GovTalk Spezial: Wie Österreich und die GovTech-Szene Innovationen treiben
Abendempfang mit der österreichischen Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck, Staatssekretär Dr. Markus Richter und vielen Gästen am GovTech Campus in Berlin
Berlin. Staat und Verwaltung mithilfe der Digitalisierung modern aufzustellen, ist ein Kraftakt. Einige europäische Nachbarn meistern die Herausforderung erfolgreicher als Deutschland: Österreich schneidet im direkten Vergleich mit Deutschland im jährlichen eGovernment MONITOR erneut besser ab. Das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) Österreich und die Initiative D21 luden zu in einer Exklusivpräsentation des D-A-CH-Ländervergleichs mit Fokus auf die Zahlen aus Österreich in den neuen GovTech-Campus in Berlin.
Technologische Innovationen für Staat und Verwaltung durch die Kooperationen mit der GovTech-Szene zu fördern, ist eine noch junge Herangehensweise. In Wien fand 2018 die erste GovTech-Konferenz Europas statt; in Deutschland wurde 2021 dieser erste GovTech Campus Europas gegründet. Ziel ist, ein Ökosystem aus politischen Entscheidungsträger*innen, CIOs, Verwaltungsexpert*innen, Start-ups und Unternehmen aufzubauen, voneinander zu lernen und somit die Kräfte zu bündeln. Die Gäste des GovTalk Spezial hatten die Möglichkeit, Akteur*innen, Räumlichkeiten, Denk- und Arbeitsweisen sowie Ziele des Campus noch vor dessen Eröffnung kennenzulernen und sich bei Snacks und Getränken mit prägenden Akteur*innen der deutschsprachigen Digitalszene zu vernetzen.
„Wo wären wir in den Corona-Lockdowns gewesen, wenn wir die digitale Infrastruktur, auch in der Verwaltung, nicht gehabt hätten?“, so begrüßte die österreichische Digitalisierungsministerin Dr. Margarete Schramböck die Teilnehmenden mit Blick auf die Entwicklungen im zurückliegenden Jahr. Die digitale Verwaltung müsse hier in Zukunft noch stärker Vorreiter und Impulsgeber werden, als sie es bisher ist. Das könne auch durch mehr internationale Zusammenarbeit erreicht werden: Voneinander Lernen sei hier das Stichwort.
Der D-A-CH Ländervergleich
Dass die digitale Verwaltung in Österreich aber bereits besser aufgestellt ist als in der Schweiz und Deutschland, zeigt der Ländervergleich im eGovernment MONITOR 2021. D21-Geschäftsführerin Lena-Sophie Müller schob der Vorstellung der Studienergebnisse voraus, dass es allen im Publikum, die nicht aus Österreich kommen, ein bisschen wehtun werde, die Zahlen zu hören.
Einige Kernergebnisse des D-A-CH-Vergleichs:
- Bekanntheit: Das Bürger*innenportal oesterreich.gv.at ist viel bekannter und deutlich mehr genutzt als die Portale in der Schweiz und in Deutschland – auch wenn man in Deutschland die durchschnittliche Bekanntheit aller Bundesland-Portale betrachtet.
- Nutzung: Drei von vier Österreicher*innen haben im letzten Jahr digitale Verwaltungsleistungen genutzt. Damit liegt die Nutzung deutlich über Deutschland und der Schweiz.
- Zufriedenheit: Österreicher*innen sind bedeutend zufriedener mit der Nutzung. Anders als in der Schweiz und in Deutschland spielt das Alter in Österreich dabei keine Rolle. Aber es fällt auch in Österreich den älteren Menschen schwerer, die Dienste zu nutzen.
- Digitale Identität: In Österreich besitzen 54 Prozent der Menschen eines der bereitgestellten ID-Verfahren (Handysignatur oder Bürgerkarte); in Deutschland ist die Online-Ausweisfunktion des Personalausweises bei 35 Prozent grundsätzlich einsatzbereit, wird aber nur von neun Prozent auch genutzt.
Die Gründe für diese Ergebnisse sind laut Lena-Sophie Müller vielfältig. Zu berücksichtigende Faktoren seien zum Beispiel die Größe (Deutschland hat 83 Mio. EinwohnerInnen, Österreich 9 Mio. und die Schweiz 8,5 Mio.) oder die infrastrukturellen Voraussetzungen (zum Beispiel ist die Registerlandschaft in Österreich weniger fragmentiert als in Deutschland und bereits digitalisierter). Österreich habe bei vielen Aktivitäten wie bei der Bündelung von Dienstleistungen nach Lebenslagen früher und schneller begonnen. Aus diesem Grund komme die Verwaltung dort schneller in die Umsetzung, als das in Deutschland passiere, so Müller.
Paneldiskussion: Die digitale Verwaltung und die GovTech-Szene
Um Verwaltungsprozesse besser in die digitale Zukunft zu bringen, brauchen Deutschland und Österreich auch externe Hilfe. Diese kann zum Beispiel von Start-ups aus der GovTech-Szene kommen. So ist der Bund auch beim neuen GovTech-Campus als Partner dabei, um einen besseren Austausch zwischen der öffentlichen Verwaltung und Start-ups zu ermöglichen. „Wir sitzen in Deutschland auf einem enormen Potential für das E-Government. Aber wir müssen schneller Lösungen bereitstellen“, so erklärte Bundes-CIO Dr. Markus Richter die Unterstützung für das Projekt.
Mit ihm auf dem Panel diskutierten neben der österreichischen Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck und D21-Geschäftsführerin Lena-Sophie Müller auch zwei Vertreter*innen aus Start-ups der GovTech-Szene. Dinah Schmechel (Gründerin und CEO von Themis) bemängelte die Langsamkeit und Unabwägbarkeit der öffentlichen Vergabeverfahren:
Gleichzeitig sieht sie eine hohe intrinsische Motivation in der GovTech-Szene, die noch viel besser genutzt werden könne. Ähnlich argumentierte auch Faruk Tuncer (Geschäftsführer von Polyteia), der vor allem die zersplitterte Systemlandschaft ansprach: „Unsere Expertise wird gebraucht, weil Daten vermehrt in Silos festhängen und eine enorme Anzahl an Fachverfahren es schwer macht, überhaupt mit ihnen umzugehen.“ Er betrachtete vor allem das Projektmanagement in der Verwaltung als spannende Baustelle und große Herausforderung. Moderator Nils Hoffmann (Managing Director PUBLIC Deutschland) schloss die Diskussion mit einer zukunftsgewandten Sicht auf die Zusammenarbeit von innovativem Staat und Start-ups: „GovTech ist ein tolles Feld, bei dem man etwas für die Gesellschaft tun, einen Impact haben kann. Der Staat wiederum gewinnt mit den GründerInnen und ihren jungen Unternehmen eine ganz neue Gruppe an Stakeholdern, die für mehr Diversität in den Teams, die an den digitalen Herausforderungen unserer Zeit arbeiten, sorgen. Und Diversität ist cool und bringt uns durch die Perspektivenvielfalt hier auf jeden Fall voran.“