„Anni, schließe bitte das Fenster!"
Anni wurde zu Beginn des Jahres 79. Sie ist rüstig und aktiv, dennoch lassen sich knapp acht Jahrzehnte Leben nicht verleugnen. Letztens rückten die Enkel mit vielem technischen Krimskrams an. Einige Stunden später war das selbstständige Leben wieder einfacher.
Sabrina Dietrich | Zuerst veröffentlicht im Behörden Spiegel, Mai 2019
Selbstständig bis ins hohe Alter, dank technischer Unterstützung
Annis Augen sind nicht mehr die besten, Kontraste kann sie nicht mehr so gut ausmachen. Nun gehen im Kleiderschrank automatisch Leuchten an, wenn sie die Türen öffnet. So kann sie die Farben ihrer Kleidung wieder besser erkennen. Auch im Flur geht das Licht automatisch an, wenn sie ihn betritt. Da sie auf eine Gehhilfe angewiesen ist, ist es in bestimmten Situationen mühsam, den Lichtschalter bedienen zu müssen. Der neue Herd schaltet ab, wenn er an ist, aber nicht genutzt wird. Ein Saugroboter fährt selbstständig mehrmals die Woche. Geht Anni mit ihrem Hund Gassi, erinnert sie ein Alarm, dass noch ein Fenster offensteht und sie trägt ein Notfallarmband, das mit dem Smartphone ihres Enkels verbunden ist, ihre Vitalzeichen im Blick behält und sofort für Hilfe sorgt, wenn sie sie braucht.
Technik für Enthusiast*innen
Smart Home – schlaues Zuhause – so nennt sich dieser „technische Krimskrams“, den Anni nun nutzt, um sicherer und einfacher, damit auch länger in ihrem Zuhause leben zu können. Für sie funktioniert es sogar ganz ohne Smartphone. Vernetzt man die Geräte über das Internet, bieten sich noch mehr Vorteile, bspw. die Steuerung von Haushaltsgeräten, Licht und Heizung aus der Ferne. Ein Saugroboter oder ein sprachgesteuerter Assistent kann im stressigen Familienalltag Erleichterung bieten. Allerdings bleiben die Produkte bisher Nischenprodukte. Ein Drittel der Bevölkerung hält Datenschutzbedenken von einer Nutzung ab. Und in der Tat, zum großen Teil sammeln entsprechende Geräte private Daten, die nicht für die Funktion notwendig sind, dafür aber Rückschlüsse auf Gewohnheiten und Wohnumstände ziehen lassen. Außerdem wird oftmals über unverschlüsselte Netzwerke kommuniziert, was den Zugriff Dritter ermöglicht. Ein Sprachassistent muss im Standby quasi mithören, um erkennen zu können, wann er „angesprochen“ wird. Aber müssen Stimme und Sprachprotokolle gespeichert werden? Ein Saugroboter, der mit System durch die Wohnräume fährt, muss sich orientieren können. Aber müssen die Grundrisse an die Anbietenden übermittelt werden?
Bisher „ganz oder gar nicht“
Leider bleibt bisher nur die Ganz-oder-gar-nicht-Variante, wenn man entsprechende Produkte nutzen möchte. Solange es hier keine neuen Wege gibt, bspw. die Möglichkeit, über die Sammlung der Daten, die über die benötigten hinaus erhoben werden, gesondert zuzustimmen, bleibt es dabei: Jedes mit dem Internet verbundene Gerät muss immer einer Kosten-Nutzen-Abwägung unterzogen werden. Welche Funktionen benötige ich, welche Risiken birgt die Nutzung, gibt es Alternativen auf dem Markt, die weniger datenhungrig sind? Welche Sicherheitsvorkehrungen kann ich treffen, um smarte Technik datensouveräner nutzen zu können?
Blindes Technikglorifizieren ist genauso unsinnig wie die vollständige Verweigerung. Denn viele Smart-Home-Anwendungen machen das Leben angenehmer, sicherer, einfacher – gerade für ältere Menschen wie Anni eröffnen sich neue Freiheiten dank technischer Unterstützung.