Berlin, 17. März 2021 / virtuell. „Die Digitalisierung verändert gerade die Welt“, stellte Elke Büdenbender, Juristin und Ehefrau des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, zu Beginn der dritten und letzten Gesprächsrunde zur Sonderstudie #DigitalesLeben fest. Nach wie vor herrschen aber große Geschlechterunterschiede im digitalen Raum: In vielen digitalen Bereichen zeigen Männer laut der Studie beispielsweise deutliche Kompetenzvorsprünge. Auch von den Chancen, welche die Digitalisierung für die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben grundsätzlich bereithält, profitieren Männer deutlich mehr als Frauen, was in der ersten Gesprächsrunde unter anderem mit Thomas Jarzombek (BMWi) besprochen wurde. Der sogenannte „Digital Gender Gap“ wird dadurch verstärkt, Frauen bei der Gestaltung der Digitalisierung außen vorgelassen.

Wie können nun Politik, Gesellschaft und Wirtschaft gemeinsam Geschlechterunterschiede im Digitalen überwinden? Wie können wir dazu beitragen, dass die Auswirkungen und Ursachen von Geschlechterunterschieden erkannt und verdeutlicht werden? Wie können wir ein Umdenken unterstützen und auch neue Generationen dazu bewegen, sich zu engagieren? Über diese Fragen diskutierten Elke Büdenbender, Kenza Ait Si Abbou (Senior Managerin für Robotik und künstliche Intelligenz bei der Deutschen Telekom sowie Autorin), Dr. Wiebke Ankersen (Geschäftsführerin der AllBright Stiftung) sowie Florian Nöll (Experte für Start-ups, Corporate Innovation und die digitale Wirtschaft), moderiert von Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin der Initiative D21.

Bildung als Schlüssel

Studie

In unserer Event-Reihe zur Sonderstudie fanden bereits Gesprächsrunden zu Chancengerechtigkeit und Rollenbildern in der Berufswelt und zu Gewalt an Frauen im digitalen Raum statt.

Die ExpertInnen der Gesprächsrunde waren sich einig, dass Bildung und eine klischeefreie Erziehung eine bedeutende Rolle bei der Überwindung von Geschlechterunterschieden im digitalen Raum spielen. „Bildung ist der Schlüssel zu einem selbstbestimmten und guten Leben“, erklärte Elke Büdenbender und rief dazu auf, Selbstbewusstsein und Kompetenz bereits im jungen Alter bei allen Kindern zu fördern und sie zu ermutigen. So sollten auch ErzieherInnen, (Berufs-)LehrerInnen, AusbilderInnen und ProfessorInnen eingebunden werden, um Kindern und jungen Erwachsenen eine vorurteilsfreie Erziehung zu ermöglichen und sie in ihren Interessen unabhängig vom Geschlecht zu bestärken. Darüber hinaus sei es wichtig, Vorbilder wie Kenza Ait Si Abbou sichtbar(er) zu machen. Elke Büdenbender berichtete den TeilnehmerInnen auch von ihrer eigenen Erziehung und Sozialisierung, die sie als klischeearm wahrgenommen habe und die sie darin bestärkt hätte, ihre Interessen zu ihrem Beruf zu machen und Juristin zu werden. Außerhalb der Schule bereits im jungen Alter anzufangen, Rollenbilder zu durchbrechen, könne ebenfalls dabei helfen, im späteren Berufsleben Diversität und Chancengerechtigkeit zu fördern.

Elke Büdenbender bei der Abschlussveranstaltung

Wesentliche Instrumente, um das Interesse für MINT-Berufe (Berufe im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) an Schulen oder Universitäten zu fördern, sahen die ExpertInnen unter anderem in konkreten, messbaren Zielvorgaben. Eine Quote für Schülerinnen in Leistungskursen im MINT-Bereich könnte so eine Maßnahme sein. In technischen Studiengängen sowie in der Ausbildung von LehrerInnen könnten außerdem verpflichtende Grundmodule in Genderkompetenzen dabei helfen, Geschlechterunterschiede zu überwinden und gleichberechtigte Teilhabe aller Geschlechter in MINT-Berufen zu ermöglichen. Im Berufsleben sollten schließlich Führungskräfte Fort- und Weiterbildungen für alle MitarbeiterInnen ermöglichen.

