Rückblick zum GovTalk 2023 – Das Netzwerkevent zum Digitalen Staat
Der GovTalk 2023 widmete sich einer breiten Palette von Themen im Zusammenhang mit der digitalen Verwaltung und dem eGovernment MONITOR und bot eine Plattform für Expert*innen, Praktiker*innen und Interessierte, um Erfahrungen und Perspektiven zu Verwaltungsdigitalisierung aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zu diskutieren.
Berlin. Der Vergleich und Austausch von Perspektiven zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz, die Nutzer*innenzentrierung, Künstliche Intelligenz und die Personal- und Organisationsentwicklung im Kontext der Digitalisierung – das waren die Schwerpunktthemen des GovTalk 2023, die Moderatorin Ann Cathrin Riedel bei der Eröffnung ankündigte. Aufgebaut wurde dabei auf den Ergebnisse des eGovernment MONITORs 2023, einer gemeinsamen Studie der Initiative D21 und der Technischen Universität München (TUM) unter Schirmherrschaft des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) und durchgeführt von Kantar.
D21-Geschäftsführerin Lena-Sophie Müller und Prof. Dr. Helmut Krcmar von der TUM hoben bei ihrer Begrüßung die Bedeutung der aktuellen Studie zur Verwaltungsdigitalisierung hervor. Krcmar betonte die Notwendigkeit, die Digitalisierung sowohl in ihrer Verfügbarkeit als auch in der Zufriedenheit der Nutzer*innen zu messen. Er erinnerte daran, dass die Digitalisierung ein langwieriger Prozess sei, und wies darauf hin, dass die Bürger*innen die digitalen Leistungen als Maßstab für die Fähigkeit des Staates betrachten würden.
Lena-Sophie Müller unterstrich, dass die Studie als Ausgangspunkt dazu anregen solle, die Wirkung von Projekten kritisch zu hinterfragen. Die Studie zeige, dass besonders das Potenzial digitaler Identitäten noch nicht voll ausgeschöpft werde.
Andere Länder, andere Herangehensweise? Vergleich der digitalen Transformation der Verwaltung von Deutschland, Österreich und der Schweiz
Staatssekretär Dr. Markus Richter aus dem BMI, zugeschaltet aus Singapur, wies auf die Bedeutung des eGovernment MONITORs als Instrument hin und die Notwendigkeit der Zusammenarbeit aller Stakeholder*innen für eine gelungene Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Er lobte, dass der Monitor nicht statisch bleibe, sondern sich aktuellen Entwicklungen anpasse, wie zum Beispiel im Bereich der Digitalen Identitäten. Er bekräftigte, dass die Nutzungshäufigkeit von digitalen Leistungen und die Zufriedenheit der Nutzer*innen entscheidende Indikatoren für die Messung des Erfolges der Verwaltungsdigitalisierung seien.
Mag. Maria Ulmer, Chefin der Sektion „Digitalisierung und E-Government“ im österreichischen Bundesfinanzministerium, wies auf die Ähnlichkeiten zwischen Deutschland und Österreich in Bezug auf die Herausforderungen der Verwaltungsdigitalisierung hin. Sie hob die Bedeutung der Zusammenarbeit hervor:
Ulmer forderte, dass digitale Kompetenzen in der Verwaltung und bei den Bürger*innen gefördert werden müssten. Der Fokus sollte nicht nur auf der Bereitstellung von Serviceangeboten liegen, sondern auch auf deren Qualität und Nutzer*innenfreundlichkeit. Die Kooperation mit Unternehmen sei dabei von großer Bedeutung.
Dr. Peppino Giarritta, Beauftragter von Bund und Kantonen für die Digitale Verwaltung Schweiz, hob ebenfalls die Bedeutung der Zusammenarbeit und die Notwendigkeit, digitale Dienstleistungen nutzer*innenzentriert und sicher zu gestalten, hervor. Speziell in der Schweiz seien die Nutzungsraten zwar hoch, aber das Wachstum begrenzt. Große Baustellen seien Interoperabilität und Standards sowie der Kulturwandel in den Behörden hin zu mehr Offenheit und Veränderungsbereitschaft. Der Austausch mit anderen Ländern und die Vernetzung der Behördenportale seien ebenfalls von großer Bedeutung.
Im anschließenden Townhall-Talk zum Thema digitale Identitäten standen Ulmer (Österreich), Giarritta (Schweiz) und Hagen-Joachim Saxowski vom BMI den Fragen der Teilnehmenden Rede und Antwort. Saxowski eröffnete die Runde und konstatierte, dass eine 14-prozentige Nutzung der eID in Deutschland zu wenig sei. Eine Kampagne sei in Vorbereitung, um die Bekanntheit der eID zu steigern, insbesondere in den Bereichen Banken und Gesundheitswesen. Ein interministerieller Ansatz zur Weiterentwicklung der eID würde gemeinsam an Lösungen arbeiten. Maria Ulmer betonte die essenzielle Bedeutung des Themas für alle weiteren Leistungen: „Identität ist das wertvollste Gut, das der Staat dem Bürger geben kann.“
Auf die Frage von Prof. Dr. Krcmar zu den hohen Nutzungszahlen in der Schweiz erklärte Giarritta, dies sei auf Werbung und niedrigschwellige Identifikationsmöglichkeiten zurückzuführen:
In Österreich habe man eine „Mobile-first“-Strategie für die eID verfolgt und die IT-Architektur auf Smartphones ausgerichtet.
