Artikel | Nie mehr Formulare? Automatisierung in der öffentlichen Verwaltung

Zahl des Monats: 25% – Ein Viertel der Aufgaben in der Verwaltung ist repetitiv und bietet damit Potenzial für stärkere Automatisierung

Roland Dathe | Zuerst veröffentlicht im Behörden Spiegel, September 2018

Nie mehr Formulare? Automatisierung in der öffentlichen Verwaltung

Da ist es wieder, dieses eine Formular, dass Sie heute bereits zum fünften Mal ausfüllen und dass Sie im Laufe dieser Woche noch viele weitere Male öffnen werden. Und wenn es dabei wenigstens bliebe, aber es warten noch weitere Aufgaben auf Sie, die immer nach dem gleichen Schema ablaufen und die Sie in- und auswendig kennen.

Eine Deloitte-Studie stellte kürzlich heraus, dass Mitarbeiter*innen in der Verwaltung bis zu einem Viertel ihrer Arbeitszeit mit sich wiederholenden Routinetätigkeiten verbringen. Also mit Aufgaben, die immer wieder bestimmte Arbeitsschritte erfordern und – je nach Komplexität – eindeutige Handlungsanweisungen zur Folge haben oder eine entsprechend kompetente Bewertung vorsehen. Dazu zählen etwa die Beantwortung einfacher Anfragen, das Ausfüllen, Prüfen und Ausstellen von Formularen oder die Berechnung der Höhe staatlicher Leistungen. Solche Routineaufgaben könnten zukünftig immer häufiger Algorithmen oder eine Künstliche Intelligenz (KI) erledigen und eine merkbare Arbeitserleichterung mit sich bringen. Sie könnten das Funktionieren einer Verwaltung nachhaltig verändern und die Leistungen für Bürger*innen effizienter und kostengünstiger gestalten.

Das Interesse am Thema „Verwaltungsautomatisierung“ ist groß, wie der hohe Andrang von Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung beispielsweise in der Arbeitsgruppe „Innovativer Staat“ der Initiative D21 dazu zeigte. Aktuell setzt allerdings erst ein kleiner Teil der deutschen Behörden eine umfangreiche Automatisierung von Prozessen durch Algorithmen oder KI ein, wie vor kurzem eine Kleine Anfrage im Deutschen Bundestag ergab. Doch es finden sich auch einige sehr progressive Einsatzszenarien zur Verwaltungsautomatisierung, beispielsweise bei der Bundesagentur für Arbeit oder dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Sowohl bei der Bundesagentur für Arbeit als auch beim BAMF brachte die Prozessautomatisierung erhebliche Effizienzsteigerungen, wie beispielsweise die Software zur Dialekterkennung von Geflüchteten. Dies machte sich nicht nur bei der Anzahl der bearbeiteten Fälle bemerkbar, sondern die Leistungsprozesse verbesserten sich auch qualitativ spürbar.

Was aber bedeutet es für die Mitarbeiter*innen in der Verwaltung, wenn ein so großer Teil ihrer Arbeit zukünftig tatsächlich durch Maschinen erledigt werden kann? Häufig schwingt bei der Diskussion um Automatisierung auch die Angst vor wegfallenden Aufgaben und damit dem Jobverlust mit. Die bisherigen Erfahrungen zeigen allerdings: Wo Aufgaben wegfallen, weil Maschinen sie erledigen können, da entstehen auch neue. Wichtig ist es, das Personal rechtzeitig für neue Aufgaben zu qualifizieren. In den genannten Beispielen führte die Automatisierung keineswegs dazu, dass Menschen durch Maschinen ersetzt wurden. Vielmehr verbesserte sich das Teamplay in den Verwaltungen durch die Unterstützung der Technik. Die Mitarbeiter*innen nahmen die Automatisierung als großen Fortschritt wahr und empfanden sie sogar als Entlastung, da zeitintensive Routinetätigkeiten wegfielen und somit mehr Zeit für anspruchsvollere Aufgaben blieb.

Also alles gut? Nun, der Weg dorthin ist nicht ohne Herausforderungen und alle Beteiligten müssen ihn gemeinsam gehen. Denn viele der Betroffenen begegnen diesen unbekannten Neuerungen naturgemäß mit einer gewissen Skepsis. Die Studie „D21-Digital-Index“ zeigte kürzlich, dass viele Menschen Berührungsängste beim Gedanken an die Zusammenarbeit mit Maschinen haben. Es zeigt sich aber auch, dass – wie im oben beschriebenen Fall – die meisten Menschen, die solche Erfahrungen sammeln konnten, diese äußerst positiv bewerteten. Daher machten auch die Vertreter*innen der beiden Beispiele BA und BAMF deutlich, dass die frühzeitige Einbeziehung der Personalvertretungen ein erfolgskritisches Schlüsselelement bei der Automatisierung darstellte. Es sei wichtig, Mitarbeiter*innen frühzeitig über Veränderungen ihrer Aufgabengebiete und Tätigkeiten aufzuklären und ihnen dadurch die mögliche Angst und Skepsis vor neuen Technologien zu nehmen.

Wenn diese Schritte eingehalten werden und die Erfahrungen der bisherigen Vorreiter einfließen, dann steht der Weg für eine Zukunft mit stärkerer Automatisierung der Verwaltungsaufgaben offen. Und so manch ein*e Mitarbeiter*in wird in einer ruhigen Minute schmunzelnd an die vielen Formulare denken, die er seither nicht mehr ausfüllen musste.