Björn Stecher | zuerst veröffentlicht auf dem Verbraucherportal VIS Bayern, Dezember 2016
Im digitalen Technologiezeitalter werden große Datenmengen, die sogenannten „Big Data”, oftmals als das „digitale Gold” bezeichnet. Die Analogie bietet sich aus mehreren Gründen an:
1. Immer wieder versuchen Unternehmen und die Wissenschaft, nach neuen Datenquellen zu “bohren” und diese zu erschließen.
2. Der eigentliche Mehrwert ergibt sich aus der Weiterverarbeitung der Daten, denn als “Rohöl” sind sie in der Regel nutzlos.
3. Mit den Erkenntnissen und Informationen, die aus der “Raffination” gewonnen werden, lässt sich gutes Geld verdienen.
Welche Rolle spielt hierbei der Verbraucher? Wann und wie sollte und kann er seine Daten schützen?
IN DIESEM BEITRAG FINDEN SIE:
- Was ist Big Data?
- Big Data in der Anwendung
- Datenschutz und Datenkontrolle
- Big Data = großer Kontrollverlust?
Was ist Big Data?
Big Data steht als Sammelbegriff für digitale Technologien, die in technischer Hinsicht Kommunikation und Datenverarbeitung revolutioniert haben und damit das weltweite Datenvolumen exponentiell stark wachsen ließen. Dazu zählen zum Beispiel Sensordaten, Maschinendaten, Log-Daten, das Word Wide Web oder RFID-Chips. Im Jahre 2011 wurde das weltweite Datenvolumen auf über ein Zettabyte geschätzt. Experten prognostizieren für 2020 bereits 35 Zettabyte.
Mit dem steigenden Datenvolumen wird auch die Auswertung und Weiterverarbeitung der Daten immer schwieriger und komplexer. Dazu kommen komplexe Datenstrukturen und heterogene Formate, die eine Datenverarbeitung noch weiter verkomplizieren. Herkömmliche Softwarelösungen und Prozesse stoßen daher immer öfter an ihre Grenzen, Big Data zu händeln. Die Herausforderungen an Datenanalyse und Datenmanagement wächst daher in gleichem Maße wie die Masse an Rohdaten.
Big Data in der Anwendung
Beispiel Marketing und Vertrieb:
Große Datenmengen aus Marketing und Vertrieb erlauben Rückschlüsse auf Kunden und Kundensegmente. Produkt- und Dienstleistungsangebote können so auf individuelle Bedürfnisse zugeschnitten werden, um Streuverluste zu mindern. Big Data hilft dem Anbieter, das jeweilige Konsum- und Kaufverhalten der Kunden zu durchleuchten, um dann auf möglichst vielen Plattformen gezielt entsprechende Produkte anzubieten. Gleichzeitig kann ein intelligenter Einsatz von Bestands- und Standortdaten helfen, die optimale Warenverfügbarkeit zu gewährleisten. Dies ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für den Online-Handel. Erfolgreiche Beispiele dafür sind zum Beispiel Google (als Vermittler von personalisierter Werbung) und Amazon (als Online-Kaufhaus).
Beispiel Wissenschaft und Forschung:
Meteorologie, Klimaforschung, Atomphysik oder die Vorhersage von Epidemien profitieren gleichermaßen von Erkenntnissen aus der Big Data-Analyse. IBM hat zum Beispiel zusammen mit amerikanischen Universitäten Rechenmodelle entworfen, mit denen ein Ausbruch von Denguefieber und Malaria vorhergesagt werden kann. Dabei wurden typische Krankheitsverläufe und Bevölkerungsdaten mittels Algorithmen in Verbindung gesetzt. Das Ergebnis war ein realistisches Prognosemodell für den Ausbruch einer solchen Epidemie und – als Konsequenz – eine effiziente Verteilung und Vorhaltung von medizinischen Hilfsmitteln.
