AG-Blog | Wie bilden Daten die Grundlage für Krisenresilienz?

In Zeiten miteinander verbundener großer Transformationsprozessen ist die individuelle und gesellschaftliche Resilienz ein entscheidender Faktor, damit die Menschen selbstbestimmt mit dem Wandel umgehen können. Datenanalysen können dabei einen wichtigen Beitrag zur Lösung komplexer Probleme leisten, indem sie informierte Entscheidungen ermöglichen. Praktische Beispiele, wie digitalen Lösungen zum Gelingen von Krisenresilienz beitragen, inspirierten die AG Datendemokratie in ihrer Sitzung.

Berlin. Klimakrise, Energiekrise oder Fachkräftemangel – die Gesellschaft sieht sich derzeit nicht nur mit einer einschneidenden Krise konfrontiert. Gleichzeitig steht sie aber auch vor vielversprechenden Transformationsprozessen, die durch die Digitalisierung vorangetrieben werden und Chancen zur Lösung der großen Herausforderungen bieten. Dieser digitale Wandel könnte Innovationen und resiliente Lösungskonzepte für die Beantwortung der wichtigsten Fragen zur Auflösung der Krisen beitragen: Wovon werden wir in Zukunft leben? Welche Personengruppen werden profitieren und welche nicht? Wie können wir alle Menschen im Wandel mitnehmen und das nötige Rüstzeug an die Hand geben? Und welche Rolle kann die gezielte Nutzung von Daten spielen? Mit diesen Fragen beschäftigten sich die Mitglieder der AG Datendemokratie bei ihrer dritten Sitzung im Jahr 2022, die in Berlin in den Räumen der DigitalService GmbH des Bundes stattfand.

Datenbasierte Steuerung fördert das Gemeinwohl

Jan Henrik Ziesing neben einer Leinwand bei seinem Impulsvortrag
Jan Henrik Ziesing, Geschäftsleitung der Digital Public Services des Fraunhofer-Instituts für Offene Kommunikationssysteme (FOKUS)

Verschiedene Impulsvorträge zeigten auf, dass Technologien und Daten zielorientiert für das Gemeinwohl eingesetzt werden können. Jan Henrik Ziesing, Geschäftsleitung der Digital Public Services des Fraunhofer-Instituts für Offene Kommunikationssysteme (FOKUS) konzentrierte sich in seinem Impuls auf den Mehrwert, der durch die Nutzung von Verwaltungsdaten entsteht. Neben der Unterstützung fundierter politischer Entscheidungen würden Verwaltungsdaten auch der Steuerung dynamischer, zielgerichteter und automatisierter Prozessabläufe und der Verbesserung von Reaktionszeiten dienen, so Ziesing. Als herausstechendes Beispiel nannte er die datenbasierte Prognose für die Kindertagesbetreuung:

Fundierte Prognosen können das Leben von Eltern, Kindern und Lehrkräften verbessern: Unter Zuhilfenahme von organisationalen Daten, wie der Anzahl an Lehrkräften und betreuten Kindern, Platzkapazitäten und statistischen Daten zur lokalen Migration und Geburtenentwicklung, wird eine Prognose über den zukünftigen Bedarf an KiTa-Plätzen möglich.
Jan Henrik Ziesing, Fraunhofer FOKUS

So werde neben der Verbesserung der Kinderbetreuung auch ein Wiedereintritt der Eltern in das Arbeitsleben zum gewünschten Zeitpunkt möglich.

Dennoch bestehen in Ziesings Augen noch einige Herausforderungen, die adressiert werden müssen, damit Verwaltungsdaten öfter und effizienter genutzt können:

  • Zugänglichkeit: Daten sind oft in Fachsystemen (Datensilos) gespeichert.
  • Datenschutz: Verwendung von personenbezogenen Daten ist nur mit Zustimmung der Nutzer*innen möglich.
  • Kostenfaktor: Datengewinnung, -haltung und -auswertung sind teuer. Außerdem führen komplizierte Prozesse im Zusammenspiel verschiedener Akteur*innen bei datenbasierten Geschäftsmodellen zu hohen Transaktionskosten.
  • Abhängigkeiten: Gefahr der Dependenz von Software- und IT-Anbietern besteht.

