Sabrina Dietrich | zuerst veröffentlicht im Behörden Spiegel, April 2017
Es ist Wahlkampfzeit und nie zuvor gab es so viele Diskussionen über den Einfluss und die Möglichkeiten von Medien und Technologien bei Wahlen. Vor allem die Möglichkeit zu gezielten Manipulationen durch sogenannte Fake News und Social Bots verunsichert Deutschland vor den anstehenden Bundestagswahlen. Was also tun? Müssen Gesetze her, um vor Fake News zu schützen oder liegt es in der Hand der Internetnutzenden?
Im Wahlkampf um den Brexit sowie um das Weiße Haus wurden zahlreiche Roboter zur Meinungsmache, sogenannte Social Bots eingesetzt. Social Bots sind Programme, die nach der Programmierung z. B. selbstständig und enorm schnell in sozialen Netzwerken zustimmende oder ablehnende Kommentare erzeugen können. Dabei ist es auf den ersten Blick schwer zu erkennen, ob Kommentare von einem Menschen oder einer Maschine stammen. Durch die Masse an Nachrichten, die die Bots innerhalb kürzester Zeit absetzen können, kann der Eindruck entstehen, dass in der Bevölkerung ein bestimmtes Thema enorm wichtig ist und / oder eine bestimmte Meinung vorherrscht. Kritisch hierbei ist, dass der Meinungsbildungsprozess jedes einzelnen – aber auch für politische Handlungsfelder – verfälscht werden kann.
Fake News sind ein Problem des Internets
Schon immer versuchten Politik und Wirtschaft die öffentliche Meinung durch ihre Themensetzung zu überzeugen. Auch im Wahlkampf werden Aussagen überspitzt oder Inhalte unterschiedlich interpretiert – positiv bei der eigenen Position, negativ bei der gegenteiligen. Von Fake News, also Falschmeldungen, ist das allerdings weit entfernt. Nicht jede unpassende oder fragwürdige Aussage ist gleich eine Lüge oder bewusste Täuschung. Dennoch sind mit dem Internet, hier vor allem durch Soziale Medien, bisher ungeahnte Beteiligungs- und Verbreitungsmöglichkeiten hinzugekommen. Jeder kann Fake News produzieren und streuen, die bewussten Lügen können sich rasend schnell verbreiten und Wirkung entfalten – vor allem wenn z. B. Social Bots zu ihrer Verbreitung und Bekräftigung eingesetzt werden. Fake News sind somit in ihrer Dynamik vor allem ein Problem des Internets.
Du bist, was du teilst
Dabei sind die Fake-News-Produzierenden, die bewusst fehlinformieren und verunsichern wollen, nur eine Hälfte des Problems. Fake News müssen auch auf eine Leserschaft treffen, die darauf hereinfällt und sie weiterverbreitet. Die Gründe für eine entsprechende Anfälligkeit sind vielfältig. Soziale Medien sind eben immer sozial, das bedeutet, dass es auch um Identität geht, um Selbstdarstellung. Wenn Fake News im Kern nicht völlig absurd sind, kann es für die Glaubwürdigkeit schon ausreichen, wenn sie von einer Person geteilt wurde, die der Lesende als vertrauenswürdig einstuft: „Also, wenn Person XY das geteilt hat, dann muss das stimmen. Die kennt sich aus“. Oder, wenn die Information zum eigenen subjektiven Weltbild passt: „Ich habe doch schon immer gesagt, dass Person XY ein Schuft ist“. Durch das Fehlen alter Vertrauensanker in Zeiten der Informationsflut können diese Dinge bereits ausreichen, um fragwürdige und denunzierende Informationen kaum kritisch zu hinterfragen und schnell weiterzuverbreiten.
Was bei Sozialen Medien noch begünstigend hinzukommt, ist die Geschwindigkeit. Behauptungen können innerhalb kürzester Zeit tausendfach geteilt werden. Wenn sich diese Informationen dann aber als unwahr herausstellen, erreichen diese Meldung kaum noch einen Bruchteil derer, die die Behauptung teilten. Die Geschwindigkeit bewirkt nicht nur ein schnelles Streuen, sondern auch das schnelle Abebben. Wenige Tage später ist eine Richtigstellung also auch deshalb uninteressant, weil in der Zeitrechnung Sozialer Medien die Behauptung bereits zu weit in der Vergangenheit liegt.
Fake News? Ohne uns!
Fake News und Social Bots und der damit einhergehende Versuch der manipulierten Meinungsbildung erscheint gerade im Jahr der Bundestagswahl als große Bedrohung. Manche sehen gar die Demokratie in Gefahr. Was kann uns also retten? Fakt ist: Soziale Medien sind kein rechtsfreier Raum! Alle Internetnutzenden müssen dementsprechend handeln. Die Politik steht vor der Herausforderung, bestehende rechtsstaatliche Regelungen zu prüfen und entsprechend der Dynamik des Internets anzupassen. Die staatliche Verantwortung liegt ebenso in der Bildung und Aufklärung der Bevölkerung. Zum Bildungsauftrag der Schule gehört es, junge Menschen auf das Leben in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts vorzubereiten. Die jährliche Erhebung des D21-Digital-Index zeigt aber, dass die deutsche Gesellschaft immer nur gerade so mit den Anforderungen mithalten kann, die ein digitalisierter Alltag mit sich bringt. Und die auftretenden Probleme mit Fake News und Social Bots sind nur eine Symptomatik der mangelnden Digitalkompetenz in Deutschland. Schulbildung, aber auch die Aus- und Weiterbildung Erwachsener muss dringend gegensteuern. Dafür muss der Staat die nötigen Rahmenbedingungen schaffen: Eine zukunftsfähige technische Infrastruktur, entsprechend ausgebildete Lehrkräfte und eine im Lehrplan verankerte digitale Bildung, die Inhalte aber auch Praxis vermittelt. Darüber hinaus müssen sich nun aber auch alle Internetnutzenden antrainieren, bei Informationen nicht gleich unüberlegt weiterzuverbreiten, sondern gesunde Skepsis walten zu lassen und kritisches Quellenstudium zu betreiben, so wie sie lernen mussten, nicht auf unbekannte Downloadlinks zu klicken.
Unterstützung könnten bald auch technische Mittel bieten. So wird bereits vielfältig daran gearbeitet, Informationen automatisch und softwaregestützt zu verifizieren und so Fake News leichter erkennbar zu machen. Am Ende ist es also ein Zusammenspiel aus gesetzlichen Rahmenbedingungen und umfassenden Digitalkompetenzen mit Hilfestellung technischer Möglichkeiten. Dennoch: Beim eigenen Umgang mit Informationen kann bereits ab sofort der Kampf gegen Fake News stattfinden: Nicht alles sofort glauben, nicht alles sofort teilen!
Beitragsbild: Public Domain