Digitalpolitische Forderungen
Der Erfolg der digitalen Transformation von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft entscheidet über die Zukunftsfähigkeit Deutschlands. Der Handlungsbedarf ist enorm. Deutschland muss die Digitalisierung deutlich entschlossener vorantreiben – ohne die gesellschaftliche Spaltung weiter zu befeuern. Chancengerechtigkeit und ein gewaltfreier digitaler Raum sind daher zentral. Es geht nicht nur um technologischen Fortschritt, sondern um eine Digitalisierung, die die Demokratie stärkt und allen Menschen zugutekommt.
Die Initiative D21 begleitet den digitalen Wandel in der Gesellschaft seit über 25 Jahren und verfügt mit dem D21-Digital-Index und dem eGovernment MONITOR über eine empirisch fundierte Wissensgrundlage zu den digitalen Bedürfnissen und Herausforderungen der Bürger*innen. Vor der Bundestagswahl fordert die Initiative D21 konkrete Schritte, um die Zukunftsresilienz von Staat und Gesellschaft zu stärken und sicherzustellen, dass die digitalen Chancen alle Menschen erreichen.
Die folgenden Forderungen ergänzen gezielt die Forderungen der anderen Digitalverbände. Der Fokus liegt auf der Zukunftsfestigkeit von Staat, Verwaltung und Gesellschaft. Alle drei Forderungen tragen zu diesem Ziel bei, adressieren aber unterschiedliche Herausforderungen. Wir verstehen die folgenden Forderungen als gleichwertige Gelingensbedingungen für ein sicheres, wirtschaftlich und gesellschaftlich prosperierendes digitales Deutschland:
- Ein digitaler Staat ist ein leistungsfähiger Staat: Wir fordern ein rechtsverbindliches „Digital Only“-Leitbild für Staat und Verwaltung, das digitale Prozesse zum Standard macht. Anstatt ein „Recht auf Analog“ zu etablieren, setzen wir auf gezielte Unterstützungsangebote für jene Bevölkerungsgruppen, die Hilfe beim Zugang zu digitalen Dienstleistungen benötigen – innerhalb eines konsequent zunehmenden digitalen Ökosystems.
- Eine resiliente Gesellschaft ist eine digital kompetente Gesellschaft: Wir fordern eine umfassende Offensive zur Förderung digitaler Kompetenzen, die über Ebenen, Institutionen und Zuständigkeiten hinweg alle Bevölkerungsgruppen befähigt, souverän und selbstbestimmt in der digitalen Welt zu agieren.
- Ein sicheres digitales Deutschland ist ein resilientes Deutschland: Wir fordern eine zentrale Koordinierungsstelle für Cybersicherheit, die die strategische Stärkung der digitalen Sicherheit in der Bevölkerung vorantreibt und hilft, Bedrohungen durch Kriminalität, Manipulation und Desinformation wirksam zu begegnen.
1 Wir fordern ein inklusives, verantwortungsbewusstes und rechtsverbindliches „Digital Only“-Leitbild für Staat und Verwaltung.
Deutschland steht vor massiven Herausforderungen: Klimawandel, geopolitische Krisen und das Erstarken autoritärer Strömungen setzen unseren Staat unter Druck. Gleichzeitig leidet die Verwaltung unter lähmender Bürokratielast und veralteten Strukturen, die das Vertrauen der Bürger*innen in staatliche Institutionen untergraben. 1
Ohne eine konsequente digitale Transformation können diese Krisen nicht überwunden werden. Die kommende Legislaturperiode ist entscheidend – die letzte Chance, mit signifikanten Fortschritten in der Digitalisierung eine dringend notwendige Trendwende einzuleiten. Der Staat muss handlungsfähiger, effizienter und bürger*innenfreundlicher werden. Das gelingt nur, wenn finanzielle und personelle Ressourcen gezielt in die Digitalisierung investiert werden, anstatt ineffiziente Parallelstrukturen aufrechtzuerhalten.
Wir fordern ein rechtsverbindliches, inklusives und verantwortungsbewusstes „Digital Only“-Leitbild für Staat und Verwaltung. Es schafft Klarheit und Verbindlichkeit und verhindert Verzögerungen durch halbherzige Digitalisierungsversuche oder den Erhalt analoger Strukturen.
Wir wissen: In Deutschland zählen 15 % der Bevölkerung zu den „Digitalen Vermeider*innen“. 2 Die Forderung nach einem „Recht auf Analog“ ist nachvollziehbar, aber der falsche Weg. Sie würde ineffiziente Doppelstrukturen zementieren und wertvolle Ressourcen fehlleiten. Stattdessen setzen wir auf ein inklusives „Digital Only“, das allen Bürger*innen echten Zugang zu digitalen Verwaltungsleistungen ermöglicht – auch jenen mit digitalen Hürden. Damit steigt der Druck, intuitive und für alle gleichermaßen zugängliche digitale Verwaltungsservices zu entwickeln.
Die Gewinne eines „Digital Only“-Ansatzes für die Leistungsfähigkeit des Staates dürfen nicht mit einer weiteren Spaltung der Gesellschaft erkauft werden. Deshalb müssen gezielte Unterstützungsmaßnahmen Teil dieses Ansatzes sein.
