Björn Stecher | zuerst veröffentlicht auf dem Verbraucherportal VIS Bayern, Dezember 2016
Als die Idee der Smart Grids, der intelligenten Stromnetze, vor einigen Jahren der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, wurde bei den Verbrauchern die Hoffnung geweckt, dass sie mit Hilfe dieser Technologie den eigenen Energieverbrauch kontrollieren und dadurch massiv Geld sparen könnten. Bis heute konnten sich Smart Grids in Deutschland jedoch noch nicht so richtig durchsetzen. Hauptgründe hierfür sind vor allem das Fehlen der für den Einsatz von Smart Grids sinnvollen flexiblen Stromtarife, die notwendigen intelligenten Geräte sowie Datenschutzbedenken der Verbraucher.
In diesem Beitrag finden Sie:
- Was sind Smart Grids?
- Wie funktionieren Smart Grids?
- Risiken von Smart Grids
Was sind Smart Grids?
Das Stromnetz von heute ist nicht „intelligent“: Die Erzeuger müssen permanent in der Lage sein, große Mengen Strom liefern zu können – auch wenn diese durch die Verbraucher nicht abgerufen werden. Das erzeugt immense (Vorhalte-)Kosten bei den Energieversorgern, die diese an die Verbraucher weitergeben. Das intelligente Netz der Zukunft soll dafür sorgen, dass über 24 Stunden hinweg eine gleichmäßige Auslastung des Netzes erfolgt. Beliebtes Beispiel ist immer, dass die Waschmaschine auch nachts laufen kann, da dann die Auslastung des Netzes geringer ist und die Stromerzeuger diese Flexibilität mit günstigeren Preisen belohnen würden.
Ein weiteres Element der Stromnetze von morgen ist eine zunehmende Dezentralisierung der Stromerzeugung. Nicht nur die großen Energieerzeuger speisen Strom in die Netze ein, sondern auch immer mehr kleine Anbieter, wie Stadtwerke oder sogar Privatleute, die zum Beispiel Überkapazitäten ihrer Photovoltaikanlagen (sog. Klein- oder Kleinstanlagen) zur Verfügung stellen. Die Konsumenten werden dadurch selbst zum Erzeuger. Unabdingbar hierfür ist aber eine intelligente Steuerung der Systeme. Und nicht zuletzt sollen Smart Grids auch ein wesentlicher Baustein der Energiewende sein.
Die intelligenten Netze der Zukunft zeichnen sich durch
- eine gezielte Steuerung der Stromlastverteilung und
- eine Verstärkung des Wettbewerbs im Strommarkt durch mehr Anbieter aus.
Wie funktionieren Smart Grids?
In einem ersten Schritt werden Häuser und Wohnungen mit intelligenten kommunikationsfähigen Messgeräten (den sog. „Smart Metern“) ausgestattet, die online in Verbindung mit den Stromlieferanten stehen und exakte Verbrauchsdaten liefern (der Einbau von Smart Metern ist unter bestimmten Voraussetzungen sogar Pflicht). So soll es möglich sein, anhand dieser Daten die Stromlieferung zu optimieren: Spitzenlasten können identifiziert und – soweit möglich – umgangen werden, was letztlich zu niedrigeren Strompreisen führen soll.
Auf diese Art und Weise sollen Privathaushalte bis zu 15% an Stromkosten sparen können. Jeder Verbraucher soll zudem in die Lage versetzt werden, einfach und nachvollziehbar seinen Stromverbrauch ermitteln zu können und so dazu ermutigt werden, mit der knappen Ressource Strom sinnvoll umzugehen.
Smart Meter dienen in diesem Zusammenhang als Bindeglied zwischen Verbraucher und Stromnetz. Hinzu kommen eine intelligente Steuerung der Systeme und flexible Tarife der Energieerzeuger, die langfristig eine „selbst denkende“ Stromversorgung ermöglichen sollen. Um beim oben genannte Beispiel mit der in der Nacht laufenden Waschmaschine zu bleiben: Die Zukunftsvision sieht vor, dass das intelligente Netz von morgen autonom der Waschmaschine vorgibt, in der lastarmen und damit billigeren Nachtzeit zu waschen, ohne dass der Verbraucher sich darum kümmern muss. Andersherum sollen sich auch Haushaltsgeräte dann in Gang setzen, wenn etwa gerade sehr viel Energie (über-)produziert wird und die Preise der Anbieter deshalb fallen. Im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) wurden daher schon im Jahr 2011 die Voraussetzungen für eine umfassende Einführung und Nutzung von Smart Metern geschaffen.
Risiken von Smart Grids
Die Innovation Smart Grid hat sich in Deutschland noch nicht durchgesetzt. In einem Pilotversuch aus dem Jahr 2010 mit den für ein Smart Grid erforderlichen intelligenten Zählern in Berlin haben sich nur 7% der Nutzer nach Ende der Projektlaufzeit für eine Verlängerung der Nutzung ausgesprochen . Der Stromanbieter Vattenfall stattete 2010 in Berlin 3.000 Wohnungen mit intelligenten Stromzählern aus. Zusammen mit einem Software- und einem Hardwareentwickler wurde den Bewohnern die Visualisierung ihres Elektrizitätsverbrauchs in Echtzeit auf dem Fernseher, dem iPhone oder einer Onlineplattform angeboten (siehe hier).
Als Gründe wurden hauptsächlich fehlendes Einsparpotential für Privatnutzer und Datenschutzbedenken angeführt. Und auch heute ist die Perspektive nur unwesentlich besser. Verbraucher- und Datenschützer haben schon von Beginn an Bedenken erhoben, denn beim Einsatz von Smart Metern werden permanent Daten zwischen der Messstelle beim Verbraucher und dem Stromlieferanten und gegebenenfalls weiteren beteiligten Stellen ausgetauscht.
Aus Datenschutzsicht stellen sich daher vor allem die folgenden Fragen:
- Werden die übertragenen Daten sicher vor Missbrauch geschützt?
- Werden Daten Dritten zur Kenntnis gegeben?
- Werden mehr als die erforderlichen Daten übertragen und/oder gespeichert?
- Sind die Messstellen ausreichend gegenüber unbefugter Einsicht geschützt?
- Können Unbefugte aus den Daten Rückschlüsse auf die Lebensweise von identifizierbaren Personen schließen?
Die Furcht der Verbraucher zum gläsernen Stromkunden zu werden, ist groß. Die Überlegung, ob nicht der Einsatz von intelligenten Zählern mit den genannten Funktionen die Erstellung detaillierter Persönlichkeitsprofile über den Energieverbrauch und somit Aussagen über die Lebensgewohnheiten der Verbraucher erlaubt, ist auch nicht von der Hand zu weisen. Anhand des Stromverbrauchs ließe sich schließlich erkennen, wann jemand aufsteht, wann er fernsieht oder gar wann jemand verreist ist. Auch das Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung steht damit in unmittelbarem Zusammenhang.
Klar ist, dass ohne die Zustimmung des Verbrauchers keinerlei permanente oder sich stetig wiederholende Datenübertragung stattfinden darf. Zwar ist nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG eine Fernablesung grundsätzlich zulässig, wenn diese zu einem vorher festgelegten Termin erfolgt und der Verbraucher vorher informiert wird. Dies gilt jedoch dem Wortlaut nach eben auch nur für die in einem bestimmten Zeitraum einmalig erfolgende Ablesung. Für öfters stattfindende Messungen – manche Geschäftsmodelle der Anbieter sehen eine Messung jede Minute vor – ist daher eine Einwilligung des Verbrauchers nach § 4a BDSG zwingend erforderlich. Und diese Einwilligung ist nur wirksam, wenn der Verbraucher sie in Kenntnis aller für ihn relevanten Umstände wie den Zweck der Erhebung abgibt, d.h. der Anbieter muss klar und deutlich offenlegen, was wann mit welchen Daten geschieht. In vielen Fällen sind nur schwer verständliche Allgemeine Geschäftsbedingungen daher im Grunde nicht geeignet, dem Verbraucher die für seine Einwilligung notwendigen entscheidungserheblichen Umstände näherzubringen. Auch andere Grundsätze des BDSG wie Datensparsamkeit und –vermeidung sind offenkundig durch die Geschäftsmodelle der Anbieter tangiert.
Neben den Anforderungen des Datenschutzes ist es zudem unerlässlich, in ausreichendem Umfang die Sicherheit der Daten zu gewährleisten, um einen sicheren Betrieb intelligenter Stromnetze zu ermöglichen. Es muss sichergestellt werden, dass das System gegen Manipulierung, Datenmissbrauch und zum Beispiel das Eindringen von Hackern geschützt ist. Störungen, Stromausfälle oder das Verfälschen von Abrechnungen müssen ausgeschlossen werden können. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hat daher ein Schutzprofil entwickelt, dessen Anforderungen die Anbieter erfüllen müssen. Auch eichrechtliche Vorgaben der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt müssen zwingend eingehalten werden.
Fazit
Das Konzept vom intelligenten Stromnetz ist zwar inzwischen vielen Verbrauchern bekannt – hat aber dennoch am Markt offenkundig zurzeit immer noch kaum Chancen. Intelligente Netze bergen ein enormes Innovationspotenzial und könnten künftig auch den Verbrauchern spürbare Vorteile im Hinblick auf Stromeinsparungen und Nutzung günstigerer Stromkonditionen bringen. Noch scheinen aber zu viele Fragen im Hinblick auf Datenschutz und Datensicherheit zumindest aus Verbrauchersicht ungeklärt und zu wenig passende Angebote seitens der Energieunternehmen zu existieren.
Alles in allem lässt sich sagen, dass man als Verbraucher getrost erst mal die weiteren Entwicklungen abwarten sollte und sich dann in aller Ruhe nach passenden seriösen Angeboten umsehen kann. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat jüngst eine Gesetzesinitiative zur Digitalisierung der Energiewende auf den Weg gebracht. Auch diese Entwicklungen wird man abwarten müssen.