Digitalisierung und KI: Der Schlüssel zu sinnvoller Zukunftsarbeit

Interview mit Sara Weber zum Thema „Digitale Wertschöpfung“ im D21-Digital-Index 2024/2025

Schwarz-weiße Bearbeitung eines Porträts von Sara Weber

Frau Weber, in Ihrem Buch „Das kann doch jemand anderes machen!“ setzen Sie sich mit der Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Arbeitswelt auseinander. Wie schätzen Sie den Einfluss von KI auf die digitale Wertschöpfung in deutschen Unternehmen ein, insbesondere in Bezug auf die Beschäftigten?

KI bietet eine große Chance für unseren Arbeitsmarkt – und diese Chance kommt genau zur richtigen Zeit: Denn wir können nicht so weitermachen wie bisher. Die Babyboomer*innen gehen in Rente, die Zahl der Erwerbstätigen wird in den kommenden Jahren sinken. Diese Entwicklung kann weder von Rentner*innen aufgefangen werden, die länger arbeiten, noch durch die vermehrte Erwerbsarbeit von Frauen, solange die Betreuungskrise und die ungerechte Aufteilung von Sorgearbeit nicht großflächig gelöst werden. Im aktuellen politischen Klima scheint auch die so nötige Zuwanderung von Arbeitskräften keine Lösung zu sein.

Wir brauchen also eine andere Lösung, vor allem, weil viele arbeitende Menschen heute schon überfordert, erschöpft und ausgebrannt sind. Technologie – und konkret KI – ist ein Werkzeug, das wir einsetzen können, um Prozesse zu optimieren, sinnlose und zeitintensive Aufgaben zu automatisieren und Menschen zu entlasten. Wenn wir es schaffen, so die Produktivität zu steigern, hätte das positive Auswirkungen auf Mitarbeitende, Unternehmen und Wirtschaft. Das einzige Problem: Die Technologie muss vernünftig eingesetzt werden – und darf nicht als Mittel missbraucht werden, um Arbeitsplätze zu streichen und Unternehmensgewinne für Anteilseigner*innen in die Höhe zu treiben. Die Rolle von Gewerkschaften und Betriebsräten sowie von der Politik darf in diesem Kontext deshalb nicht unterschätzt werden.

Laut D21-Digital-Index freut sich jede*r Zweite darüber, wenn KI monotone und einfache Aufgaben übernimmt. Diese Zustimmung kommt jedoch überwiegend von Menschen in Schreibtisch- und Bürojobs, während Beschäftigte in anderen Bereichen deutlich skeptischer sind. Was sagen diese Ergebnisse über die Auswirkungen von KI auf unterschiedliche Berufsgruppen aus – werden vor allem Bürojobs von KI profitieren?

In bestimmten Branchen wie beispielsweise der Industrie ist der Automatisierungsgrad hoch; Industrieroboter etwa sind vielerorts zum Standard geworden. Damit sind auch die Möglichkeiten für Prozessoptimierung durch KI geringer. In Bürojobs hingegen haben wir bisher kaum Automatisierung gesehen, auch weil ein großer, flächendeckender Digitalisierungsschub erst mit der Corona-Pandemie kam.

Deshalb ist in diesen Jobs das Potential sehr groß, Prozesse zu automatisieren und KI sinnvoll einzusetzen, vor allem für monotone, langweilige und repetitive Aufgaben – und genau das wünschen sich Arbeitnehmende auch. Wichtig ist, dass KI genutzt wird, um Beschäftigte zu entlasten. Dafür müssen sie von Anfang an bei Entwicklung, Implementierung und Einsatz von KI-Tools einbezogen werden, sonst drohen diese zu einer weiteren Belastung in einem immer schneller werdenden Arbeitsalltag zu werden.

Wir brauchen KI allerdings nicht nur in Bürojobs, sondern auch in Berufen, in denen viel Zeit mit Bürokratie und Dokumentation verbracht wird, wie beispielsweise in der Pflege. Hier ist der Fachkräftemangel besonders groß – und wird noch weiter zunehmen. Wenn wir es mithilfe von KI schaffen, dass sich Pflegekräfte wieder auf den Kern ihrer Arbeit konzentrieren können, nämlich die menschliche Fürsorge, dann wäre viel gewonnen.

