„Chancen nie besser als heute“: Erfolgreicher Girls'Day-Auftakt im Bundeskanzleramt
24 Schülerinnen aus Berlin und 7 D21-Mitgliedsorganisationen nahmen an der Auftaktveranstaltung des Girls'Day mit Bundeskanzler Olaf Scholz teil. Dabei entdeckten die Schülerinnen neue Berufsbilder, konnten am Technikparcours testen und tüfteln und es blieb sogar Zeit für ein Selfie mit dem Bundeskanzler.
Berlin, 26. April 2023. Leises Geflüster, kurzes Zupfen am Oberteil, letzte Haarsträhnen werden aus dem Gesicht gepustet. Die Stimmung ist positiv angespannt, es herrscht eine gewisse Ehrfurcht, denn gleich kommt „er“, der Bundeskanzler. 24 Schülerinnen aus drei Berliner Schulen (Röntgen-Sekundarschule Neukölln, Schule am Staakener Kleeblatt, Beethoven-Gymnasium Lankwitz) nehmen heute im Bundeskanzleramt an der Auftaktveranstaltung des diesjährigen Girls‘Day teil. Schon seit den Morgenstunden begehen die Schülerinnen die sieben unterschiedlichen Stationen des Technikparcours der Initiative D21. Sie testen, tüfteln und entdecken Berufsbilder wie Elektrotechnikingenieurin, Fachinformatikerin oder Nachhaltigkeitsmanagerin. Die Anspannung steigt, denn gleich sollen sie den Technikparcours Bundeskanzler Olaf Scholz präsentieren. Und den Bundeskanzler trifft man schließlich nicht alle Tage persönlich.
Eine Frau in der Reihe ist zu wenig
„Eine Frau gibt es schon in der Reihe. Aber das ist doch ein Zeichen dafür, dass sich in unserer Gesellschaft noch eine Menge tun muss.“ Bundeskanzler Olaf Scholz zeigt während seines Grußwortes auf die Bilderreihe hinter sich, vor der sich die Girls’Day-Teilnehmerinnen aufgestellt haben – Porträts aller vergangenen Bundeskanzler von Konrad Adenauer bis Gerhard Schröder. Das Bild von Angela Merkel fehlt noch. „Deshalb bin ich froh darüber, dass jetzt alle hierhin zum Girls’Day gekommen sind“. Hannes Schwaderer, Präsident der Initiative D21, ergänzt, dass die Chancen für junge Frauen im MINT-Bereich nie besser gewesen seien und Frauen heute die Möglichkeit hätten, selbstbestimmt ihre Zukunft zu gestalten. „Dafür ist Neugier darauf, Neues zu entdecken, enorm wichtig. Gleichzeitig müssen wir als Initiative D21 zusammen mit der Politik und Wirtschaft dafür sorgen, dass ihr den Zugang zu entsprechenden Angeboten erhaltet. Die Auftaktveranstaltung heute soll dieses Engagement unterstreichen“, betont Schwaderer.
Auf dem Weg zu 50 Prozent Frauenanteil
Und dann geht’s los im D21-Technikparcours: An der Station von Ramboll inspizieren die Schülerinnen mit einer Virtual-Reality-Brille und einem 3D-Messgerät jede Ecke einer Offshore-Windanlange und präsentieren die Simulation stolz dem Kanzler. Im Präventiometer der Techniker Krankenkasse werden die Vitaldaten wie Pulsfrequenz, Blutdruck und sogar der Sauerstoffgehalt des Blutes gemessen. Alles in Ordnung, auch wenn das Gespräch mit dem Bundeskanzler bei manchen den Puls etwas in die Höhe treibt.
Ein paar Versprecher später lockert sich die Stimmung, die Schülerinnen unterhalten sich auf Augenhöhe mit dem Bundeskanzler und resümieren: „Der ist ja auch nur ein Mensch.“ Am Stand von Cornelsen präsentiert die „Sonnenbeauftragte“ der Gruppe an einem Hausmodell mit Wärme- und Stromversorgung, wie man mit Sonnenlicht seinen Energiegewinn optimieren und Anomalien einfach erkennen kann. Der Kanzler ist beeindruckt.
Anschließend gibt es noch eine Gewinnerin zu verkünden: Nazlican von der Röntgen-Schule gewinnt einen Gutschein für einen interaktiven MINT-Erlebnistag gemeinsam mit 11 Mitschülerinnen im FUTURIUM Berlin. Die Preisfrage lautete „Wie hoch war 2021 der Frauenanteil in den MINT-Ausbildungsberufen?“ und alle Mädchen waren eingeladen ihrer Schätzung abzugeben. Nazlican lag am nächsten dran: Sie schätzte den Frauenanteil auf 8,5 Prozent und lag damit dem Ergebnis von 8,8 Prozent am nächsten. „28 Prozent, irgendwann einmal 40 und 50 Prozent, das soll ja dabei herauskommen“, unterstreicht der Bundeskanzler den Stellenwert des Girls‘ Day für das Ziel, diese Prozentzahl nach oben zu treiben. Alle freuten sich dann noch über ein abschließendes Selfie mit dem Bundeskanzler.
