Ein duftender Tag im Labor
Beim Girls’Day-Auftakt 2019 im Bundeskanzleramt gewann die Schule am Schloss den Girls'Day-Preis: Einen Workshop im Gläsernen Labor, wo die Schülerinnen mit Duftstoffen experimentieren. Selbstverständlich für alle Schülerinnen ist, dass MINT-Berufe keine reine Männersache sind!
Berlin, 27. Februar 2020. Im Gläsernen Labor duftet es nach Orangen, Lavendel, Pfefferminze und Zimt. An diesem Februarmorgen experimentieren 16 Schülerinnen in dem Labor mit Duftstoffen und erhalten einen Einblick in die praktischen Anwendungen der Chemie. Die Schülerinnen sind von der Berliner Schule am Schloss, die bei der Girls’Day Auftaktveranstaltung im Bundeskanzleramt 2019 den Girls’Day Preis gewannen. Ermöglicht wurde den Schülerinnen ein Besuch des Gläsernen Labors, einem außerschulischen Lernort auf dem Wissenschafts- und Technologiestandort der Campus Berlin-Buch GmbH.
Hier lernen die Schülerinnen der integrierten Gesamtschule natürliche und künstliche Gerüche herzustellen. Aus der neunten und zehnten Jahrgangsstufen wurden MINT-begeisterte Schülerinnen ausgewählt, die um kurz nach neun im Gläsernen Labor begrüßt werden. Corinna Lorenz leitet den Workshop „Immer der Nase nach“ und beginnt mit der Einführung in die Sicherheitsstufe eins: die weißen Laborkittel sind immer geschlossen zu tragen, auch Handschuhe und Schutzbrillen sind nicht zu vergessen. Nach einer kurzen biologischen Einführung, wie das Riechen beim Menschen funktioniert, geht es auch schon los mit dem Einstieg in die chemische Praxis.
Im ersten Teil des Kurses extrahieren die Mädchen natürliche Duftstoffe. In kleinen Gruppen führen sie Enfleurage, alkoholische Extraktionen und Wasserdampfdestillationen durch. Frau Lorenz erklärt, dass die Enfleurage besonders nützlich ist, um temperaturempfindliche Duftöle zu gewinnen. Vier Schülerinnen entscheiden sich für diesen Prozess der Duftgewinnung und legen die mit einer Pinzette abgetupften Blütenblätter auf eine Wachsschicht. Bei der alkoholischen Extraktion gewinnen die Schülerinnen die ätherischen Öle aus Orangen und Zitronen, indem sie die Fruchtschalen in einem Mörser zerstampfen und mit Ethanol vermischen. Das Ethanol nimmt die duftenden Öle auf und wird anschließend filtriert und abgefüllt. Die Düfte von Zimt, Lavendel und Pfefferminze werden durch die Wasserdampfdestillation gewonnen. Schnell wissen alle der Schülerinnen, was zu tun ist und das gesamte Labor beginnt zu duften.
Trotz der Konzentration auf die chemischen Versuche, schwelgen jene Schülerinnen, die am Girls’Day-Auftakt im Bundeskanzleramt teilnahmen, in Erinnerungen an diesen Tag. „Ich durfte einen Fingerabdruck von der Kanzlerin nehmen“, erinnert sich Miriam*, „das war am Stand der Bundespolizei“. Larissa* wusste schon vor ihrem Besuch im Bundeskanzleramt, dass viele Frauen eine Karriere in der Medizin einschlagen. Die Schülerin will Medizin studieren und Chirurgin werden, im Gläsernen Labor glänzt sie heute schon mit ihrem vertieften Wissen. Schülerinnen, die nicht an der Auftaktveranstaltung teilnahmen, nutzten dennoch den Girls’Day, um in die vielfältige MINT-Berufswelt zu schnuppern. Der Girls’Day ermutigte einige der Schülerinnen, ein Praktikum im MINT-Bereich zu machen, selbstverständlich für alle ist, dass MINT-Berufe keine Männersache sind, den jungen Frauen geht es vielmehr darum, ihre eigenen Interessen beruflich zu verfolgen.
