Auf dem Weg zur KI-Nation: Deutschland braucht Köpfe und Rechenleistung

Stellen Sie sich vor, es ist das Jahr 2030: KI-Agenten der Verwaltung kommunizieren nahtlos mit KI-Assistenten der Bürger*innen, intelligente Roboter übernehmen zentrale Aufgaben des Alltags und viele Menschen unterschiedlicher Generationen begegnen diesen Veränderungen mit Zukunftsoptimismus. Doch wie kann ein solches Szenario erreicht werden?

Was braucht Deutschland für die KI-Nation? Stimmen von den Panelist*innen und Gästen des Events

Berlin. Eine digitale Kompetenzoffensive und KI-Reallabore – beides sind Maßnahmen, die die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag verankert hat und mit deren Hilfe sich Deutschland bis 2030 zu einer kompetenten und resilienten KI-Nation entwickeln soll. Aber wie können diese Maßnahmen umgesetzt und die dabei potenziell entstehenden Herausforderungen bewältigt werden? Und welche Fähigkeiten braucht Deutschland eigentlich, um zur KI-Nation zu werden? Darüber diskutierten die Bundestagsabgeordneten Dr. Carolin Wagner, SPD-Fraktion, und Thomas Jarzombek, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung und CDU/CSU-Fraktion, gemeinsam mit D21-CEO Lena-Sophie Müller.

Moderator Marcus Richter
Moderator Marcus Richter
Paneldiskussion mit Thomas Jarzombek und Carolin Wagner
Lena-Sophie Müller, Dr. Carolin Wagner MdB, Thomas Jarzombek MdB und Marcus Richter

KI-Kompetenzen seien wichtig, um souverän mit KI umgehen zu können, begrüßte zunächst Astrid Aupperle von Microsoft Deutschland, die den Veranstaltungsort stellten, gemeinsam mit dem Moderator Marcus Richter die Gäste. Beide freute es deswegen, dass so viele Interessierte zu der Veranstaltung gekommen seien, um gemeinsam diese Idee nach Außen zu tragen.

Bevor jedoch gemeinsam mit den Bundestagsabgeordneten über Deutschlands Weg zur KI-Nation diskutiert werden konnte, gab Lena-Sophie Müller einen Einblick in das Thema Physical AI – das ebenfalls im Koalitionsvertrag festgehalten ist.

Astrid Aupperle bei der Begrüßung
Astrid Aupperle

Gesellschaft mitnehmen, Wandel gestalten: Physical AI als nächster fundamentaler Entwicklungsschritt der KI

Lena-Sophie Müller bekräftigte die Bedeutung des Austauschs bei der Veranstaltung:

Mein Wunsch an euch ist, dass ihr mitdenkt und euch einbringt, damit wir gemeinsam weiterkommen.
Lena-Sophie Müller, Initiative D21
Lena-Sophie Müller bei ihrem Vortrag
Lena-Sophie Müller

Solche Dialoge seien wichtig, um voneinander zu lernen. Beim Thema Physical AI sei so ein Austausch besonders notwendig, um Wissen über die Technologie in die Breite zu bringen. Denn Physical AI sei nach der mustererkennenden, generativen und agentischen KI der nächste fundamentale Entwicklungsschritt von Künstlicher Intelligenz. Durch die Kombination von generativer KI und physischen Entitäten könnten sich Roboter KI-gesteuert in der echten Welt bewegen und mit ihr interagieren. Mit autonomen Fahrzeugen gebe es bereits Beispiele für Physical AI in der heutigen Welt; gleichzeitig sei das Anwendungspotenzial noch lange nicht ausgeschöpft. Von autonomen Drohnen, die Wartungsarbeiten bei Industrieanlagen übernehmen, über autonome Roboter, die die Logistik weiter unterstützen, bis hin zu humanoiden Robotern, die bei der Pflege helfen, seien viele Szenarien möglich.

Mit Blick auf die Möglichkeiten ordnete Müller ein:

Mit Physical AI gehen sehr große Chancen einher. Aber es ergeben sich auch Fragen, die noch unbeantwortet sind und auf die unsere Gesellschaft noch nicht vorbereitet ist. Deswegen wollen wir als Initiative D21 diese Fragen gemeinsam mit unserem Netzwerk diskutieren und vordenken.
Lena-Sophie Müller, Initiative D21

Es gelte, den Wandel gemeinsam in den kommenden fünf Jahren zu gestalten und angesichts der rapiden Entwicklungsgeschwindigkeiten die Menschen mitzunehmen. Dabei gebe es in der deutschen Gesellschaft 10 % mehr KI-Optimist*innen als im vergangenen Jahr. Daraus zog Müller den Schluss, dass Deutschland offen sei für die grundlegenden Veränderungen, die sich durch die Physical AI ergeben werden.

Gespräche im Publikum
Angeregte Gespräche unter den Gästen
Lena-Sophie Müller und das Publikum
Lena-Sophie Müller

Zusammenfassend hielt sie fest: 

  • Physical AI ist ein Paradimengwechsel vergleichbar mit der Einführung des Automobils oder des Internets.
  • Physical AI bietet konkrete Lösungsansätze für drängende gesellschaftliche Herausforderungen: vom Pflegenotstand über den Klimawandel in der Landwirtschaft bis zum Fachkräftemangel.
  • Es braucht reale Experimentierfelder – für die Wirtschaft, aber auch für die Gesellschaft, denn:
Wer wartet, verliert nicht nur wirtschaftlich, sondern auch die Chance, neue Technologien aktiv zu gestalten. Deswegen müssen wir Technologien so frühzeitig wie möglich in unseren Alltag integrieren.
Lena-Sophie Müller, Initiative D21
Paneldiskussion mit Carolin Wagner und Thomas Jarzombek. Alle schmunzeln.
Lena-Sophie Müller, Dr. Carolin Wagner MdB, Thomas Jarzombek MdB und Marcus Richter

Kompetenzen aufbauen, Infrastrukturen stärken: Deutschlands Weg zur KI-Nation

Was macht nun aus Sicht der Politik eine KI-Nation aus?

Der Begriff KI-Nation bringt erstmal die Wucht der Disruption zum Ausdruck.
Dr. Carolin Wagner MdB, SPD-Fraktion

So begann Dr. Carolin Wagner die Diskussion. Multidimensional gedacht sei eine KI-Nation ein Land, das KI entwickelt, sinnvoll einsetzt, um Fortschritt zu erzielen und damit umgehen kann. Auch Thomas Jarzombek betonte, dass Souveränität und eine verantwortungsvolle KI-Nutzung elementare Merkmale einer KI-Nation seien. Damit Bürger*innen KI allerdings verantwortungsvoll nutzen könnten, seien auch KI-Kompetenzen in einer digital resilienten KI-Nation grundlegend, fügte Lena-Sophie Müller hinzu. Ebenso bedeutend sei, dass alle Menschen Zugang zu KI hätten, um eine weitere digitale Spaltung der Gesellschaft zu verhindern.

Marc Reinhardt beteiligt sich aus dem Publikum
D21-Präsident Marc Reinhardt

Um sich zu einer KI-Nation entwickeln zu können, brauche es in Deutschland allerdings auch die notwendige Infrastruktur für KI. Die Abgeordneten waren sich einig, dass die Kapazitäten der Rechenzentren in Deutschland ausgebaut werden müssten – allerding benötige es auch jemanden, der diese neuen Kapazitäten in Deutschland nutzt, warf Jarzombek ein. Zudem dürfe man bei allen Chancen von Rechenzentren auch die umwelttechnischen Aspekte wie etwa den Kühlwasser- oder den Flächenverbrauch nicht vergessen, ergänzte Wagner. Auch Müller sah es als notwendig an, die Rechenkapazitäten zu erhöhen, betonte aber: „Zu KI-Infrastruktur gehört auch die Kopfinfrastruktur: Wir brauchen Menschen, die KI nutzen können.“

Wie können solche KI-Kompetenzen gestärkt werden?

