In diesem Jahr liegt der Fokus des Breitbandgipfels der Deutschen Breitbandinitiative auf dem Mittelstand, denn er stellt mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze in Deutschland und damit einen enormen Wirtschaftsfaktor dar. Und die Redner der Veranstaltung sind sich einig, der deutsche Mittelstand tut im Bereich der Digitalisierung viel und ist grundsätzlich gut aufgestellt. Doch es fehlt ihm an Schnelligkeit und im internationalen Vergleich ist der Mittelstand noch nicht gut genug aufgestellt. So wird gleich zu Beginn der Veranstaltung der Finger in die Wunde gelegt: „Digitalisierung ohne Breitband ist wie Schifffahrt ohne Wasser!“ Oliver Tuszik aus dem Präsidium des Bitkoms trifft mit diesem Gleichnis ziemlich genau das Problem: In einer immer digitalisierteren Welt mit immer mehr und größerem Datenverkehr läuft Deutschland Gefahr, sprichwörtlich trocken gelegt zu werden, also den Anschluss zu verlieren. Es ist längst bekannt, dass Deutschland beim Thema Digitalisierung international nur mittelmäßig abschneidet. Vor allem beim notwendigen Ausbau flächendeckender und zukunftsfähiger Infrastrukturen, hakt es.


(v.l. Oliver Tuszik (Präsidium Bitkom) und Hannes Schwaderer (Präsident Initiative D21))

Wie Schifffahrt ohne Wasser

Dass neue, datenbasierte Geschäftsmodelle entstehen, deren Grundlage immer größere Datenmengen sind, ist nichts Neues. Auch nicht, dass dies nur mit der entsprechenden digitalen Infrastruktur möglich ist. Es sind allerdings nicht nur die neuen und innovativen Geschäftsmodelle, die leistungsfähige Breitbandnetze benötigen. Auch Unternehmens- und Kommunikationsprozesse sind in Unternehmen weitestgehend digital und bieten Unternehmen und Arbeitnehmenden große Effizienzvorteile. Die Nutzung dieser Vorteile ist hierzulande allerdings durchaus eine Frage des Standortes. In Ballungszentren ist die Netzabdeckung meist gut, im ländlichen Raum schlecht oder gar nicht vorhanden. „Viele haben große Unternehmen in den Städten im Blick. Es gibt aber auch kleinere Unternehmen oder Menschen im Homeoffice in ländlichen Regionen“, sagt Hannes Schwaderer, Präsident der Initiative D21. Und Tim Brauckmüller, Geschäftsführer Breitbandbüro des Bundes, stimmt ihm zu: „Weil die wichtigen Akteure überall sitzen können, benötigen wir flächendeckendes Internet“. In seinem Vortag verdeutlicht er auch, dass ein Abwandern der Unternehmen aufgrund mangelnder Infrastruktur auch weitreichende, negative Konsequenzen für die ganze Region hätte. Wenn die Arbeitsplätze verschwinden, wandern auch nach und nach die Bewohner ab, Schulen schließen, Gebiete überaltern oder verwaisen.

Gerade für Kommunikation, Transport und Logistik sei ein flächendeckender Ausbau mit leistungsfähigen Netzen essentiell, fasst es Stefan Koetz, Vorsitzender der Geschäftsführung von Ericsson, noch einmal zusammen. Aber auch autonomes Fahren ist heute schon ein Thema. „Die ersten autonomen Fahrzeuge, die es hier geben wird, sind die der Landwirtschaft. Nämlich Traktoren und Mähdrescher“, unterstreicht Wilhelm Dresselhaus (Sprecher der Geschäftsführung von Nokia) noch einmal die Notwendigkeit eines zügigen Ausbaus in ländlichen Regionen. Ob nun neue Geschäftsmodelle, Homeoffice oder autonom fahrende Mähdrescher, gerade für den Mittelstand bedeutet eine zukunftsfähige, flächendeckende Infrastruktur die Sicherung der weltweiten Wettbewerbsfähigkeit. Inneffiziente Infrastrukturen hemmen den Aufschwung. Dr. Jürgen Hernichel, Vizepräsident Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko), sieht die Verantwortung auch beim Staat: „Wir müssen sicherstellen, dass Förderprogramme unterstützen, dass Glasfasernetze entsprechend ausgebaut werden“.


