Am 18. Februar trafen sich zum dritten Mal die Mitglieder der AG Innovativer Staat und weitere Interessierte aus Wirtschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft in der Digital Eatery in Berlin, um Chancen und Herausforderungen der digitalen Flüchtlingshilfe in Deutschland zu diskutieren. Das 3. Community-Treffen fand in Kooperation mit dem Bitkom zum Thema „Beschäftigung und Ausbildung von Flüchtlingen“ statt.
Ende Oktober startete die D21 Flüchtlingshilfe-Unterstützungs-Plattform, die kostenlose IT-Hilfsangebote im Rahmen der Flüchtlingshilfe sammelt und systematisiert. Darüber hinaus bietet die Initiative D21 als neutraler Moderator, in regelmäßigen Community-Treffen und Webkonferenzen die Möglichkeit zum Austausch zwischen Behördenvertretern, gemeinnützigen Initiativen und IT-Unternehmen. Alle interessierten Akteure der Flüchtlingshilfe sind herzlich eingeladen sich einzubringen.
Cornelius Kopke, Referent für öffentliche Sicherheit und Wirtschaftsschutz beim Bitkom, Ingo Engelhardt, Leiter Koordination und Steuerung IT und Prozessmanagement der Bundesagentur für Arbeit und Katharina Dermühl von Kiron Open Higher Education, leiteten den Abend mit einer Podiumsdiskussion ein.
Cornelius Kopke betonte, dass wir erstmals in der Geschichte der Migration, die Chance haben die Beschäftigung und Ausbildung von Flüchtlingen mit Hilfe digitaler Lösungen zum Erfolg zu führen. Bei einer der wesentlichen Voraussetzungen, der Vernetzung von Menschen, könne die Digitalisierung helfen. Arbeitgeber könnten von der Vielzahl der beruflichen und sozialen Kompetenzen der Flüchtlinge enorm profitieren. In Kooperation mit McKinsey arbeite der Bitkom an einer großangelegten Praktikabörse mit Matching-Funktion – dabei soll ein Algorithmus Arbeitgeber und Flüchtlinge zusammenbringen. Eine Kompetenzerfassung kann per Smartphone über ein Self-Assessment erfolgen. Kopke unterstrich, dass so die erste Hürde eines Zusammenkommens zwischen deutschen Arbeitgebern und Geflüchteten überwunden werden könne. Ein Übergang in Ausbildung oder Beschäftigung werde erleichtert.
Ingo Engelhardt schilderte, mit welchen digitalen Maßnahmen sich die Bundesagentur für Arbeit auf die zu erwarteten hohen Zahlen von Flüchtlingen, die in den Arbeitsmarkt integriert werden müssen, vorbereite. Mit unterstützenden Aktivitäten wie der „Ankommen-App“, die in 5 verschiedenen Sprachen zur Verfügung steht, werde die Orientierung in den ersten Wochen in Deutschland für die Neuankömmlinge erleichtert. Für die BA stelle ein besonders wichtiges Thema die mit dem Ankunftsnachweis verbundene Datenerhebung, Datenqualität und Datenübertragung zwischen BAMF und BA dar – auch in Bezug auf Anschlussprozesse der Qualifikationserfassung. Eine durchgängige und einheitliche Datenstruktur sei zwingend notwendig, betonte Engelhardt, insbesondere um Personen eindeutig zu identifizieren. Um Kommunikationsprobleme zu überwinden, würden zudem Dolmetscher per Telefon und Video in die technische Infrastruktur der BA eingebunden.
Katharina Dermühl schilderte Ihre Erfahrungen im Rahmen der Kiron University, einer „Plattform im Ökosystem Hochschulausbildung“. Der Zugang zum Hochschulstudium werde Geflüchteten oftmals unnötig erschwert. Hürden seien vor allem in der Finanzierung, sprachlichen Kenntnissen und Qualifikationsnachweisen aus dem Herkunftsland zu sehen. Dermühl unterstrich, dass es im Schnitt drei Jahre dauere, bis ein Studium begonnen oder fortgesetzt werden könne. Mit der Kiron University erhalten die Geflüchteten die Chance, zwei Jahre Online-Kurse in englischer Sprache zu belegen, um im Anschluss an eine der regulären Partnerhochschulen zu wechseln. Die Teilnahme an Online-Kursen und Prüfungen werde durch Vereinbarungen mit MOOC-Anbietern ermöglicht. Die Platzvergabe erfolge bisher über eine Anschubfinanzierung verschiedener Stiftungen. Die Frage einer Teilnehmerin, ob das Modell auch auf das duale Ausbildungssystem übertragbar wäre, bejahte Dermühl klar.
In der Podiumsdiskussion betonte Ingo Engelhardt, dass das große Engagement der Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu helfen, nicht als Konkurrenzgeschäft, sondern zielführende Ergänzung staatlicher Leistungen angesehen werde. Während des Asylverfahrens habe die BA selbst eigentlich noch keine Zuständigkeit für Flüchtlinge, dennoch würden bereits Hilfeleistungen angeboten. Ressortbefangenheiten stünden einer vernetzten Arbeitsweise der Behörden in Krisenzeiten oftmals im Weg – hier seien zivilgesellschaftliche Angebote eine sinnvolle Ergänzung.
Cornelius Kopke unterstrich, dass der Kontakt zu Flüchtlingen bereits frühzeitig geknüpft werden müsse. Bereits bei der Erstaufnahme könne man auf bestehende Programme hinweisen. In der Diskussion wurde aber auch deutlich, dass Verwaltungen und Unternehmen ebenso über bestehende Angebote informiert und bei der Einstellung von Flüchtlingen mit Informationen zum gesetzlichen Rahmen unterstützt und beraten werden müssen.
Katharina Dermühl merkte aus der praktischen Erfahrung an, dass die Erfolgsrate der Ansprache und Informationsvermittlung um einiges höher sei, wenn Flüchtlinge in den Entwicklungsprozess eingebunden seien. So könne die Ansprache optimiert und das gegenseitiges Erwartungsmanagement aufeinander abgestimmt werden.
An diesem Abend wurde deutlich, welches ernorme Potenzial digitale Lösungen für die Integration von Geflüchteten in das deutsche Bildungs- und Arbeitsmarktsystem darstellen. Erforderlich dafür ist ein direkter Dialog – „wir müssen nicht nur übereinander reden, sondern miteinander”.
Bei Fragen dürfen Sie sich gern bei unserem Projektteam unter fluechtlingshilfe[at]initiatived21.de melden.
SAVE THE DATE // Das nächste Community-Treffen zum Erfahrungsaustausch rund um die Flüchtlingshilfe findet am 19. April in der Digital Eatery, Unter den Linden 17, 10117 Berlin statt. Wir informieren unter Veranstaltungen rechtzeitig über die Anmeldemöglichkeiten.