GovTalk 2021: Die Herausforderungen für die digitale Verwaltung

Online-Netzwerkevent zur Veröffentlichung des eGovernment MONITOR 2021

Ein Screenshot der virtuellen Dachterrasse für den GovTalk 2021 der Initiative D21
Die virtuelle Dachterrasse für den GovTalk 2021

Berlin/virtuell. Auf der virtuellen Dachterrasse begrüßten die Initiative D21 und die Technische Universität München das Fachpublikum zur Vorstellung der Ergebnisse des neuen „eGoverment MONITOR 2021“. Die Studie beleuchtet jährlich die digitale Verwaltung aus Sicht der BürgerInnen und blickt besonders auf Nutzung, Akzeptanz und Zufriedenheit im Vergleich zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz. Es wurde ein intensiver Austausch über die aktuellen Ergebnisse des eGovernment MONITOR, denn die Veranstaltung fand mit einer interaktiven Tagungssoftware statt, bei der man sich in kleinen selbstgewählten Konstellationen über die verschiedensten E-Government-Themen unterhalten konnte.

Wirkungsorientierte Erfolgsmessung als Ziel

Wie nutzen die BürgerInnen gegenwärtig die Angebote der digitalen Verwaltung und welche Erfahrungen machen sie dabei? Welche Weichen muss die neue Regierung stellen, um die digitale Verwaltung in Deutschland weiter voranzubringen? D21-Geschäftsführerin Lena-Sophie Müller stellte die Kernergebnisse der Studie vor und erläuterte, welche Handlungsempfehlungen die HerausgeberInnen daraus ableiten. Eine zentrale Erkenntnis: Obwohl die Bürger*innen während Corona in vielen Bereichen des Lebens einen Digitalisierungsschub erlebten, konnte die digitale Verwaltung nicht davon profitieren. Die Nutzungszahlen in Deutschland stagnieren auf einem mittleren Niveau von 48 Prozent und liegen damit weiterhin hinter den Zahlen aus Österreich und der Schweiz zurück (76 bzw. 60 Prozent). Die Zufriedenheit hingegen veränderte sich deutlich und ging um ganze 15 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr zurück. Dies sei auf eine gestiegene Erwartungshaltung durch die BürgerInnen zurückzuführen, die durch die digitale Verwaltung nicht hinreichend bedient würde, schlussfolgerte Müller. Sie würden auch von staatlichen Leistungen erwarten, was sie aus dem privaten Alltag gewohnt seien, nämlich einfache, nahtlose und „fallabschließende“ Dienste. Sie warnte davor, dass dauerhafte Unzufriedenheit dazu führen könnte, dass die Bürger*innen ihr Zutrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates verlören.

Portrait von Lena-Sophie Müller, die die Ergebnisse des eGovernment MONITOR 2022 erläutert.
D21-Geschäftsführerin Lena-Sophie Müller erläutert die Ergebnisse des eGovernment MONITOR 2021

Eine weitere wichtige Erkenntnis aus der Studie: Die großen staatlichen digitalen Infrastrukturprojekte aus der Verwaltung wie die Behördennummer „115“ oder die Online-Identität kommen bislang bei den Bürger*innen kaum an und werden wenig genutzt. Dennoch zeige die Studie deutliche Offenheit der Bürger*innen gegenüber den Plänen, den Ausweis auf dem Smartphone zu speichern, so Lena-Sophie Müller. Gerade die Jüngeren und Personen, die bereits in der Vergangenheit E-Government-Dienstleistungen genutzt hätten, seien besonders interessiert. Insgesamt falle es der Politik bislang schwer, den Erfolg von Projekten mit der Wirkung in der Bevölkerung zu verknüpfen und daran zu messen. Sie plädierte daher für eine stärker wirkungsorientierte Erfolgsmessung, die in den Vordergrund stellt, ob Dienste tatsächlich in der Breite angenommen und genutzt würden und weniger, ob ein Dienst grundsätzlich zur Verfügung stünde.

Der Staat darf nicht zur Bremse werden.
Lena-Sophie Müller, Initiative D21

Das war das Fazit und der Appell der Studien-Herausgeber TU München und Initiative D21 mit Blick auf den Rückstand in verschiedenen Bereichen der öffentlichen Verwaltung.

Schlaglichter aus dem eGovernment MONITOR 2021 im Video

Fokus auf e-Government in den deutschen Bundesländern

Der eGovernment MONITOR 2021 ermöglichte mit 7.851 Befragten in Deutschland in diesem Jahr erstmalig einen detaillierten Blick auf die Bundesländer. Dabei offenbarten sich deutliche Unterschiede in Nutzung und Zufriedenheit. Was diese Ergebnisse bedeuten und wie unterschiedlich die Herausforderungen sein können, diskutierten Expert*innen aus Bund und Ländern: Dr. Markus Richter (CIO des Bundes, Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat), Dr. Annika Busse (stellv. CIO, Senatskanzler Hamburg), Christina Lang (Managing Director, DigitalService4Germany), Prof. Dr. Andreas Meyer-Falcke (CIO, Wirtschafts- und Digitalministerium NRW) und Dr. Hartmut Schubert (CIO, Finanzministerium Thüringen); die Moderation übernahm Prof Dr. Helmut Krcmar (TU München).