Wir müssen digitale Zugänge im Schulunterricht schaffen und adaptive Lernsysteme integrieren, in denen auch KI eine Rolle spielt.
 PStS Thomas Jarzombek MdB, BMDS
Panel und Publikum
Lena-Sophie Müller, Dr. Carolin Wagner MdB, Thomas Jarzombek MdB und Marcus Richter

Jarzombek gab aber auch zu bedenken, dass klassische Lehrpläne aufgrund der rasanten Entwicklung von KI nicht immer an die neuesten Entwicklungen angepasst werden könnten. Für Wagner ist es daher wichtig, KI-Kompetenzen über den schulischen Bereich hinaus auch im Alltag zu vermitteln. Ein Ansatz seien hier betriebliche KI-Weiterbildungen. Zudem müssten auch ältere Mitbürger*innen mitgenommen und ihnen Technologien sowie ihre Anwendungsmöglichkeiten erklärt werden. Ein solcher gleichberechtigter Zugang zu und Umgang mit KI könne helfen, KI-Kompetenzen in der breiten Gesellschaft zu verankern.

„Wir brauchen Spitzensport und Breitensport“, so Müller. Das bedeute, dass einerseits die KI-Kompetenzen in der breiten Gesellschaft gestärkt werden müssten. Andererseits müsse auch überlegt werden, wie es gelingen kann, die Spitzenforschung und klugen Köpfe aus anderen Ländern nach Deutschland in Europa zu holen. Beides sei wichtig, damit Deutschland eine KI-Nation werden könne.

Gespräche im Publikum
Angeregte Gespräche unter den Gästen
Die Paneldiskussion, aufgenommen von hinten durch die große Glasfront in den Raum hinein
Das Panel und das Publikum im Austausch

Abschließend warf Moderator Marcus Richter einen Blick in die Zukunft und fragte die Panelist*innen, wie man 2030 den Erfolg messen könne, inwieweit Deutschland sich als KI-Nation etabliert habe. Dr. Carolin Wagner gab zu bedenken, dass es nicht einen einzelnen Aspekt gebe, den man auf einer Skala messen könne. Vielmehr werde man in bestimmten Bereichen wie etwa der Krebsfrüherkennung erkennen, dass man enorme Sprünge gemacht habe. In anderen Bereichen werde man hingegen sehen, dass noch aufgesattelt und weitere Maßnahmen verabschiedet werden müssten. Aus Sicht von Thomas Jarzombek könne die gestiegene Produktivität von Unternehmen oder die Anzahl von Neugründungen ein Indikator zur Messung sein. Der Staat könne allerdings nicht alles erzwingen:

Es sind viele Entscheidungen von unterschiedlichen Akteur*innen und Branchen, die letztlich in Summe dazu beitragen, dass Deutschland zu einer KI-Nation wird.
PStS Thomas Jarzombek MdB, BMDS

Lena-Sophie Müller merkte an, dass die Politik dennoch Ziele setzen solle. Daraus könne etwa die Wirtschaft relevante Maßnahmen ableiten, die letztlich Deutschland auf den Weg brächten, sich zu einer KI-Nation zu entwickeln.

An die Paneldiskussion anschließend war Zeit und Raum, sich gemeinsam bei Essen und Drinks zu den Impulsen und Diskussionen auszutauschen. Eine weitere Veranstaltungen zu Physical AI, z. B. in Form von humanoiden Robotern, findet am 08.09.2025 im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe KI in Bewegung statt. Schauen Sie gerne vorbei!

Personen unterhalten sich bei Häppchen
Der Austausch ging nach der Paneldiskussion weiter

Ansprechperson in der Geschäftsstelle

Porträt von Ari Henjes-Kunst

Ari Henjes-Kunst, Referent*in Digitale Gesellschaft (kein Pronomen)