Vom Expert*innenaustausch ins Zentrum der Debatte – ein Rückblick auf (fast) 20 Jahre AG Geoinformationswirtschaft

In diesem Jahr hat die AG Datendemokratie ihre Arbeit aufgenommen und damit die AG Geoinformationswirtschaft abgelöst. Grund genug, zurückzublicken auf beinah 20 Jahre Expert*innenaustausch hin zu einem der drängendsten Themen unserer heutigen Zeit.

Eine Landkarte, auf der ein Handy, ein Kompass und ein paar In-Ear-Kopfhörer liegen.

Um die Jahrtausendwende ahnte kaum jemand etwas von der Allgegenwärtigkeit von GPS-Sendern, von der Navigation in der Hosentasche – oder gar vom Internet der Dinge. Die Informationssuche im World Wide Web steckte in den Kinderschuhen, und das Smartphone war nicht erfunden. Für die Nutzung des Internets gab es viele Ideen, aber der Markt war noch nicht so weit.

„Geoinformation“ war ein Spezialgebiet von hoher Komplexität, dessen Potenzial sich nur Expert*innen aus Vermessungswesen, Geowissenschaften und IT erschloss. Um Geodaten wirtschaftlich und gesellschaftlich in Wert zu setzen, wurde 2001 auf Anregung der damaligen Staatssekretärin für Inneres Brigitte Zypries die Arbeitsgruppe Geoinformationswirtschaft in der Initiative D21 gegründet. Die AG Geoinformationswirtschaft wurde schnell ein Forum, um das Expert*innenthema in einem breiteren Kontext, zusammen mit Vertreter*innen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung interdisziplinär zu diskutieren und vor allem auch öffentlich zu machen.

Wolfgang Naujokat (Vorstand der European Society for eGovernment) war Gründungsmitglied und 15 Jahre Leiter der AG. Er hat zahlreiche Akteur*innen aus allen Bereichen zusammengebracht und so die AG Geoinformationswirtschaft zu einer Austauschplattform mit Tragweite auf- und ausgebaut. Erster Höhepunkt war 2002 der zweitägige GeoBusinessKongress in Bonn, der erstmals das Thema Geoinformationswirtschaft in den Fokus öffentlichen Interesses rückte und gemeinsam vom BMI und der Initiative D21 veranstaltet wurde. Die AG Geoinformationswirtschaft war auch maßgebliche Impulsgeberin für die Gründung der Kommission für Geoinformationswirtschaft (GIW-Kommission, 2004-2016) beim Bundeswirtschaftsministerium. Aufgabe der Kommission war es, die Rahmenbedingungen für die Nutzung von staatlichen Geodaten transparent, nachvollziehbar und deutschlandweit einheitlich zu gestalten. Dr. Jörg Reichling, ebenfalls ein langjähriges Mitglied der AG Geoinformationswirtschaft, hat sie zehn Jahre geleitet. Die AG Geoinformationswirtschaft hat zur Arbeit der GIW-Kommission einiges beigetragen.

Auch politische Initiativen und Gesetze wie die europäische Geodateninfrastruktur „INSPIRE“ oder das Geodatenzugangsgesetz und das E-Government-Gesetz, wurden von der AG diskutiert, mit Blick auf die Inwertsetzung von Geodaten eingeschätzt und so kritisch-konstruktiv begleitet. Dazu haben die AG-Mitglieder Geodaten immer auch in Kombination mit anderen Informationen, wie z. B. Wirtschaftsdaten, Open Data und zuletzt vor allem nutzergenerierten Daten unterschiedlichster Ausprägung betrachtet. Insbesondere INSPIRE ist über Jahre ein zentrales Thema der Arbeit in der Gruppe gewesen. Akteur*innen der Geodateninfrastruktur in Deutschland (GDI-DE), die für die INSPIRE-Umsetzung zuständig sind, haben regelmäßig an Sitzungen teilgenommen und damit das Netzwerk bereichert sowie ihrerseits von seiner interdisziplinären Zusammensetzung profitiert. Aus dem Kreis der Mitglieder der AG entstand schließlich auch der Impuls zur Gründung des Wirtschaftsrats der GDI-DE. Dieser hat im März 2019 die Arbeit aufgenommen. Im Mittelpunkt seiner beratenden Rolle der GDI-DE steht die optimale Nutzung von Daten und Diensten der GDI-DE in Industrie und Wirtschaft.

In der Politik findet die hohe Bedeutung von Geodaten heute angemessen Berücksichtigung. Und über die Zeit sind mit der Durchsetzung und Verbreitung des Internets – auch des mobilen – vielfältige Anwendungen und Anwendungsgebiete für Geoinformationen entstanden. Daraus haben sich auch für die AG Geoinformationswirtschaft neue Themenfelder ergeben. Seit 2016 wird sie von Dr. Christian Kiehle, Abteilungsleiter im Public Sector bei msg, geleitet, wobei Wolfgang Naujokat sowie die Geodatenexperten Dr. Frank Knospe (Amtsleiter Amt für Geoinformation, Vermessung und Kataster der Stadt Essen) und Dr. Peter Hecker (Vorstandsvorsitzender GEOkomm e.V.) nach wie vor eine prägende Rolle spielten. In diesen Jahren wurden Themen diskutiert wie Open Data, Smart Cities, Künstliche Intelligenz und innovative Geschäftsmodelle. Auf den Punkt gebracht: Anwendungsfälle und neue technologische Möglichkeiten stehen inzwischen im Mittelpunkt und somit allgemeiner die Nutzung von – an vielen Stellen bereits vorhandenen – (Geo-)Daten.

Heute, 2020, stehen erneut große Fragen der Datennutzung an. Um diesen insbesondere mit dem Blick auf die Vorteile für die Gesellschaft und den digitalen Standort Deutschland zu bearbeiten, wurde im Juni 2020 die AG Datendemokratie ins Leben gerufen. Sie knüpft genau an die inhaltliche Weiterentwicklung an und erweitert den Fokus und das Netzwerk der AG Geoinformationswirtschaft. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die gemeinwohlorientierte Nutzung von Daten – auch Geo-Daten – für die digitale Gesellschaft. Die AG Geoinformationswirtschaft wird in diesem Zuge aufgelöst. Aber gleich die erste inhaltliche Sitzung der AG Datendemokratie wird sich – wie könnte es anders sein – einem Thema widmen, in dem Geodaten die zentrale Rolle spielen: Smart City.

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Porträt von Alexander Köhler