Nachfolgerinnen für Ausbildung und Studium gesucht
„Mir hat es richtig gut gefallen“, erzählt Razvat. „Meine Lieblingsfächer sind eigentlich eher Sprachen, aber ich habe heute einiges gelernt. Besonders cool fand ich das mit den Bienen. Sowas könnte ich mir schon als Beruf später vorstellen.“ Mit „das mit den Bienen“ meint Razvat die Station der Deutschen Telekom, an der die Schülerinnen mithilfe eines vernetzten IoT-Systems, einem „Bienen-Babyphone“, den Lebensraum und das Verhalten von Bienen erforschen können. Sabina Stürmer macht gerade eine Ausbildung als Fachinformatikerin bei der Deutschen Telekom und freut sich, dass das Bienen-Babyphone so gut ankommt. „Wir wollten mit den Bienen Technik auch für Mädchen greifbarer machen, die es sonst vielleicht gar nicht interessiert“, erzählt Stürmer. Und das sei dringend nötig: In ihrer Ausbildungsklasse seien nur drei junge Frauen – von 30 Azubis insgesamt. Sie suche hier also irgendwie auch Nachfolgerinnen, lacht Stürmer.
Das bestätigt auch Leonie Schicketanz, Masterstudentin der Elektrotechnik am Karlsruher Institut für Technik (KIT). An der gemeinsamen Station von Intel Deutschland und dem KIT weist Schicketanz die Schülerinnen in die Steuerung des Roboterarms „MAiRA“ ein. „In meinem Studiengang sind wir maximal 10 Prozent weiblich, da ist echt noch Luft nach oben. Aber ich bin heute positiv überrascht: Zum Beispiel haben echt viele Mädchen Vorwissen, was Künstliche Intelligenz angeht. Damit habe ich ehrlich gesagt nicht gerechnet.“
„Mir haben besonders die Virtual-Reality-Brillen gefallen“, erzählt Lavinia und zeigt auf die Station von Pfeifer & Langer. Am Stand erfasst Lavinia den Zuckergehalt einer Rübe: Nach dem digitalen Scan kann sie das Messergebnis mit der VR-Brille sehen. Für Lavinia ist das alles nicht neu, sie hat sich in der Schule für das Wahlunterrichtsfach Informatik entschieden und liebt es, zu programmieren.
„In der Schule haben die Mädchen wenig praktische Berührungspunkte mit möglichen Berufsfeldern“, findet Isabel Netzband von Fujitsu. „Was macht denn wohl eine Mikroelektronikerin? Diese Wissenslücke wollen wir heute füllen.“ An der Station von Fujitsu lernen die Schülerinnen an einem Beispiel aus ihrem täglichen Alltag: Was wäre, wenn es Sensoren im Klassenzimmer gäbe, die Temperatur, Helligkeit und Sauerstoffgehalt messen und dann automatisch die Fenster öffnen, Vorhänge zuziehen oder die Heizung hoch- oder runterschalten? Die Schülerinnen schmunzeln, das wäre „mega“ und für die meisten sehr weit entfernt von der Realität im Klassenzimmer. Aber das Interesse ist geweckt.
Und jetzt? MINT oder Musik?
Anke Roswag ist seit vielen Jahren Koordinatorin für den Girls’Day am Beethoven-Gymnasium in Lankwitz und begleitet heute ihre Schülerinnen bei der Auftakt-Veranstaltung. Sie selbst hat Chemie studiert. Während ihrer Studienzeit waren vielleicht 15 bis 20 Prozent der Studierenden Frauen. „Das hat sich glücklicherweise geändert. Die Mädchen heute sind viel selbstbewusster und trauen sich mehr zu!“ Das sei aber auch Aktionen wie dem Girls’Day zuzuschreiben, der Mädchen motiviere und dazu inspiriere, über den Tellerrand zu schauen. Dem stimmt auch Prof. Barbara Schwarze, Vorsitzende des Kompetenzzentrums Technik-Diversity-Chancengleichheit und Präsidiumsmitglied der Initiative D21 zu: „Für uns ist ganz wichtig dabei, dass die Mädchen sehen: Sie können die Zukunft gestalten!“
„Es war eine sehr coole Erfahrung hier im Kanzleramt zu sein und Olaf Scholz persönlich kennenzulernen“, erzählt Anika. Sie habe viele spannende neue Berufe kennengelernt, erzählt Charlotte. Auf die Frage nach ihrer persönlichen Zukunftsvision antwortet sie: „Eigentlich wollte ich immer Musik studieren. Jetzt lautet die Frage: MINT oder Musik? Aber ich habe ja zum Glück noch ein bisschen Zeit.“
Der bundesweite Aktionstag Girls’Day hat sich als bedeutender Türöffner für Berufsfelder, Studiengänge und Unternehmen etabliert. Die Girls’Day-Wirkungsstudie 2022 ergab, dass mit 94 Prozent aller Teilnehmerinnen die Begeisterung der Mädchen für den Orientierungstag sehr hoch ist. Auch geben 68 Prozent der Teilnehmerinnen an, am Aktionstag einen Beruf kennengelernt zu haben, der sie interessiert hat.