Die Fragen aus dem Publikum beinhalteten Themen wie die Beschleunigung der digitalen Gesundheitskarte in Deutschland, die Herausforderungen des Föderalismus in Deutschland im Vergleich zu Österreich und die Anwendungsfälle der eID und elektronischen Signaturen in den verschiedenen Ländern. Es wurde auch auf die Bedeutung der Standardisierung hingewiesen, insbesondere auf EU-Ebene, um die Interoperabilität und die Durchgängigkeit digitaler Lösungen zu fördern. Abschließend äußerten alle Ländervertreter*innen den Wunsch nach einer breiteren Anwendung der eID und deren länderübergreifender Anerkennung.
Die Runde verdeutlichte, dass Deutschland, Österreich und die Schweiz vor ähnlichen Herausforderungen der Verwaltungsdigitalisierung stehen. Die Länder streben an, voneinander zu lernen und das Vertrauen der Bürger*innen in Staat und Verwaltung zu stärken.
Nutzer*innenzentrierung als heiliger Gral der Verwaltung – aber wie?
Dr. Andreas Hein von der TUM präsentierte zentrale Ergebnisse des eGovernment MONITOR 2023 und betonte die Relevanz der Verwaltungsdigitalisierung für das Vertrauen der Bürger*innen in den Staat – dies hänge auch mit der Erwartung zusammen, dass Bürger*innen Verwaltungsdienstleistungen digital wahrnehmen könnten. Mehr als die Hälfte der Bürger*innen empfinde Behördengänge oder -kontakte als anstrengend und so entstehe eine Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Nutzer*innen und den tatsächlichen Leistungen der Verwaltung. Effizienz und Leistungsfähigkeit in der Verwaltung seien entscheidend, um das Vertrauen zu fördern. Hein wies mit Nachdruck darauf hin, dass die Nutzer*innenzentrierung in der Entwicklung von Verwaltungsdienstleistungen entscheidend sei. Außerdem müssten die Hindernisse für die Nutzung, wie die Unvollständigkeit der Dienstleistungen oder die fehlende Online-Angebote, beseitigt werden.
Tobias Krüger, CDO im Ministerium für Infrastruktur und Digitales des Landes Sachsen-Anhalt, unterstrich die Bedeutung der Einbindung der Kommunen und die Notwendigkeit, die ältere Bevölkerung in die digitale Transformation einzubeziehen. Kommunikation und Netzwerkbildung wurden als Schlüsselfaktoren hervorgehoben. Christina Lang, Geschäftsführerin von DigitalService des Bundes, präsentierte anschließend fünf Handlungsempfehlungen zur Steigerung der Nutzer*innenzentrierung in Bund, Ländern und Kommunen. Diese Empfehlungen umfassten die Notwendigkeit, Nutzer*innenzentrierung zur obersten Maxime zu machen, Daten zu erheben und zu nutzen, Nutzungsanlässe zu schaffen und zu kommunizieren, die digitale Umsetzung von Beginn an mitzudenken und strukturelle und rechtliche Hürden zu beseitigen. Die Gesetze und Prozesse sollten an datengetriebene digitale Lösungen angepasst werden.
Stellschrauben für die Zukunft der Verwaltung – Technologie und Personal
Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin der Initiative D21, sprach über die Gefahr des Arbeitskräftemangels für die Leistungsfähigkeit von Behörden und Ämtern. Bis 2030 würden eine Million Verwaltungsmitarbeiter*innen im öffentlichen Sektor verloren gehen. Die Effizienz der Verwaltung würde schon jetzt von nur 13 Prozent der Bürger*innen als vergleichbar mit der Privatwirtschaft angesehen. 63 Prozent würden jedoch erwarten, dass die Verwaltung genauso effizient wie die Wirtschaft arbeite. „KI wird diese Probleme nicht lösen, aber diese Folgen abmildern“, hob Müller hervor. Es bestehe jedoch eine große Diskrepanz zwischen der geplanten KI-Nutzung in der Wirtschaft und in der Verwaltung. Tabea Hein, Mitglied des nationalen E-Government Kompetenzzentrums NEGZ, betonte die Notwendigkeit, Kompetenzen im Umgang mit KI in der Verwaltung aufzubauen und KI-Systemen zu vertrauen. Sie wies darauf hin, dass der Umgang mit dieser Basistechnologie in der Verwaltung und in der Gesellschaft diskutiert werden müsse.
Zum Abschluss des GovTalk 2023 diskutierten Dr. Sebastian Gradinger, Leiter der Digitalakademie Bund, und Moderatorin Ann Cathrin Riedel über Handlungsempfehlungen zur Personal- und Organisationsentwicklung angesichts der demografischen Herausforderungen in der Verwaltung. Die Sozialisation von Mitarbeiter*innen der Verwaltung wurde als wichtiger Faktor hervorgehoben, ebenso wie die Notwendigkeit, dass Führungskräfte Eigeninitiative und Mut fördern. Die Personalrotation zwischen den Ministerien sowie die Durchlässigkeit zwischen Verwaltung und Wirtschaft wurden als wichtige Maßnahmen zur Integration unterschiedlicher Fähigkeiten in der Verwaltung erörtert. Gradinger unterstrich, dass Kulturwandel und die Befähigung der Mitarbeiter*innen entscheidend sind und dass eine Zusammenarbeit zwischen Ländern, Bund und Kommunen wichtig ist, um den Kulturwandel zu fördern und die Attraktivität des öffentlichen Dienstes zu steigern:
Die Diskussion endete mit dem positiven Ausblick, dass hochmotivierte Menschen den digitalen Wandel vorantreiben werden und dass der demografische Wandel die Verwaltung auch positiv beeinflussen könnte.