Kontext ist ausschlaggebend für die Interpretation von Daten

Auch bei der Verhinderung von Umweltschäden könnten Daten als Grundlage der Prävention effektiv eingesetzt werden. Nassrin Hajinejad und Dennis Gumz, wissenschaftliche Mitarbeiter*innen am Fraunhofer FOKUS, stellten ein Projekt zur Verhinderung von Waldbränden vor. Nicht nur haben Waldbrände enorme ökonomische Auswirkungen, sie belasten auch die Vitalität des Ökosystems. Ein Problem beim Monitoring der gefährdeten Waldgebiete bestehe darin, dass es nur vereinzelte Informationsstellen gebe, die die Daten in Silos sammeln. 

Das Fehlen von zentralen Datenräumen, um ein schnelles Abrufen wichtiger Daten zu ermöglichen, verhindert eine zielführende Prävention.
Nassrin Hajinejad, Fraunhofer FOKUS

Mit dem Entscheider*innen-Cockpit vom Fraunhofer FOKUS werde nun durch einen Prozess Abhilfe geschaffen: Das Tool ermöglicht es, gefährdete Bereiche der Wälder in Deutschland einfach darzustellen. Basierend auf diesen schnell ersichtlichen Erkenntnissen können dringend notwendige Entscheidungen schnell getroffen werden, um Waldbrände zu verhindern. Auch für die Nutzung durch die Bürger*innen sehen die Impulsgeber*innen Potenzial: „Interessierte Personen könnten über unser Tool herausfinden, wie hoch das Betretungsrisiko der Waldgebiete in ihrer Gegend ist. Dadurch können sie unkompliziert sensibilisiert und geschützt werden“, erläuterte Gumz die Wirkweise.

Nassrin Hajinejad und Dennis Gumz neben einer Leinwand bei ihrem Impulsvortrag
Nassrin Hajinejad und Dennis Gumz, Mitarbeiter*innen am Fraunhofer FOKUS

Datenbasierte Entscheidungen sollten aber nicht als abgeschlossene Projekte aufgefasst werden. Das Ziel derartiger Projekte sei es, Antworten auf bestimmte Fragen zu geben, jedoch müsse Raum für die Kontextualisierungen eben dieser Daten geschaffen werden. Nur dann könnten die erhobenen Daten bei veränderter Lage weiterhin effizient genutzt werden. Dieser Punkt sorgte bei den AG-Mitgliedern für große Zustimmung: Viele Entscheidungen müssen am Ende eines Prozesses weiterhin von Menschen getroffen werden. Neue Kontexte mit erhobenen Daten zu verknüpfen, sei somit eine Aufgabe, die von Politik, Verwaltung und Wirtschaft sowie Zivilgesellschaft in einer demokratischen Debatte gemeinsam adressiert werden sollte. Räume des gedanklichen Austausches wie beispielsweise die Treffen der AG Datendemokratie können aufzeigen, wie Impulse aus der Wissenschaft in die praktische Anwendung von Verwaltung, Politik und Wirtschaft übergehen können.

Resiliente Individuen sind das Fundament einer zukunftsfähigen Gesellschaft

Daten können also nicht nur als Lagebild den gegenwärtigen Zustand darstellen. Auf ihrer Grundlage können wir auch vorausschauend prognostizieren und Entwicklungen antizipieren. Die Gesellschaft könne durch die Fülle an Daten, die bei fast jeder Interaktion anfallen, eine informierte Planung für Projekte etablieren, aber auch schneller auf Krisensituationen reagieren, so ein Fazit der AG-Co-Leitung Nadja Kwaß-Benkow und Dr. Christian Kiehle zusammen mit den AG-Mitgliedern in der Diskussion: Datengestützte Entscheidungen sind enorm wichtig, um die Resilienz einer Gesellschaft zu fördern. Resilienz darf dabei nicht als Zustand begriffen werden, der zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht wird, sondern als Fähigkeit, die im Prozess stetig entwickelt wird.

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Porträt von Alexander Köhler