Qualitätssiegel „Exzellente digitale Schule“und wichtige Erkenntnisse zur digitalen Schulentwicklung
Erst zuletzt zeigte der internationale Vergleich der ICILS-Studie wieder: Deutschlands Schüler*innen schneiden im Umgang mit digitalen Medien nur mittelmäßig ab – vor allem die soziale Herkunft hat einen starken Einfluss auf ihre Fähigkeiten. Gerade besuchte D21-Bildungsreferentin Sandy Jahn im Rahmen der Verleihung des Qualitätssiegels „Exzellente digitale Schule“ eine Berliner Schule und erlebte, was es für die die digitale Schulentwicklung dringend bräuchte.
Deutschland schöpft Potentiale längst noch nicht aus, schlussfolgerte die im November 2019 erschienene Studie ICILS. ICILS steht für „International Computer and Information Study“. Wieder einmal schnitten deutsche Schüler*innen bezogen auf die Digitalkompetenzen nur mittelmäßig ab. Nur langsam holen die Schulen auf.
Bildung ist Ländersache, daher unterscheiden sich Konzepte und Lehrpläne teils sehr stark deutschlandweit. In Berlin ist digital gestützte Bildung im Rahmen des „eEducation Berlin Masterplan“ fest in die Rahmenlehrpläne für Klasse 1 bis 10 verankert. Es bleibt in der Hand der Schulen, wie weit sie sich darüber hinaus für digitale Bildung und die Vermittlung von Digitalkompetenzen einsetzen wollen. Seit dem Schuljahr 2017/18 können sich Berliner Schulen für das Qualitätssiegel „Exzellente digitale Schule“ bewerben. Ziel ist es, die Qualitätsentwicklung und -sicherung der digital gestützten Bildung an den allgemeinbildenden Schule zu stärken.
Die Jury wird unterstützt durch Audit-Teams, bestehend aus Fachleuten aus Schulen, Verbänden und Unternehmen. Die Initiative D21 ist Teil eines solchen Audit-Teams, das eine der von der Jury ausgewählten Schulen besucht und bewertet. Hierfür führte Sandy Jahn, Referentin für Bildung und Digitalkompetenzen, gemeinsam mit ihrem Audit-Team Interviews mit Lehrkräften, IT-Betreuer*innen, (Medien-)Pädagogischem Personal, der Schulleitung, Elternsprecher*innen sowie zwei Schüler*innen. Während einer Schulführung konnte sie sich von der Ausstattung überzeugen und deren Einsatz in verschiedenen Unterrichtsstunden beobachten. Die Ergebnisse werden der Jury zur Verfügung gestellt, die im Mai das Qualitätssiegel „Exzellente digitale Schule“ verleihen wird.
Wichtige Erkenntnisse für digitale Schulentwicklung
Das Siegel ist ein wichtiges Signal, denn digitale Medien bestimmen die Welt, insbesondere jene der jungen Menschen. Die jungen Generationen kommunizieren anders, lernen anders und sie sehen die Welt anders – oft grundlegend. Das Leben ist in den letzten Jahrzehnten ein anderes geworden und das darf in der Schule nicht ignoriert werden. Die Erkenntnis ist nicht neu, aber sie bleibt deutlich: Es gibt noch viel zu tun. Vor allem da Schüler*innen offenbar einen großen Teil ihrer digitalen Fähigkeiten weiterhin außerhalb der Schule erwerben und damit stark abhängig von den Digitalkompetenzen ihres Umfelds sind. Die digitale Bildung in Schulen wiederum ist aktuell abhängig von den Digitalkompetenzen des Lehrkörpers. Schulen brauchen daher umfassende, strukturelle Unterstützung.
Jahn sieht fünf Punkte, die entscheidend sind für eine gute digitale Schulentwicklung:
- Digitalisierung muss ganzheitlich gedacht werden und geht über die Anschaffung von Hardware hinaus. Es braucht zum Beispiel auch entsprechende Raumkonzepte.
- Es braucht systematische Fortbildungskonzepte für das pädagogische Personal und eine entsprechende Dokumentation und Multiplikation in das ganze Kollegium.
- Die Digitalisierung an den Schulen muss Chef*innensache sein. Das heißt nicht, dass die Schulleitung sie operativ umsetzen muss, aber sie muss dahinterstehen und die notwendigen Rahmenbedingungen und Kultur an ihrer Schule schaffen. Dazu gehört das Befähigen des Kollegiums zur Konzeption und Umsetzung der Maßnahmen inkl. der benötigten Ressourcen (vor allem Stunden, aber auch Arbeitsmittel sowie Fortbildungen, Konferenzbesuche, etc.), die Unterstützung einer gewinnbringenden Netzwerkbildung und das Akquirieren von Mitteln aus Fördertöpfen.
- Die Digitalisierung der Schule muss inklusiv gestaltet sein und darf niemanden außenvorlassen. Gerade Berliner Schulen zeichnen sich häufig durch eine sehr heterogene Schüler*innenschaft aus. Digitalisierungsmaßnahmen an den Schulen dürfen deshalb nicht bestimmte SchülerInnen ausschließen. Vielmehr sollte der Einsatz digitaler Medien im Unterricht die Inklusion und Integration unterstützen, Sprach- und Kulturbarrieren abbauen und für alle Schüler*innen aktivierend wirken. Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass nicht alle Schüler*innen zuhause die Möglichkeit haben, die Geräte und Anwendungen zu nutzen, die von der Schule angeboten werden. Daher müssen Lern- und Hausaufgaben entsprechend gestaltet werden und auch außerhalb des Unterrichts Möglichkeiten zur Gerätenutzung bereitgestellt werden (bspw. in speziellen Lernräumen mit entsprechender medienpädagogischer Betreuung, Ausleihmöglichkeiten, etc.).
- Schule darf nicht alleinstehen, sondern muss auch andere Akteure aus dem Sozialraum der Schüler*innen einbeziehen. Dieser Punkt hat zwei Aspekte. Zum einen bedeutet dies, dass die Konzeption und Umsetzung von Digitalisierungskonzepten nicht allein in der Hand einiger weniger liegen darf, sondern punktuell auch immer die Einbeziehung der „Stakeholder“ an Schulen bedarf. Die Schüler*innen, die am Ende die Zielgruppe der meisten Maßnahmen sind, sollten genauso befragt und eingebunden werden, wie das Kollegium, das entscheidend für die gelingende Umsetzung ist. Ebenso gilt es, die Eltern miteinzubeziehen, die einen Blick von außen auf viele Ideen mitbringen und ebenso einen Beitrag zum Gelingen leisten müssen. Zum anderen bedeutet dieser Punkt aber auch, dass Schule sich öffnen muss und Kooperationsbeziehungen mit Akteuren im Sozialraum eingehen sollte. Dort gibt es andere Ressourcen, Perspektiven und Möglichkeiten, wie SchülerInnen Digitalkompetenzen vermittelt werden können, über den Einsatz von digitalen Medien im Unterricht hinaus.