(Frank Krüger (Ministerialdirigent Digitale Gesellschaft und Infrastruktur | BMVI))

Einen ersten Schritt, um den Breitbandausbau deutschlandweit voranzutreiben, unternehme das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) bereits sehr erfolgreich. Um Gigabit symmetrisch in unterversorgte Industrie- und Gewerbegebiete sowie Häfen zu bringen, investiere es im Rahmen seines Bundesförderprogramms 350 Millionen Euro, so Frank Krüger, Ministerialdirigent Digitale Gesellschaft und Infrastruktur beim BMVI. Die dafür notwendige Eigenbeteiligung in Höhe von EUR 2.000 sieht Brauckmüller als unproblematisch. Viele hätten zuvor höhere Angebote bekommen, sodass über die Summe gar nicht diskutiert werde. Die höhere Hürde sehe er darin, dass sich 80 Prozent der Unternehmen am Glasfaserausbau in ihrem Gebiet beteiligen müssten, um die Förderung zu erhalten. Diese Regelung sei aber sinnvoll, da sich der Ausbau sonst nicht lohne.

Breitband als Stellschraube für gesellschaftlichen Erfolg

Gerald Swarat von der Initiative Digitale Dörfer des Fraunhofer IESE sieht neben ökonomischen Gründen für einen raschen Breitbandausbau auch gesellschaftliche Faktoren. Wenn die technische Infrastruktur gegeben sei, entstünden auch Anwendungen, die genutzt werden können und der Nutzen der Digitalisierung für die Gesellschaft wird erfahrbar. Das ist notwendig um die Gesellschaft auf den digitalen Transformationsprozess mitzunehmen. Damit spricht er sich für den Ausbau von flächendeckendem und leistungsfähigem Breitband aus, auch bevor die breite Nachfrage dazu entstanden ist. Der Leiter Politik und Regulierung der Deutschen Telekom, Wolfgang Kopf, geht mit einem anderen Ansatz an den Ausbau. Aufgrund der jetzt noch nicht gegebenen Nachfrage halte er die momentanen möglichen 50 bis 100 Mbit/s für den Großteil Deutschlands für ausreichend. Dennoch laute auch für die Telekom der nächste Schritt ohne Zweifel der Ausbau von flächendeckenden Glasfasernetzen. Aber es zeigt sich, ob eine Orientierung rein an der momentanen Nachfrage insgesamt förderlich ist, ist diskutabel. Der D21-Digital-Index zeigt in jedem Jahr, dass die Mehrzahl der Deutschen das Internet noch nicht so vielfältig nutzt, wie sie es könnte. Daher müsste eher, ähnlich Swarats Ansatz‘, anhand der neuen technologischen Möglichkeiten aufgezeigt werden, was alles machbar ist und sein wird, um die Akzeptanz der Bevölkerung für die neuen Möglichkeiten anzuregen. Weiter so zögernd den digitalen Wandel anzunehmen, wird nicht zuletzt für die Wirtschaftskraft Deutschlands ein ernstzunehmendes Problem sein.


(v.l.n.r. Dr. Jürgen Hernichel (Vizepräsident Breko), Wolfgang Kopf (Leiter Politik und Regulierung der Deutschen Telekom), Wilhelm Dresselhaus (Sprecher der Geschäftsführung von Nokia), Walter Haas (Mitglied der Geschäftsführung von Huawei), Stefan Koetz (Vorsitzender der Geschäftsführung von Ericsson))

Der Breitbandgipfel zeigt, die verfügbare Infrastruktur hat weitreichende Auswirkungen – auch zukünftig. So bringt Stefan Koetz schließlich auch die Bildung ins Spiel. Er erkennt die Notwendigkeit, digitale Bildung in Schulen zu verankern. Zum einen würden junge Menschen damit für den digitalen Arbeitsmarkt von morgen befähigt, zum anderen stärke es die Innovationsfähigkeit, um Deutschland weiter voranzubringen.

„Wir haben heute festgestellt, dass die Förderung des deutschen Mittelstandes auf drei Säulen fußt“, fasst Lena-Sophie Müller (Geschäftsführerin Initiative D21) den Breitbandgipfel zusammen. „Zum einen ist es die Infrastruktur, zum anderen aber auch eine zeitgemäße und zukunftsorientierte Aus- und Weiterbildung, um Kompetenzen zu fördern, sowie förderliche rechtliche Rahmenbedingungen“. Wie schon bei der vergangenen Herbstkonferenz der Deutschen Breitbandinitiative zeigt sich auch an diesem Tag wieder, längst ist der Ausbau breitbandiger Infrastrukturen nicht mehr nur ein infrastrukturelles Thema. Inzwischen ist das Internet so mit unserem Leben verwoben, dass fehlende Investition Auswirkungen auf die gesamtgesellschaftliche Entwicklung haben. Die Welt ist eine digitalisierte. Wenn wir weiter eine führende Rolle innehaben wollen, müssen wir diese Erkenntnis in entsprechendes chancen- und damit zukunftsorientiertes Handeln umsetzen.