AG-Blog | Registermodernisierung – die nächste Stufe effizienter Dienste
Wie kann die Umsetzung der Registermodernisierung vorangetrieben und die Zukunft der Verwaltungsdigitalisierung gestaltet werden? Die AG Datendemokratie diskutierte in ihrer letzten Sitzung über Fragen rund um Funktionalität, Datenschutz und die Auswirkungen und Chancen die Registermodernisierung auf zivilgesellschaftlicher, wirtschaftlicher und europäischer Ebene.
Berlin/virtuell. Die Registermodernisierung bildet das Fundament für eine effiziente und nutzerfreundliche Verwaltung und ermöglicht den Bürger*innen einen einfachen Zugang zu digitalen Verwaltungsleistungen. Moderne Dienste sind nur möglich, wenn Daten, die an einer Stelle in der Verwaltung vorliegen, auch an anderer Stelle weiterverwendet werden können – und zwar unter Einhaltung von Datenschutz und Datensicherheit. Dieser Prozess der Digitalisierung von behördlichen Registern scheint aktueller und dringlicher denn je: Zur letzten Sitzung der AG Datendemokratie unter der Leitung von Nadja Kwaß-Benkow und Dr. Christian Kiehle erschien eine Rekordzahl von Teilnehmenden im virtuellen Raum, um sich über die Registermodernisierung auszutauschen. „In Zukunft sollen sich nicht die Bürger*innen zwischen Behörden bewegen müssen, sondern deren Daten“, so Christian Kiehle in seiner Begrüßung.
Die Registermodernisierung: die Zukunft moderner Daten-Dienste
Ein spannender Einstieg in die Thematik gelang Prof. Dr. Peter Parycek, Leiter des Kompetenzzentrum Öffentliche IT (ÖFIT) am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS, mit Alltagsbeispielen: Man schaue sich beispielsweise die KFZ-Anmeldung oder das Erstellen eines Profils in einer Carsharing-App an. Beide Prozesse würden die Abfrage von Datenpunkten beinhalten, die laut Parycek nicht nur staatliche, sondern auch (privat-)wirtschaftliche Relevanz haben. Denn egal ob beim Autokauf, beim Mieten einer neuen Wohnung oder beim Abschließen eines Arbeitsvertrags: „Es werden häufig Datenpunkte des Staates gebraucht, um zivilrechtliche Verträge abzuschließen. Im Kontext der Registermodernisierung sollten Entscheider*innen daher zivilrechtliche Aspekte mitbedenken.“ Denke man dies weiter, könne die Verwaltung zu einer großen API-Plattform werden, bestehend aus den verschiedenen Registern und Fachanwendungen. Dabei seien die Bürger*innen ihre eigenen Datenschutzbeauftragten und könnten verfolgen, wo die Daten genau genutzt werden. Eine solche positive Vision werde in der Realität aktuell jedoch gar nicht diskutiert. Stattdessen fokussiere man sich in der Diskussion auf Bedenken bezüglich der technischen Umsetzung der Registermodernisierung.
Für die IT-Architektur eines Datenregisters bevorzugt Parycek das 4-Corner-Modell, ein „Privacy by Design“-Modell. Kern ist die dezentrale Datenhaltung in getrennten Registern bei gleichzeitiger eindeutiger Zuordenbarkeit über eine zentrale Personenidentifikationsnummer und die kontrollierte Kommunikation über Intermediäre. Es sei aus datenschutzrechtlicher Sicht das stärkste und zudem ein dezentrales Modell, bei dem Daten bei Kommunen und Ländern verblieben. Das Zugriffsmanagement im 4-Corner-Modell erläuterte Parycek folgendermaßen: Eine Behörde ist in einem Verfahren mit einem*r Bürger*in und braucht Daten. In einem ersten Schritt wird im System abgefragt, ob die Daten vorhanden sind und ob eine Berechtigung der Behörde dafür vorliegt, auf die Daten zuzugreifen. Dieser Austausch besteht aus reinen Protokolldaten – erst mit der vorliegenden Erlaubnis geht es in einem dritten und vierten Schritt zum Dienstleister und die personenbezogenen Daten werden an die Behörde zurück übermittelt. Damit sei der Prozess dann abgeschlossen, erklärte Parycek.
Parycek schloss seinen Vortrag mit einem Appell für die Dringlichkeit der Registermodernisierung: Wenn der Staat nicht bald digital mit den Bürger*innen kommunizieren könne, werde er von ihnen nicht mehr ernst genommen. Das könne zu einem Erodieren des Vertrauens in den öffentlichen Sektor führen. Die Registermodernisierung sei also ein notwendiger Schritt, ohne dessen Umsetzung man E-Government nicht gar weiterzudenken brauche:
Die Registermodernisierung als Chance: die Verwaltung als Dienstleister der Zivilgesellschaft
Aline Blankertz, Referentin Politik & Öffentlicher Sektor bei Wikimedia Deutschland e. V., ordnete die Registermodernisierung in ihrem Impuls aus einer zivilgesellschaftlichen Perspektive ein. „Wozu braucht man eigentlich die Registermodernisierung?“, schickte sie als Frage voraus. Seitens der Verwaltung werde vor allem auf Zeitersparnisse hingewiesen. Dies sei ein berechtigter Punkt: Die Verwaltung sei bereits jetzt an ihren Kapazitätsgrenzen und das werde sich in Zukunft noch verstärken. Allerdings sollte es ein zusätzliches Ziel sein, das Bild der Verwaltung grundsätzlich zu ändern und sie zu modernisieren.