„Ein Start-up zu gründen, ist keine Raketenwissenschaft“

Dr. Wiebke Ankersen berichtete aus der Erfahrung der Allbright Stiftung, dass es klassischen MINT-Unternehmen oftmals an Fantasie fehle, die eigenen Strukturen chancengerechter und offener zu gestalten. Viele würden starr an ihrem Glaubenssatz festhalten, dass „jede Veränderung sehr anstrengend ist und deswegen oft vermieden wird“. Dennoch sollte es im Interesse heutiger moderner Führungskräfte sein, Strukturen und Möglichkeiten gerecht zu gestalten. Dafür müssten die Bereiche Rekrutierung und Beförderung einmal neu durchdacht werden, um die bestehende Benachteiligung von Frauen zu beseitigen.

Die ExpertInnen der Abschlussrunde zu #DigitalesLeben

Doch nicht nur in klassischen, eingesessenen Unternehmen könne man beobachten, dass an bestehenden, Männer bevorzugenden Strukturen festgehalten werde: Florian Nöll berichtete, dass die Start-up-Branche derzeit von Männern dominiert werde und Investitionen in diverse Teams nur selten stattfinden würden. Das sogenannte „Thomas-Prinzip“  setze sich auch in seiner Szene mit dem „Christian- “ oder „Alexander-Prinzip“ fort: Gerade einmal 16 Prozent aller Start-ups werden von Frauen gegründet (Quelle: Female Founders Monitor, 2020).

„Ein Start-up zu gründen, ist keine Raketenwissenschaft. Was wirklich eine Raketenwissenschaft ist, ist die Vereinbarkeit von Start-up-Gründung und Familie“, berichtete Nöll aus der Erfahrung seiner eigenen Familie. Er rief Männer dazu auf, Vorbild zu werden, indem auch sie im Rahmen der Kindererziehung Arbeitszeit reduzieren, ihre Kinder in Meetings mitnehmen oder als Arbeitgeber alltagstaugliche Fort- und Weiterbildungsangebote ermöglichen.

Die Handlungsempfehlungen der Expert:innen, um Chancengerechtigkeit im Digitalen voranzubringen:

  • Die bestehenden unterschiedlichen Ausgangsbedingungen von Mädchen und Jungen in Bezug auf eine Karriere in einem MINT-Beruf reflektieren und nicht ignorieren.
  • Klischeefreie elterliche und außerhäusliche Erziehung und Interessensförderung von Kindern und jungen Erwachsenen, um stereotype Rollen- und Berufsbilder zu durchbrechen und Neugierde zu wecken, durch die Einbindung von ErzieherInnen, (Berufs-)LehrerInnen , AusbilderInnen und ProfessorInnen sowie weiteren Lehrenden in der Universität. Kinder und Jugendliche bereits im frühen Alter ermutigen, Neues auszuprobieren.
  • So können Wissen und Kompetenzen bei allen Geschlechtern ausgebaut werden, ihnen wird aufgezeigt, wozu diese nützlich sind, und somit wird das Vertrauen in eigene Interessen und Talente gestärkt.
  • Im Beruf Vorbild werden, indem man alte, männerdominierte (Arbeits-)Strukturen durchbricht, neu durchdenkt und (vor-)lebt.
  • Ängste überwinden, indem man Offenheit für Neues fördert und klar macht, dass MINT-Berufe für Menschen aller Geschlechter eine Option sind.

Auch in dieser abschließenden #DigitalesLeben-Veranstaltung wurde deutlich: Geschlechterunterschiede im digitalen Raum sind kein Frauen- sondern ein Gesellschaftsproblem! Nur gemeinsam als Gesellschaft mit Politik und Wirtschaft können wir die Ursachen für die Ungleichheit bekämpfen, über die Auswirkungen aufklären und junge Talente in ihren Interessen fördern und voranbringen.

Die virtuelle Gesprächsrunde zum Nachgucken: