Am 19. April lud die Initiative D21 zum vierten Mal ihre Mitglieder und interessierte Akteure aus Wirtschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft in die Microsoft Digital Eatery in Berlin, um Chancen und Herausforderungen der digitalen Flüchtlingshilfe in Deutschland zu diskutieren. Ein Schlüssel zur Integration ist Sprache. Zugewanderten schnell und erfolgreich den Spracherwerb zu ermöglichen, ist somit essentiell für ihre Teilhabe an der deutschen Gesellschaft. Wie digitale Angebote den Spracherwerb und damit die Integration unterstützen können, wurde beim 4. Community-Treffen thematisiert (Fotos).

Welchen Bedarf es gibt, worin die größten Herausforderungen und Probleme bei der Sprachvermittlung bestehen und welche Lösungsansätze es bereits gibt, diskutierten Christian Hillemeyer, Communications Director bei Babbel, Regina Eichen, Projektleiterin des Lernportals ich-will-lernen beim Deutschen Volkshochschul-Verband, Christian Köhn, Projektleiter P.R.I.S.M. bei commuNet sowie Jürgen Müller, Leiter der Projektgruppe Digitale Gesellschaft des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Müller stellte fest, dass Sprache nicht nur der Schlüssel zur Integration ist, sondern auch die notwendige Bedingung darstellt, sich in einem fremden Land zurecht zu finden. Aufgrund des für die Menge der Geflüchteten nicht ausreichende Kursangebot übernehmen in den Erstaufnahmeeinrichtungen viele Ehrenamtliche den Deutschunterricht – auch Apps und YouTube Videos kommen zum Einsatz.

Christian Köhn stellte mit P.R.I.S.M. (Platform for Refugees and Immigrants to support their Social Matters) ein auf Linux-basiertes System vor. Es kann als Self-Service-Station in Aufnahmeeinrichtungen bereitgestellt werden und übersetzt Webseiten in bis zu 80 verschiedene Sprachen. Außerdem werden Informationen beispielsweise zu Deutschkursen, zur Job- und Wohnungsuche, zur Freizeitgestaltung, zu Behördenangelegenheiten sowie zu Ämtern, Ärzten und Apotheken angeboten. Durch den ehrenamtlichen Charakter der Software müssten spezielle Schwierigkeiten bewältigt werden, so gäbe es oft Hindernisse aufgrund mangelnder digitaler Infrastruktur. Nicht immer ist zum Beispiel ausreichend Datenvolumen in den Unterkünften vorhanden. Oft verlange der Alltag in der Flüchtlingshilfe nach kreativen Lösungen, oft sei externe Unterstützung zur Bewältigung dieser Schwierigkeiten notwendig, erklärte Köhn. Außerdem sei es sinnvoll, auch Flüchtlinge selbst bei Hilfsprojekten mit einzubeziehen, so profitiere sein Team besonders von der Mitwirkung eines syrischen Flüchtlings. Sein Fazit fällt positiv aus: An Hilfe mangele es nicht und alles sei machbar, man müsse es nur angehen und verwirklichen wollen.

Der Sprachlernanbieter Babbel bietet am Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) kostenlose Deutschkurse für Flüchtlinge an. Die Registrierung für das Sprachangebot wird von Freiwilligen unterstützt. Das Portal „ich-will-deutsch-lernen“ bildet den Integrationskurs des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge digital ab. Insbesondere in Bildungseinrichtungen wird mit diesem Portal gearbeitet. Zusätzlich wurde zum Jahresanfang die kostenfreie Sprachlern-App “Einstieg Deutsch” gelauncht.

Christian Hillemeyer und Regina Eichen, die beide über langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der digitalen Sprachvermittlung verfügen, betonten, dass durch elektronische Medien zwar neue und flächendeckendere Zugänge zum Spracherwerb ermöglicht würden, ein Self-Service allein aber nicht zum Erfolg führe. Die Herausforderung bestehe insbesondere darin, die Motivation der Lernenden aufrecht zu erhalten.

Jürgen Müller vom BMFSFJ erklärte, dass das Familienministerium viel für den Schutz von Frauen und Kindern in Flüchtlingseinrichtungen unternehme. Außerdem unterstütze es digitales Engagement und gesellschaftliche Teilhabe durch verschiedene Programme, z. B. durch Betreuung der Kinder während die Eltern Kurse besuchten und die Finanzierung von Sprachprogrammen in Kitas. Im Bereich der digitalen Sprachvermittlung sei das BMFSFJ nicht tätig, da dafür eher das Wirtschaftsministerium zuständig sei. Müller sei erfreut, was ehrenamtlich und professionell in der Flüchtlingshilfe alles möglich gemacht wurde. Dennoch gelte auch bei digitaler Hilfe, interkulturell sensibel vorzugehen.

An diesem Punkt des Abends zeigte sich auch eine andere interessante Entwicklung bei den Integrationsunterstützern. Während bei CommuNet die ehrenamtliche und kostenfreie Hilfe unumstößlich im Vordergrund stehen bleiben wird, müssten andere Anbieter eingestehen, aufgrund der Marktlage prüfen zu müssen, ob ihre Angebote kostenfrei bleiben könnten. Kostenfreiheit gäbe kaum Anreiz zu Wachstum und Qualitätsverbesserung, sodass fraglich sei, wie lange diese Angebote noch überleben würden.  Digitale Integrationshilfen erzielen eine deutlich erkennbare Wirkung bei überschaubaren Kosten. Nun gilt es, diesen Wert weiter zu fördern, um deren Erfolg und nachhaltige Wirkung aufrecht zu erhalten.

Der Aspekt der Fairness und des Wettbewerbs zwischen den Anbietern wurde auch im Publikum intensiv diskutiert: Nach welchen Kriterien werden Inhalte, die auf Hilfsplattformen gestellt werden, ausgesucht? Und warum bekommen manche Firmen und Anbieter einen Wettbewerbsvorteil?

Die Diskussion mit dem Publikum machte deutlich, dass man aufgrund der Fülle von Anbietern und Angeboten schnell den Überblick verlieren könne. Mangelnde Koordination und Austausch der Angebote führen zu großen Hürden bei Spracherwerb und Integration. Eine Vernetzung könnte das teils wirre Feld in strukturierte Bahnen lenken und zu effizienter Zusammenarbeit – auch innerhalb des Verwaltungsapparates – führen. Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, denn schließlich muss die Teilhabe aller gewollt und gefördert werden. Daher müssen ehrenamtliche Initiativen sowie Initiativen aus Wirtschaft und Politik zusammengebracht werden, um erfolgreich wirken zu können. Es wäre ein Fehler, wenn jeder nur sein Angebot im Fokus hätte.

Bei Fragen können Sie sich gern bei unserem Projektteam unter fluechtlingshilfe[at]initiatived21.de melden.