Abbildung: Der Vogel-Strauß-Effekt:
77% der Berufstätigen stimmen der Aussage zu: "Durch die Digtalisierung wird es bis 2035 Tätigkeiten oder ganze Berufe nicht mehr geben".
27% der Berufstätigen stimmen der Aussage zu: "Das betrifft meine eigene Tätigkeit bzw. meinen eigenen Arbeitsplatz". Das sind 4 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.
Auf der Basis der Berufstätigen mit 4.449 Befragten. Die Top3-Antworten "Ganz bestimmt", "Sehr wahrscheinlich" und "Eher wahrscheinlich" wurden zusammengefasst.

Der D21-Digital-Index zeigt einen sogenannten Vogel-Strauß-Effekt: 77 Prozent der Menschen glauben, dass durch KI und Digitalisierung bis 2035 Berufe oder Tätigkeiten verschwinden könnten, aber nur 27 Prozent denken, dass ihre eigene Tätigkeit betroffen sein wird. Wie erklären Sie diese Diskrepanz, und welche Rolle spielt die persönliche Wahrnehmung von Digitalisierung und Veränderung dabei?

Die Diskrepanz wundert mich nicht: Wir Menschen nehmen an, dass negative Ereignisse uns selbst mit geringerer Wahrscheinlichkeit treffen als andere – das bezeichnet man auch als „Optimism Bias“. Außerdem sind große Veränderungen im Arbeitsmarkt abstrakt, während uns der eigene Job sehr real vorkommt: Wir kennen unseren beruflichen Alltag, unseren Arbeitgeber, unsere Fähigkeiten.

Dennoch sind diese Zahlen relevant, denn sie zeigen, dass vielen Menschen bewusst ist, dass uns eine große Veränderung bevorsteht – und wir uns darauf vorbereiten müssen. Hier sollten zum einen die Betriebe sensibilisieren und Weiterbildung stärker in den Vordergrund rücken.

Ich sehe außerdem Politik und Zivilgesellschaft in der Verantwortung. Denn die größere Frage ist ja, wie wir in Zukunft arbeiten wollen, und welche politischen Rahmenbedingungen nötig sind, um gute Arbeit langfristig zu sichern. Was passiert, wenn in großem Stil Jobs durch Automatisierung wegfallen sollten? Lassen wir zu, dass Unternehmen Stellen abbauen und gleichzeitig Aktionär*innen profitieren? Braucht es dann eine Art Maschinensteuer? Und wenn wir noch einen Schritt weiterdenken: Wie sähe eine Gesellschaft aus, in der Erwerbsarbeit weniger stark im Zentrum steht? Wie finanzieren Menschen dann ihr Leben – und wie leben wir gut zusammen? Wir brauchen positive Zukunftsvisionen, an denen wir uns orientieren können und die Ängste nehmen – doch diese fehlen in der öffentlichen Diskussion.

Daran anknüpfend: Was können Unternehmen tun, um ihre Mitarbeitenden besser auf mögliche Veränderungen ihrer Tätigkeitsfelder vorzubereiten? Und wie lassen sich Ängste vor Jobverlust durch KI abbauen?

Eines der wichtigsten Themen hier ist Weiterbildung: Wer KI-Tools noch nie ausprobiert hat, hat eher Angst davor als Menschen, die einschätzen können, bei welchen Aufgaben ChatGPT und Co besser sind als sie selbst – und bei welchen nicht. In vielen Unternehmen gibt es allerdings noch keine Richtlinien für den Umgang mit KI-Tools. So werden Mitarbeitende entweder damit allein gelassen, trauen sich nicht, überhaupt KI zu nutzen oder nutzen diese Programme heimlich und verschweigen mögliche Produktivitätsgewinne.

Ein erster Schritt für Unternehmen muss deshalb sein, klare Richtlinien zur Nutzung zu formulieren, Zugang zu Tools für alle Mitarbeitenden zu ermöglichen und Schulungen anzubieten. Gleichzeitig sollten Unternehmen ehrlich darüber sprechen, was passiert, wenn ihre Teams Produktivitätsgewinne durch KI erzielen: Ein Beispiel dafür könnte etwa ein Versprechen der Führungsverantwortlichen sein, in einem solchen Fall keine Stellen abzubauen, sondern die Arbeitszeit der Mitarbeitenden bei gleichem Gehalt zu reduzieren oder ihnen die Produktivitätsgewinne in anderer Form zukommen zu lassen. Das könnte nicht nur Ängste nehmen, sondern auch ganz neue Innovationskräfte unter den Mitarbeitenden freisetzen.

