AG-Blog | Digitalisierung in der Landwirtschaft
Digitalisierung ist längst in der Landwirtschaft angekommen – automatisierte Melkverfahren, satellitengestützte Kontrolle und Bewirtschaftung der Felder oder auch autonom fahrende Landmaschinen sind nur einige Anwendungsfälle, die in der Sitzung vorgestellt wurden. Aber auch Herausforderungen der Datenhoheit, -sicherheit und -qualität wurden besprochen.
Berlin/virtuell. Am 30. August 2021 tagte die AG Datendemokratie zum Thema „Digitalisierung in der Landwirtschaft“. Auf den ersten Blick klingt das wie zwei gegensätzliche Themen in einem: Technik und Natur. Doch bereits die Einführung von unserem AG-Leiter Dr. Christian Kiehle machte deutlich: Digitalisierung ist in der Landwirtschaft nichts Neues. Im Gegenteil: Bereits seit den 1960er Jahren war die Landwirtschaft Innovationstreiber, um die hohen Anforderungen an Produktionskapazitäten, Umweltschutz und Lebensmittelgüte zu erfüllen. Technologische Entwicklungen wurden von der Landwirtschaft entweder kurzfristig aufgenommen oder die Landwirtschaft agierte selbst als Innovator.
Unser erster Referent, Hubertus Paetow, Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft und selbst Landwirt mit eigenem Betrieb, berichtete eindrucksvoll von digitalen Kuhgattern, Landmaschinen, die autonom Felder abernten, und Ansätzen zur automatisierten Viehwirtschaft, die jedes technikbegeisterte Herz höherschlagen ließen. Natürlich kommen solche Anwendungsszenarien nicht ohne Daten aus und natürlich sieht sich die digitale Landwirtschaft mit ähnlichen Problemen konfrontiert wie die digitale Verwaltung und der vernetzte Bürger*innen: Datenschutz, Datenhoheit, komfortable Nutzung von Apps gegen Preisgabe von Produktionsdaten. Digitale Ökosysteme sind auch in der Landwirtschaft verbreitet; hier sind jedoch nicht Apple, Amazon und Google diejenigen, die an Daten interessiert sind, sondern die Hersteller großer Landmaschinen – ein Vendor-Lock-In auf Ebene der Betriebsgeräte.
Paetow erläuterte, dass die Landwirtschaft und insbesondere deren Effizienz stark von Daten abhängen. Wir können auch hier davon ausgehen, dass typische Risiken der Digitalwirtschaft für die Landwirtschaft eine hohe Relevanz haben werden: Cybersicherheit wird eine steigende Rolle spielen, und da die Landwirtschaft die Grundlage für unsere Ernährung bildet, plädierte Paetow dafür, Landwirtschaft als kritische Infrastruktur zu betrachten und entsprechend zu schützen.
Prof. Dr. Engel Hessel vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) begeisterte die AG Datendemokratie einmal mehr für das Thema Digitalisierung. Ihr Haus hat sehr früh erkannt, dass ohne Daten und Digitalisierung keine zukunftsfähige Landwirtschaft denkbar ist. Organisatorisch hat das Ministerium das Thema Digitalisierung durch den Einsatz von Digitalisierungsreferent*innen auf Abteilungsebene aufgegriffen; operativ betreibt das BMEL seit Jahresmitte das Datenportal landwirtschaftsdaten.de.
Open Data, Interoperabilität und Transparenz sollen hier nachhaltig Innovationen fördern, Anlaufpunkt für LandwirtInnen und Wirtschaftsunternehmen sein und als zentrale Anlaufstelle für Daten in der Landwirtschaft dienen. Die Erfolgsfaktoren des Datenportals sind: Maschinenlesbarkeit, offene Lizenzen und thematische Fokussierung. Während Prof. Hessel ebenso wie Hubertus Paetow Deutschland bei der Digitalisierung in der Landwirtschaft im europäischen und internationalen Vergleich durchaus als führend wahrnimmt, sehen beide Referent*innen aber auch Problemfelder, um die man sich zukünftig wird kümmern müssen. Allen voran ist die Aus- und Weiterbildung von Landwirt*innen zu nennen. Diese Berufsgruppe sei von Hause aus eher draußen als vor dem Rechner anzutreffen und das solle auch so bleiben. Dennoch sind Digitalkompetenzen künftig notwendig, um in diesem wettbewerbsorientierten Markt bestehen zu können. Ein zentrales Element für die Zukunftsfähigkeit der digitalen Landwirtschaft ist der Ausbau einer leistungsfähigen IKT-Infrastruktur (Informations- und Kommunikationstechnik), z. B. durch 5G. Hier herrscht erheblicher Nachholbedarf, um künftige, datenintensive Anwendungen im ländlichen Raum realisieren zu können.
„Landwirtschaft ist (im Bereich des Digitalen) sexy“, war ein Zitat aus unserer AG-Sitzung – das konnten unsere beiden Referent*innen sehr deutlich machen.