Nachdem alle Versuche zur Duftgewinnung erfolgreich durchgeführt wurden, müssen die Schülerinnen sich gedulden. Erst müssen sich die Öle von der Lösung absetzten, damit sie anschließend separiert werden können.
Bis dahin stellen die Mädchen im zweiten Teil des Kurses künstliche Aromen her. Veresterung nennt sich dieser Prozess. Konzentriert stellt jede Gruppe jeweils zwei Gerüche her und führt die Geruchsprobe durch: die Schülerinnen halten einen sicheren Abstand mit ihrem Gesicht zum Reagenzglas und fächeln sich die Gerüche zu. Bald ist der angenehme Duft der ätherischen Öle verflogen und das Labor riecht wie frisch geputzt. „Riech mal!“, fordert eine Schülerin ihre Freundin auf „ohh, ganz klar Nagellackentferner!“, stellt diese fest. Doch eine Gruppe vergisst die Schwefelsäure, welche als Katalysator dient und nun riecht die Lösung „nach Blumenerde“ statt dem beabsichtigten Tutti-frutti-Geruch. Frau Lorenz erklärt, für was die hergestellten Lösungen in der Chemie verwendet werden und die Schülerinnen sind beeindruckt, wie allgegenwärtig die Chemie in unserem Alltag ist.
Jetzt geht es weiter mit der Gewinnung der ätherischen Öle. Je nachdem wie das Öl gewonnen wurde, gibt es nun unterschiedliche Vorgehensweisen, um es von der Lösung zu trennen.
Dann geht es endlich los mit der Seifenherstellung – dem Höhepunkt des Laborbesuchs. Ein Teil der Schülerinnen erhitzt hierzu erst Kokosfett und vermischt das geschmolzene Fett mit Olivenöl. Der andere Teil stellt eine Natronlauge her. Fünfzehn Minuten soll nun die Mischung aus Fett und Lauge verrührt werden, genutzt wird die Zeit, um den Duft hinzuzufügen. Mit viel Fingerspitzengefühl geben die Schülerinnen tröpfchenweise die ätherischen Öle hinzu. Orange-Zimt und Lavendel-Zitrone sind zwei beliebte Duftkombinationen und zwei Mädchen rechnen sich bereits aus, wann sie die Seife verwenden können. Nach fünfzehn Minuten kann das Gemisch in die Förmchen gefüllt werden. Bis die Seifen fertig gereift sind und an die Schule geliefert werden, werden einige Wochen vergehen, doch damit die Schülerinnen heute schon etwas von ihrem Tag im Labor mitnehmen können, hat sich Frau Lorenz etwas Besonderes für die Schule am Schloss ausgedacht: Die Herstellung eines eigenen Duschgels. Zum Wasser wird hier Olivenöl, Betain, Xanthan und eines der Duftöle gerührt, bis die Flüssigkeit zu schäumen beginnt und schließlich Gel-artig wird. Beim Abfüllen des Duschgels in Fläschchen überlegen die Mädchen, welche anderen Kosmetikprodukte sie zu Hause herstellen könnten.
Am besten gefiel den Schülerinnen die Seifenherstellung, da die Seife nicht in Plastik verpackt werden muss. Nach dem Laborbesuch wird der Besuch der Schülerinnen mit einer historischen Führung über den Campus abgerundet. Kurz vor 15 Uhr geht es dann zurück nach Hause. In der S-Bahn spielen manche mit dem Gedanken, in den nächsten Ferien ein Praktikum im MINT-Bereich zu absolvieren, um weitere Einblicke in die beruflichen Chancen hinter den MINT-Fächern zu bekommen und letztlich eine fundierte Entscheidung über ihre berufliche Zukunft zu treffen. Alle Schülerinnen sind begeistert, einen einmaligen Einblick in die chemische Praxis bekommen zu haben.
*Namen wurden geändert
Wir bedanken uns recht herzlich beim Gläsernen Labor für die Kooperation zum Girls’Day-Preis 2019.