Die Maxime „Government as a Service“ stieß auch in der anschließenden Diskussion mit den Teilnehmenden auf Anklang: Dienstleistungen durch den Staat müssten mehr in den Fokus gestellt werden. Die Registermodernisierung solle also Teil einer übergreifenden Verwaltungsdigitalisierung sein, die auch Prozesse und Strukturen anfasse. So könnten automatisierte Prozesse zum Beispiel dafür sorgen, dass auch diejenigen Bürger*innen Leistungen erhalten, die von Angeboten nichts wussten oder Zugangsbarrieren nicht überwinden konnten. Dies würde zu einer besseren Versorgung benachteiligter Gruppen führen. Für den Erfolg der Registermodernisierung aus zivilgesellschaftlicher Sicht bedürfe es aktuell jedoch mehr transparente und offene Kommunikation, so Blankertz. Besonders bezüglich der bestehenden Herausforderungen wie der geteilten Federführung zwischen Bundesministerium des Inneren (BMI) und den Bundesländern werde deutlich, dass Prozesse effizienter werden müssen.
Die Registermodernisierung im Wirtschaftssektor: das Basisdatenregister
Auch Dr. Angelika Sporenberg, Abteilungsleiterin für Verwaltungsregister beim Statistischen Bundesamt (Destatis), befürwortete die von Aline Blankertz angesprochene Umkehrung des Kräfteverhältnisses: „Der Staat darf nicht auftreten wie eine Instanz, die ausschließlich nach Daten fragt. Viel eher sollte er durch die Abfrage der Daten auch eine mehrwertbringende Leistung anbieten.“ Mehrwert biete zum Beispiel das Basisdatenregister, vor allem im wirtschaftlichen Sektor. Ziel des sich im Aufbau befindenden Registers sei es, einen flächendeckenden Datenbestand zu Unternehmen zu schaffen. Es soll Stammdaten und Metadaten speichern und die bundeseinheitliche Wirtschaftsnummer als Identifikator einführen, sodass diese von Verwaltungsstellen abgerufen werden könne. So sei es im Unternehmensbasisdatenregistergesetz festgelegt worden. Die Aufgabe des Statistischen Bundesamts als Registerbehörde sei nun, diese Basisregister aufzubauen und Anfang 2024 in Betrieb zu nehmen. Für 2026 sei dann eine Evaluierung bezüglich der Zweckmäßigkeit geplant.
Die EU-Perspektive: die „Single Digital Gateway“-Verordnung
Die Umsetzung der europäischen SDG-Verordnung – ebenfalls Bestandteil der OZG-Umsetzung – wurde von Christoph Harnoth, nationaler SDG-Koordinator für Deutschland im BMI, vorgestellt. Er lieferte interessante Einblicke in das dazugehörige Informationsportal „YourEurope“, welches einen Überblick über die Leistungen aller europäischen Verwaltungen bieten solle. Diese Leistungen seien sehr umfangreich: Über 20 Verfahren seien von der SDG aufgegriffen worden – von der Beantragung der Geburtsurkunde über das Einreichen der Einkommenssteuererklärung hin zur Beantragung einer Maut-Plakette. Schon zum Ende dieses Jahres sollen alle diese Verfahren vollständig in digitaler Form grenzüberschreitend und EU-weit zur Verfügung stehen, so Harnoth.
Auch Deutschland ist verpflichtet, die SDG-Verordnung umzusetzen. Dafür kann die Registermodernisierung ein erster notwendiger Schritt sein – das haben die Gespräche des Tages eindrücklich gezeigt.
Wahl der neuen AG-Leitung
Den Abschluss der AG-Sitzung bildete die turnusgemäße Wahl der AG-Leitung. Nadja Kwaß-Benkow (Materna Information & Communication SE, D21-Vorständin) und Dr. Christian Kiehle (msg systems AG), bisherige Co-Leitung der AG Datendemokratie, konnten nach zwei Jahren satzungsgemäß nicht noch einmal kandidieren. Die beiden haben die AG in den letzten beiden Jahren mit Ihrem Engagement und Ihrer Leidenschaft für das Thema Datendemokratie und gemeinwohlorientierte Datennutzung „zum Fliegen gebracht“ – ohne sie wären die AG heute nicht da, wo sie ist. Wir sind dankbar, dass sie der AG als Mitglieder erhalten bleiben. Wir gratulieren Lilian Dammann (pub. Public Value Technologies GmbH) und Björn Stecher (1000 Elephants GmbH) zur Wahl als AG-Leitung und bedanken uns schon jetzt für das Engagement. Herzlichen Glückwunsch!