Sabrina Dietrich | zuerst veröffentlicht im Behörden Spiegel, März 2017
Viele Menschen äußern ihr Entsetzen darüber, wie Brexit-Befürworter und US-Präsident Trump Datenauswertung für ihren Wahlkampf eingesetzt haben. Nun schwirren Missverständnisse und irrtümliche Annahmen auch im Rahmen der anstehenden Bundestagswahl in Deutschland durch die Bevölkerung. Dabei wird verkannt, dass in der Auswertung unserer Daten auch die Chance auf bessere Politik liegen kann.
Nach dem Brexit-Votum und dem Einzug von US-Präsident Trump ins Weiße Haus ist auch hierzulande das gezielte Nutzen und Verknüpfen von Daten für den Wahlkampf in den Fokus gerückt. Die Methoden sind in den meisten Wirtschaftsunternehmen bereits seit Jahren Alltag. Auch im Bereich des Wahlkampfes ist das gezielte Nutzen von Daten nicht neu. So nutzte der vorige US-Präsident Barack Obama eine gigantische Datenbank mit mehreren hundert Millionen Namen. Durch das Sammeln und Analysieren konnte gezielter um potentielle Wählende gekämpft werden, u. a. durch maßgeschneiderte Werbung im Internet. Die neuen technologischen Möglichkeiten ergänzen den Wahlkampf in bisher nicht dagewesener Weise. Das scheint zu Missverständnissen und auch Ängsten in der Bevölkerung und bei PolitikerInnen in Deutschland zu führen. Folgt man manch einer Aussage, stehe gar die Demokratie auf dem Spiel. Es ist also notwendig, einmal genau zu schauen, was eigentlich mit datenbasiertem Wahlkampf gemeint ist.
Dateneinsatz bei Wahlen ist nicht neu
Daten wurden schon vor dem Einzug des Internets für den Wahlkampf eingesetzt. So wurde und wird auf kommerzielle Datenbänke (also Datensätze, die kaufbar sind), Strukturdaten, zurückliegende Wahlergebnisse und Befragungen zurückgegriffen. Hintergrund ist das Filtern der Massen in Zielgruppen. Wenn also ein Politiker oder eine Politikerin von Tür zu Tür gehen und für Stimmen werben möchte, werden sie z. B. zunächst aufgrund der vorliegenden Daten ausmachen, in welchen Gebieten die Zustimmungswerte für die Partei hoch sind, die Wahlbeteiligung aber niedrig war. Als nächstes werden sie sich mit der Bevölkerungsstruktur auseinandersetzen, um die passenden Aspekte des Wahlprogramms auch an die entsprechenden Zielgruppen richten zu können. Eine junge Familie hat andere Bedürfnisse und Ansprüche an die Politik als der Erstwähler, der gerade das Studium in einer fremden Stadt begonnen hat oder eine alleinstehende Selbstständige, die plant, bald in Rente zu gehen. Mit diesem Wissen kann er nun vor Ort gut vorbereitet die vermeintlichen Bedürfnisse adressieren und so auf mehr Aufmerksamkeit und Überzeugungskraft hoffen. Auch für die jeweiligen Wählenden ist dies von Vorteil, da sie individuell angesprochen werden und schneller an die Informationen kommen können, die für sie relevant sind.
Übertragen auf die digitale Welt bedeutet das z. B., dass durch die Kenntnis der Struktur- und Interessensdaten bei Facebook gezielt Werbung geschaltet werden kann und Menschen so in ihren Bedürfnissen auch über den digitalen Kanal adressiert werden können. Struktur- und Interessensdaten sind die Informationen, die man über seine Person preisgibt und wie oft man Beiträge welchen Themas teilt oder likt. Diese Daten lassen sich zu Aussagen über die Person verknüpfen. Die Werbung in sozialen Netzwerken funktioniert bereits nach diesem Prinzip: Sogenannte Ads werden so exakt wie möglich auf die Zielgruppe ausgerichtet (Targeting) und / oder nur zielgruppenorientiert geschaltet, d. h. sie erscheinen in nur den Timelines der vermeintlich interessierten Personen. Das kann die Altersgruppe betreffen, den Musikgeschmack oder auch die Region, in der man wohnt. So werden im Facebook-Profil einer jungen Mutter mit zwei Kindern und einem mittleren Einkommen andere Produkte beworben als bei einem gutsituierten älteren Herrn, der seit seiner Pensionierung viel reist. Entsprechend dieser Datenanalysen können auch Parteien zielgerichtet im Internet und sozialen Netzwerken werben und ihre Vorort-Kampagnen ergänzen.
Zentrale Begriffe sind Transparenz und Nachvollziehbarkeit
Die Anpassung an die individuellen Vorlieben und das Verhalten an den Nutzenden ist positiv zu bewerten, wenn die Rahmenbedingungen transparent und nachvollziehbar sind. Wenn es den Parteien durch deren wissenschaftliche Auswertung gelänge, die Wählenden besser zu verstehen, sie dadurch individueller ansprechen und zum Wählen motivieren zu können, ist dies ein großer Gewinn für die Demokratie. Denn: Je mehr Menschen sich verstanden und abgeholt fühlen und deshalb wählen gehen, desto besser ist dies für unsere Gesellschaft und schlussendlich für unsere Demokratie. Transparenz und Nachvollziehbarkeit müssen aber vor allem in politischer Meinungsbildung und einem datenbasierten Wahlkampf zentrale Begriffe sein. Die Adressaten der politischen Werbung müssen die Möglichkeit haben, nachvollziehen zu können, dass sie – analog zu den Wahlwerbespots im Fernsehen, die ganz klar als solche gekennzeichnet sein müssen – gerade Wahlwerbung anschauen. Ebenso muss transparent sein, warum exakt diese Werbung angezeigt wird.
Außerdem müssen wir uns mit der Frage beschäftigen, inwiefern die neuen technologischen Möglichkeiten der Datennutzung reguliert werden sollten. Umkehrschluss darf nicht sein, dass vor allem die, die Technologien verstehen und zu nutzen wissen sowie die nötigen finanziellen Mittel haben, durch entsprechende Beeinflussung zukünftig den Ausgang der Wahlen beeinflussen. Das Internet ist extrem dynamisch und in jeder Wahlperiode kommen neue Technologien hinzu. Deswegen benötigen wir den Dialog über technisch Mögliches, rechtlich Erlaubtes und gesellschaftlich Gewolltes im Rahmen des datenbasierten Wahlkampfes. Um die zu diskutierenden Aspekte zusammenzutragen und die Erkenntnisse zu diskutieren, veranstaltete die Initiative D21 am 31. März die Konferenz „Data & Politics“. Die Konferenz schaffte gebündelt zum Thema Daten und Politik Klarheit über Möglichkeiten und Grenzen, vergangene Erfahrungen und die ganz konkreten Möglichkeiten, die sich für die politische Arbeit in Europa und speziell in Deutschland bieten.
Mehr unter https://initiatived21.de/veranstaltungen/data-politics-wie-kann-big-data-den-wahlkampf-beeinflussen/
Beitragsbild: https://www.flickr.com/photos/jasonahowie/8583949219/in/photostream/, CC BY 2.0