Beispiel Versicherungs- und Finanzwesen:
Big Data ist auch für die Versicherungswirtschaft von großem Interesse. Besonders personalisierte Versichertendaten können den Unternehmen helfen, Risiken besser zu bewerten und neue Produkte zu entwickeln. Dabei spielt auch das Internet der Dinge, also die Vernetzung von Gegenständen eine bedeutende Rolle. Mit Hilfe von Sensordaten im Haus und PKW oder Fitness- bzw. Bewegungsdaten von sogenannten Wearables lassen sich individuelle Datenmuster zur Risikobewertung oder Schadensprävention erstellen. Ähnliches gilt auch für Finanzdienstleister. Einer der Auslöser der Finanzkrise von 2008 war das Platzen der Immobilienblase in den USA aufgrund von Krediten, die nicht mehr von den Schuldnern bedient werden konnten. Big Data kann auch hier nützlich sein, mehr Einflussfaktoren aus wesentlich mehr Quellen einzubeziehen und damit die Risiken von Krediten zu bewerten und letztlich zu bepreisen.
Datenschutz und Datenkontrolle
Beim Einsatz von Big Data Verfahren in Deutschland werden von Unternehmen oft die rechtlichen Hürden kritisiert. Besonders im Umgang mit personenbezogenen Daten gibt der Gesetzgeber enge Grenzen vor. Ein wichtiger Grundsatz ist im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verankert: Personenbezogene Daten dürfen nur unter dem Vorbehalt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn die betroffene Person eingewilligt hat oder aber wenn eine Rechtsvorschrift dies ausdrücklich erlaubt. Des Weiteren dürfen Daten nur für den Zweck genutzt werden, für den sie erhoben worden sind – das sogenannte Zweckbindungsprinzip. In § 3a des BDSG wird außerdem festgelegt, dass möglichst wenige personenbezogene Daten verarbeitet werden sollen.
Diese Einschränkungen gelten aber nur für personenbezogene Daten. Daten ohne Personenbezug sind hiervon nicht betroffen. Dies sind zum Beispiel technische Daten wie ausgewertete Maschinendaten, Gerätedaten für Service- und Support- Zwecke oder andere technische Daten im Sektor Forschung und Produktentwicklung. Allerdings können Daten mit Personenbezug zur Weiterverarbeitung anonymisiert werden. Anonymisieren bedeutet, die Daten so zu verändern, dass sie keiner Person mehr zuzuordnen sind. Dabei werden eindeutige Identifikationsmerkmale gelöscht beziehungsweise durch neue Merkmale ersetzt. Anstelle der Adresse kann beispielsweise eine Gebietsangabe oder statt des Geburtsdatums nur das Geburtsjahr verarbeitet werden. Dadurch ist es datenschutzrechtlich erheblich einfacher, die Daten zu verarbeiten.
Big Data = großer Kontrollverlust?
Eng verbunden mit Big Data ist auch ein neues gesellschaftliches Verständnis von Datenhandhabung und Datenvielfalt. Im Alltag ist der Einsatz von Big Data- Technologien den NutzerInnen meist gar nicht bewusst, so zum Beispiel beim Nutzen von Online-Diensten oder dem Abruf von Verkehrs- oder Wetterinformationen. Viele Dienste und Services, die täglich in Anspruch genommen werden, existieren nur oder in dieser Form aufgrund von Big Data.
Wichtige Datenlieferanten dabei sind oftmals die Verbraucher selbst. Aktivitäten in sozialen Netzwerken, das Tragen von Wearables, Suchanfragen in Suchmaschinen oder das Sammeln von Treuepunkten an der Supermarktkasse – all diese Aktivitäten produzieren wertvolle Daten, die von Unternehmen genutzt werden können. Bei der großen Masse an Angeboten, in deren Hintergrund oft unbewusst große Datenmengen gesammelt werden, ist es für den Verbraucher oft schwer, den Überblick über die eigenen Daten zu behalten.
In Deutschland gilt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das heißt, jeder einzelne kann grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten bestimmen. In der Praxis aber wissen die wenigsten, welche Daten wo gespeichert sind und wofür sie verwendet werden. Datenschützer werben daher vermehrt für eine bewusste Datensparsamkeit, sowohl auf Seiten der NutzerInnen als auch auf der datenverarbeitenden Seite. Denn werden – so die Befürchtung – große Mengen von Daten durch private oder auch öffentliche Stellen zusammengeführt, so kann deren informationelle Auswertung zu grundlegenden Verletzungen dieser informationellen Grundrechte und damit zur Gefährdung von Freiheitsrechten führen.