Laut D21-Digital-Index sehen zwar 74 Prozent der Berufstätigen eine eigene Verantwortung bei der Anpassung an den digitalen Wandel, aber nur 20 Prozent haben sich in den letzten 12 Monaten neues Wissen zu digitalen Themen angeeignet. Weiterbildungsangebote der Arbeitgeber*innen werden sogar nur von 16 Prozent genutzt. Wie können Unternehmen eine bessere Weiterbildungskultur schaffen? Und wie können Mitarbeitende selbst aktiv ihre digitalen Fähigkeiten ausbauen?

Abbildung: Berufliche Weiterbildung: die Umsetzungslücke
63% der berufstätigen Onliner*innen stimmen der Aussage zu: "Ich habe schon einmal Wissen über digitale Anwendungen oder Geräte bzw. entsprechende Fähigkeiten in meinem Beruf benötigt." Auf Basis der berufstätigen Onliner*innen mit 3.179 Befragten. Die Frage wurde nur in der Onlinestichprobe gestellt.
16% der Berufstätigen stimmen der Aussage zu: "Ich habe in den letzten 12 Monaten Weiterbildungsangebote wahrgenommen, die mein*e Arbeitgeber*in bezahlt hat." Auf Basis der Berufstätigen mit 4.449 Befragten.

Der beste Tipp für Mitarbeitende ist meiner Meinung nach: einfach ausprobieren. Je mehr man sich mit diesen Tools auseinandersetzt, desto besser beginnt man, sie zu verstehen. Gleichzeitig ist es verständlich, dass es im stressigen Arbeitsalltag schwierig sein kann, sich neues Wissen anzueignen. Die eigentliche Verantwortung sehe ich deshalb bei den Unternehmen: Sie müssen Weiterbildung aktiv zur Priorität erklären und ihren Mitarbeitenden Zeit und Raum schaffen, um diese Angebote zu nutzen. In 14 von 16 Bundesländern gibt es Bildungsurlaub, doch nur ein Bruchteil der Beschäftigten nutzt diesen. Unternehmen müssen sich darauf besinnen, dass sie selbst und die gesamte Wirtschaft davon profitieren, wenn ihre Mitarbeitenden gut ausgebildet sind und ihre digitalen Kompetenzen weiter ausbauen. Weiterbildung ist kein Kostenfaktor, sondern eine wichtige Investition in die Zukunft.

Nur 30 Prozent der Bevölkerung sind der Meinung, dass deutsche Schulen die nötigen digitalen Kompetenzen vermitteln, um international mithalten zu können. Wie schätzen Sie die Rolle des Bildungssystems bei der Förderung digitaler Kompetenzen ein, die für eine effektive digitale Wertschöpfung notwendig sind? Welche notwendigen Veränderungen sehen Sie hier?

Abbildung: Wissensvermittlung:
30% der Befragten stimmen der Aussage zu: "Schulen vermitteln nötige digitale Fähigkeiten, damit Schüler*innen im internationalen Vergleich mithalten können."
Zustimmung im Zeitverlauf:
2021 lag die Zustimmung zur Aussage "Schulen vermitteln nötige digitale Fähigkeiten, damit Schüler*innen im internationalen Vergleich mithalten können." bei 34 %, 2022 bei 31 % und 2023 28 %.
Auf Basis der Bevölkerung ab 14 Jahren mit 7.237 Befragten. Die Top2-Antworten "Stimme voll und ganz zu" und "Stimme eher zu" wurden zusammengefasst.