Screenshot der Panelist*innen beim Diskutieren über den Stand der E-Government in den einzelnen Bundesländern
Die Panelteilnehmenden diskutierten über den Stand von E-Government in den einzelnen Bundesländern

Dr. Markus Richter kommentierte die Ergebnisse selbstkritisch: Diese könnten nicht zufriedenstellen. Ziel der digitalen Verwaltung sei es, das Leben für die Menschen leichter und besser zu machen, daher seien die Ergebnisse der Studie ein wertvoller Spiegel. Das Podium diskutierte, wie eine solche Wirkung auf Ebene der Bürger*innen konkret zu erreichen sei. 

Die beste Kommunikation ist, wenn wir funktionierende Produkte abliefern.
Dr. Markus Richter, CIO des Bundes

Dr. Annika Busse sprach darüber, dass „jedes Land kontinuierlich messen, evaluieren und lernen“ müsse. Christina Lang empfahl, noch stärker ins Umsetzen zu kommen, agilere Entwicklungen zu etablieren und verbindliche Ziele gemessen an Nutzung und Kostenersparnis zu definieren. Dr. Hartmut Schubert aus Thüringen stellte in Frage, ob die Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen noch zeitgemäß seien, wenn die Digitalisierung ortsunabhängige Vorgänge ermögliche. Prof. Dr. Andreas Meyer-Falcke stellte auch die Frage, was man eigentlich im Rahmen der Digitalisierung nach innen mache. Sein Appell: 

Wir müssen mehr digitale Kompetenzen aufbauen.
Prof. Dr. Andreas Meyer-Falcke, CIO NRW

Das Panel zum Bundesländervergleich im Video

„Aus Liebe zur Zukunft“ – Keynote von Katrin Suder

Katrin Suder aus dem Digitalrat der Bundesregierung erklärte in ihrer Zukunfts-Keynote „Utopie eines digitalen Staates – positiv disruptive Denkimpulse“ die großen Herausforderungen für die digitale Verwaltung und schlug auch gleich Lösungen dafür vor.

Portrait von Katrin Suder während ihrer Keynote
Katrin Suder bei ihrer Keynote

„Wieso machen andere es besser?“, stellte Katrin Suder als Leitfrage ihrem Vortrag vorweg. Sie kam zu dem Schluss, dass die Lösung nicht auf individueller, sondern auf systemischer Ebene zu suchen sei. Dabei identifizierte sie folgende große Bereiche, in denen man grundlegend an das System heran müsse, was in einer angeregten Diskussion der Teilnehmenden des GovTalk über die Zukunft des Digitalen Staates mündete:

  • Die Organisation des Staates: Der Föderalismus passe im modernen Zeitalter der Plattformen nicht mehr zum E-Government, wie man an vielen Stellen sehe. Auch andere Systeme, beispielweise in der Wirtschaft, würden sich ständig anpassen, um den sich ändernden Herausforderungen zu begegnen. Dies könne aber nicht aus dem System heraus entstehen, sondern brauche Menschen, die es unabhängig denken.
  • Die ministerielle Bundesebene: Das historische Ressortprinzip entspreche bei der Vielzahl an Querschnittsthemen wie Klima oder Digitalisierung nicht mehr den Anforderungen. Zudem sei das System nach wie vor sehr hierarchisch und bürokratisch – etwas, das historische Gründe und auch viel Erfolg hatte, das aber bei den komplexen Aufgaben der Digitalisierung nicht mehr funktioniere. Das System sei überreguliert; zahlreiche ambitionierte und innovative Vorhaben, stürben den „Tod durch Mitzeichnung“. Daher brauche es die Kombination aus neuen Government-Strukturen, Agilität und neuem Arbeiten.
  • Menschen, Menschen, Menschen: Man müsse diejenigen in Politik und Verwaltung stärken, die die Digitalisierung voranbringen wollen, und ihnen Raum für Gestaltung zugestehen, statt ihnen Steine in den Weg zu legen. Es brauche zudem mehr Diversität an Fachrichtungen und Hintergründen sowie mehr Expertise im Bereich Digitalisierung, Technologien und Projektmanagement. Es fehle an einem systematischen Fortbildungssystem ebenso wie an Durchlässigkeit, also der Möglichkeiten für personelle Wechsel in die und aus der Wirtschaft. Denn Systeme würden nicht durch diejenigen verändert, die sie geschaffen hätten, sondern durch die, die sie nicht geschaffen hätten.
  • Visionen und Ziele: Die Digitalisierung müsse als Mittel verstanden werden, um Ziele zu erreichen. Sie sei kein Selbstzweck. Die neue Bundesregierung müsse klare und verbindliche Ziele definieren, wohin man mit der Digitalisierung wolle. Dafür gelte es, ein kraftvolles, visionäres Bild zu prägen.
  • Agilität im Kopf: Es brauche eine umfassende mentale und vor allem auch emotionale Bereitschaft, eingefahrene Muster des eigenen Denkens und Handelns zu hinterfragen und zu erkennen. Das sei die Voraussetzung für die Fähigkeit, sich den verändernden Anforderungen zu stellen sowie mutig und rasch die Herausforderungen zu lösen. Echte Diversität und Inklusion sei ein guter Weg für Agilität im Kopf, denn sie trainiere unterschiedliche Hintergründen und Perspektiven zu respektieren und ernst zu nehmen.

Bei allen Punkten – so fasste Katrin Suder zusammen – sei wichtig, sich immer bewusst zu machen, dass die Menschen immer im Mittelpunkt stehen. Man müsse ihnen helfen, damit sie die Lösungen generieren und das Richtige tun könnten. „Warum? Aus Liebe zur Zukunft.“

Die Zukunftskeynote im Video

Ansprechpartnerin in der Geschäftsstelle

Proträt von Rinat Avigur

Rinat Avigur, Projekt- und Eventmanagerin