesen, teils sehr kritische Probleme zu beheben. Es habe zum Beispiel bis zu sieben verschiedene Linux-Versionen in der Stadt gegeben; und aufgrund der Vielzahl an Eigenentwicklungen sei der Supportaufwand extrem hoch gewesen. Kompatibilität mit marktüblicher Software habe nur selten sichergestellt werden können. Dies hätte nicht nur hohe Kosten und Produktivitätsverluste zur Folge gehabt, sondern auch große Sicherheitslücken mit sich gebracht. Mittlerweile setze die Münchener Verwaltung daher wieder auf Microsoft Office; außerdem sei die IT professionalisiert und auf funktionierende IT-Standards ausgerichtet worden. 

Bönigs Schlussfolgerung: „Mit Open Source kann und soll man arbeiten, es kann ein guter Baustein sein, um digitale Souveränität zu stärken. Aber es ist eben nur ein Baustein.“ Dieser sei vor allem in den Verwaltungen der 12.000 Kommunen weniger zielführend. Stattdessen solle sich die Politik um eine service-orientierte digitale Verwaltung bemühen. Ziel müsse es sein, dass die Verwaltung effektiver arbeiten könne und Sachbearbeiter*innen eventuell mithilfe Künstliche Intelligenz (KI) entlastet werden könnten. Die unabdingbare digitale Souveränität müsse man laut Bönig zunächst im Bereich der Hardwareindustrie realisieren, wobei Open Source dann im weiteren Verlauf auch gezielt eingesetzt werden könne. Dazu bräuchte es insgesamt vor allem Menschen mit Expertise in der Politik.

Pia Karger – die Perspektive des Innenministeriums

Pia Karger, Abteilungsleiterin Digitale Gesellschaft im Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), verdeutlichte in ihrem Impuls erneut die Relevanz der digitalen Souveränität und erläuterte einige Ansätze des Innenministeriums auf dem Weg dorthin. Zunächst gäbe es acht zentrale Lösungsansätze, welche zielführend wären, sobald alle Verwaltungsebenen (z. B. IT-Planungsrat, Länder, Kommunen) kooperieren:

  • Analyse von Abhängigkeiten,
  • Beschaffung bzw. Entwicklung alternativer IT-Lösungen,
  • herstellerunabhängige Modularität, Standards und Schnittstellen,
  • digitale Kompetenzen und Expertenwissen,
  • kooperative Mitgestaltung von IT-Lösungen,
  • gemeinsames Verständnis und Vorgehen,
  • rechtliche Vorgaben,
  • politische Steuerung.

In diesem Rahmen sei eine der zentralen Errungenschaften die Deutsche Verwaltungscloud-Strategie (DVS), mit der es gelungen sei, gemeinsame Standards und Rahmenbedingungen für Cloud-Lösungen der öffentlichen Verwaltung zu definieren. Besonders von Vorteil sei die breite Akzeptanz in Bund und Ländern, sodass eine einheitliche Verwaltungscloud etabliert werden könne, welche in Zukunft eine Interoperabilität und Kompatibilität mit anderen Anwendungen garantiere.

Screenshot mit dem Portrait von Pia Karger während ihres digitalen Impulses
Pia Karger, Abteilungsleiterin Digitale Gesellschaft im BMI

Ein weiterer Schritt sei die Gründung des ZenDIS (Zentrum digitale Souveränität), welches laut Karger „eine Brücke zwischen Verwaltung und Open-Source-Ökosystemen bilden soll“. Das ZenDIS solle Open-Source-Alternativen evaluieren, zentral für die öffentliche Verwaltung zur Verfügung stellen und als Kompetenz- und Beratungszentrum agieren. So könne nicht nur die Umsetzungsgeschwindigkeit der Open-Source-basierten Anwendungen beschleunigt werden, sondern auch die öffentliche Verwaltung bei der Reduzierung von Abhängigkeiten von einzelnen Herstellern unterstützt werden. Erste Testphasen würden momentan mit der Open-Source-Plattform Open CoDE in Nordrhein-Westfalen und in Baden-Württemberg durchlaufen. Parallel dazu gebe es allerdings kaum praktische Erfahrungswerte; die zentrale Leistung sei bisher vor allem, dass man sich auf eine einheitliche Strategie geeinigt habe und sich nun zentral an die Umsetzung mache, schlussfolgerte Karger. 

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Porträt von Alexander Köhler