Das Bildungssystem ist absolut essenziell. Die gute Nachricht ist, dass auch Schulen und Universitäten das erkannt haben. Schüler*innen und Studierende waren die Ersten, die ChatGPT und Co ausprobiert haben. Wichtig ist jetzt, ihnen zu erklären, wie diese Tools funktionieren, was sie können und was nicht, welche Gefahren es bei der Nutzung gibt und wieso man nicht allen Antworten trauen darf. Viele Lehrkräfte und Dozierende leisten hier bereits großartige Arbeit, aber es ist noch mehr flächendeckende Weiterbildung und sicherer Zugang zu den Programmen nötig. Ein großes Risiko sehe ich bei der Bildungsgerechtigkeit: Die Gefahr ist, dass armutsbetroffene Schüler*innen abgehängt werden, wenn sie keinen Zugang zu Geräten und Tools haben. Hier sind die Bundesländer in der Verantwortung, durch Lizenzen den Zugang zu KI-Programmen zu ermöglichen und sicherzustellen, dass alle Schüler*innen und Studierende die Geräte haben, die sie für ihre digitale Bildung brauchen. Denn ohne Bildungsgerechtigkeit nützen die schönsten Pilotprojekte nichts.

Der D21-Digital-Index zeigt, dass nur gut jeder Zweite die eigene Organisation als gut aufgestellt im digitalen Wandel sieht. Welche Maßnahmen sollten Unternehmen ergreifen, um ihre digitale Transformation zu beschleunigen und langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben?

Abbildung: 54% der berufstätigen Onliner*innen stimmen der Aussage zu: "In meiner Organisation werden die notwendigen Schritte ergriffen, damit diese im digitalen Wandel (inter-)national mithalten kann." 
Im Jahr 2022 stimmten 58% der berufstätigen Onliner*innen der Aussage zu: "In meiner Organisation werden die notwendigen Schritte ergriffen, damit diese im digitalen Wandel (inter-)national mithalten kann.", in den Jahren 2023 und 2024 waren es jeweils 54%. 
Auf Basis der berufstätigen Onliner*innen mit 3.179 Befragten. Die Frage wurde nur in der Onlinestichprobe gestellt.

Der Großteil der deutschen Unternehmen sieht KI als wichtige Zukunftstechnologie und Chance für das eigene Geschäft. Dennoch setzen viele KI bislang nicht oder kaum ein. Das Wissen ist da, an der Umsetzung hapert es. Das liegt meiner Erfahrung nach auch daran, dass es noch viele offene Fragen bezüglich Regulierung und Datenschutz gibt, und nicht immer klar ist, welchen Nutzen welche Tools haben. Auch an technischen Fähigkeiten und Zeit mangelt es teilweise. Den Fortschritt zu ignorieren, ist allerdings ein Fehler, den wir schon aus Zeiten der frühen Digitalisierung kennen: Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands hängt auch daran, inwiefern wir Technologie sinnvoll und produktiv nutzen können. Es ist wichtig, die Risiken im Blick zu behalten – und trotzdem herauszufinden, wie KI im eigenen Unternehmen sinnvoll eingesetzt werden kann. Grundlage dafür ist ein hoher Digitalisierungsgrad – und auch hier haben viele Unternehmen ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht. Investitionen in diesem Bereich noch weiter zu verschleppen, wäre jedoch fatal.

Daran anknüpfend: Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach die Politik, wenn es darum geht, Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit begrenzten Ressourcen, bei der digitalen Transformation zu unterstützen?

Die Politik muss dabei helfen, verbindliche Rahmenbedingungen festzulegen. Dies gilt zum einen bezüglich Regulierung und dem rechtlichen Rahmen. Die europäische KI-Verordnung muss zügig in deutsches Recht umgesetzt werden. Unabhängige Technologieentwicklung muss auf europäischer Ebene gefördert werden – mit einem Fokus auf grüne Technologien. Es braucht außerdem klare Richtlinien und Kontrollinstanzen, die sicherstellen, dass KI nicht diskriminierend wirkt. Eine Möglichkeit, dies sicherzustellen, wäre eine staatlich getragene Non-Profit-Organisation, die sich im öffentlichen Interesse dafür einsetzt, neue Technologien zu entwickeln oder zu zertifizieren. Denn gerade in sensiblen Bereichen  wie etwa im öffentlichen Dienst, ist Diskriminierung durch KI eine große Gefahr: Wenn diskriminierende Muster in Technologie festgeschrieben werden und sich so weiter verstärken, gefährdet das unsere Gesellschaft und kann die soziale Ungleichheit noch verstärken. Wenn Unternehmen sich darauf verlassen können, dass bestimmte Tools geprüft und für gut befunden wurden, könnte das auch die Akzeptanz steigern und die Implementierung erleichtern.