Ein verbindliches „Digital Only“-Leitbild ist der erste Schritt. Die Verwaltung muss konsequent, durchgängig und flächendeckend digitalisiert werden. Wir fordern nicht nur ein starkes Bekenntnis zur Digitalisierung, sondern auch eine zügige, inklusive Umsetzung und den Abbau finanzieller und struktureller Barrieren.
2 Wir fordern eine Digitale Kompetenzoffensive von nationaler Tragweite, die als zentrales politisches Vorhaben geführt, föderal abgestimmt und im Dialog mit allen relevanten Akteuren umgesetzt wird.
Neue Technologien wie Robotik und Physical AI verändern unsere Welt längst nicht mehr über mehrere Generationen hinweg, sondern mehrfach innerhalb eines Lebens. Digitale Kompetenzen sind damit zum Schlüssel für Wirtschaftskraft, soziale Gerechtigkeit und demokratische Teilhabe geworden. Fehlende digitale Kompetenzen gefährden hingegen nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit, sondern bedrohen auch unsere Demokratie. Die aktuelle Debatte über Desinformation, Meinungsmanipulation und den zunehmenden politischen und gesellschaftlichen Einfluss von Big-Tech-Unternehmen zeigt, wie groß diese Gefahr ist. Die Europäische Kommission hat die Bedeutung digitaler Kompetenzen erkannt und deren breiten Erwerb zu einem zentralen Ziel der Digitalen Dekade erklärt: Bis 2030 sollen mindestens 80 % der Menschen über digitale Basiskompetenzen verfügen. In Deutschland liegt dieser Anteil derzeit bei 49 %. Um das europäische Ziel zu erreichen, müsste der Anteil jährlich um 7 Prozentpunkte steigen, doch in den letzten zwei Jahren stagniert der Fortschritt. 3 Deutschland droht, das Ziel der Digitalen Dekade deutlich zu verfehlen.
Aus den europäischen Zielen der Digitalen Dekade ergibt sich ein klarer politischer Auftrag: Wir fordern eine nationale Digitale Kompetenzoffensive, die sicherstellt, dass bis 2030 mindestens 80 % der deutschen Bevölkerung über grundlegende digitale Kompetenzen verfügen. Gleichzeitig soll der Anteil an IKT-Fachkräften um mindestens 30 % steigen, wobei ein besonderes Augenmerk auf Geschlechtergerechtigkeit gelegt wird.
Ein nationaler Referenzrahmen für digitale Kompetenzen soll diese messbar und vergleichbar machen. Eine kontinuierliche Erfolgsmessung gewährleistet dabei die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen. Die Verantwortung für den Erfolg der Digitalen Kompetenzoffensive liegt bei allen föderalen Ebenen und wird durch enge Zusammenarbeit dieser getragen. Bildung für das 21. Jahrhundert darf keine Frage von Zuständigkeiten sein – sie muss als Recht für alle verstanden werden.
Eine detaillierte Beschreibung, wie die Digitale Kompetenzoffensive strukturell verankert werden soll und welche Maßnahmen die Wirksamkeit sicherstellen, findet sich hier:
3 Wir fordern die Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle für Cybersicherheitskompetenzen in der Bevölkerung als sinnvolle Ergänzung bestehender Cybersicherheitsstrategien.
Hacker*innenangriffe auf kritische Infrastrukturen wie Kliniken, Pharmakonzerne oder staatliche Einrichtungen – darunter auch die Tochter der Bundesdruckerei – sind längst Realität. Cyberangriffe kosten nicht nur Geld und Vertrauen, sondern im schlimmsten Fall Menschenleben. Geopolitische Konflikte werden zunehmend im digitalen Raum ausgetragen und verdeutlichen die wachsende Bedrohung durch hybride Kriegsführung.
Doch nicht nur staatliche Institutionen und Unternehmen sind betroffen – auch die Bevölkerung ist schlecht auf Cybergefahren vorbereitet. Ein Drittel der Menschen verwendet unsichere Passwörter, fast die Hälfte erkennt verdächtige E-Mails nicht oder schützt ihre persönlichen Daten unzureichend. 4 Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) kann die breite Aufklärung nicht allein stemmen, und eine zentrale Koordinierung der Cybersicherheitsmaßnahmen fehlt. Dadurch bleiben Sicherheitslücken oft unentdeckt, und notwendige Schutzmaßnahmen werden nicht systematisch ausgebaut.
Wir fordern die Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle für Cybersicherheit als Ergänzung zum BSI. Diese Stelle soll alle bestehenden öffentlichen und privaten Initiativen zur Cybersicherheitsausbildung bündeln, evaluieren und weiterentwickeln. Sie definiert nationale Standards für Cybersicherheitsbildung, identifiziert Lücken in der Bildungslandschaft und entwickelt gezielte Programme, um diese zu schließen. Darüber hinaus soll ein nationales Netzwerk für Cybersicherheitsbildung geschaffen werden.
Cybersicherheit darf kein Privileg sein. Aufklärung und Schutz vor Cyberangriffen müssen für alle zugänglich sein, insbesondere für marginalisierte Gruppen, die häufig besonders verletzlich sind. Deshalb muss Cybersicherheitskompetenz fester Bestandteil der Digitalen Kompetenzoffensive sein und in alle Bildungsbereiche integriert werden – von der frühkindlichen Bildung im Kindergarten bis hin zu Weiterbildungsangeboten für ältere Generationen.