Die Digitalisierung verändert nicht nur Tätigkeiten, sondern auch Anforderungen und Arbeitsmodelle. Welche Perspektiven sehen Sie für Beschäftigte in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt? Und wie können Unternehmen und Mitarbeitende gemeinsam sicherstellen, dass der digitale Wandel als Chance genutzt wird?

Im heutigen Arbeitsalltag bleibt oft keine Zeit für den Teil des Jobs, der strategisches Denken voraussetzt, weil zu viel Zeit mit unnötigen Meetings, E-Mails und administrative Aufgaben verschwendet wird. Wenn man diese Prozesse neu strukturiert und automatisiert, kann das gleich mehrere Vorteile haben: Die Menschen sind zufriedener, weil sie ihre Fähigkeiten sinnvoll einsetzen können. Sie sparen Zeit, die sie für ihr Leben jenseits der Erwerbsarbeit nutzen können, während die Unternehmen von mehr Produktivität profitieren. Technologie kann uns helfen, mehr Sinn in unserer Arbeit zu finden und so zufriedener und weniger gestresst zu sein – doch dafür sind Investitionen nötig.

Zudem brauchen wir ein größeres Umdenken: Unternehmen müssen sich darauf zurückbesinnen, dass sie die fachliche Expertise bereits bei ihren Mitarbeitenden haben oder sie dort durch Weiterbildung fördern können. Dass Arbeitskräfte kein Kostenfaktor sind, sondern unerlässlich für den Erfolg eines Unternehmens. Dass Unternehmen, die nur die Interessen von Shareholder*innen im Blick hat, nicht nachhaltig erfolgreich sein werden. Dass die Wirtschaft Teil unserer Gesellschaft ist und entsprechend gesellschaftliche Verantwortung übernehmen muss.

Abschließend: Welche Trends im Bereich der digitalen Wertschöpfung erwarten Sie in den kommenden Jahren und wie können Unternehmen und ihre Mitarbeitenden sich darauf vorbereiten?

Grüne Technologien werden zunehmend wichtig und wir werden den Fokus bei der Technologieentwicklung stärker auf Nachhaltigkeit und Ressourcenverbrauch lenken. Große Technologiekonzerne verwässern aufgrund der erhöhten Nachfrage nach KI aktuell ihre Nachhaltigkeitsziele. Das ist ein Irrweg: Wir müssen uns darauf konzentrieren, weniger energieintensive Technologien zu entwickeln, die Ausbeutung von Mensch und Umwelt zu reduzieren, erneuerbare Energien auszubauen und KI und Co nicht ohne Sinn überall einzusetzen, sondern uns auf die Bereiche zu konzentrieren, wo diese Technologie wirkliche Vorteile mit sich bringt. Eine andere Wahl bleibt uns nicht, schließlich leben wir in der Klimakrise.

Wir sind der Ansicht, dass es gerade in einer Zeit, die von Unsicherheit und Krisen geprägt ist, wieder wünschenswerte Zukunftsbilder mit positiven Erzählungen und Zielvorstellungen braucht. Daher zum Abschluss: Welches wünschenswerte Zukunftsbild der Arbeitswelt im Digitalen Wandel haben Sie?

Ich wünsche mir eine Arbeitswelt, in der Erwerbsarbeit nur ein Baustein neben Sorgearbeit und ehrenamtlichem, gesellschaftlichem Engagement ist – denn unsere Gesellschaft braucht all diese Formen von Arbeit. Verkürzte Vollzeit, mehr Flexibilität bei Arbeitszeit und Arbeitsort sowie mehr Gleichberechtigung und Teilhabe sind dafür unerlässlich. Wir brauchen eine Arbeitswelt, die Klimaschutz und Menschlichkeit über Profitgier stellt. In der Technologie zur Entlastung eingesetzt wird und uns Menschen ermöglicht, uns auf inhärent menschliche Fähigkeiten wie Empathie, Fürsorge und Kreativität zu konzentrieren.

Das Interview führte

Porträt von Sandy Jahn

Sandy Jahn, Referentin Strategic Insights & Analytics (sie/ihr)