Digitale Verwaltung – Nutzung in Deutschland steigt, doch Potenziale bleiben ungenutzt
Zentrale Ergebnisse aus dem Lagebild zur Nutzung und Akzeptanz digitaler Verwaltungsangebote in Deutschland, Österreich und der Schweiz:
- Nutzung digitaler Verwaltungsangebote steigt: Fast jede/r zweite deutsche OnlinerIn nutzt die digitale Verwaltung
- Faktor Bildung spielt zentrale Rolle bei der Nutzung
- Digitale Identifikationsmöglichkeiten für Behördendienste in Deutschland nicht im Alltag der Bevölkerung angekommen
- Digitale Steuererklärung: Behördliche Angebote in Deutschland weniger genutzt als in Österreich und der Schweiz
Berlin. Die Initiative D21 und fortiss veröffentlichen heute die neue Auflage ihrer jährlichen Studie „eGovernment MONITOR 2019“. Die von Kantar durchgeführte Studie gibt ein Lagebild zur Nutzung und Akzeptanz digitaler Verwaltungsangebote in Deutschland und vergleicht diese mit den Partnerländern Österreich und Schweiz. Sie ist repräsentativ für die Online-Bevölkerung ab 18 Jahren.
Deutschland weiterhin mit Aufholbedarf im D-A-CH- und Europa-Vergleich
Informationen und Dienste von Behörden, die über das Internet genutzt werden können, sind E-Government- bzw. digitale Verwaltungsdienste. In Deutschland nutzt sie fast jeder Zweite (48 Prozent, das ist ein Anstieg um 8 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr). Insbesondere die mittlere Altersgruppe zwischen 35 und 54 Jahren entdeckt digitale Behördendienste zunehmend für sich, hier gibt es den größten Anstieg seit Beginn der Untersuchung 2012. Damit liegt die Nutzungsquote weiterhin deutlich unter denen der Vergleichsländer Österreich (70 Prozent, -4 Prozentpunkte) und Schweiz (58 Prozent, +2 Prozentpunkte). Im Langzeittrend konnten die Bürger*innen bisher kaum zu einer verstärkten Nutzung motiviert werden (2012: 45 Prozent zu 2019: 48 Prozent). Im EU-Vergleich liegt Deutschland an 24. Stelle und damit weit unter dem EU-Durchschnitt (vgl. DESI).
Bildung zentraler Faktor bei der Nutzung
E-Government nutzen in allen Vergleichsländern Jüngere und Ältere sowie Männer und Frauen etwa gleich viel. Ganz entgegen dem Trend bei anderen digitalen Aktivitäten, die meist Jüngere sowie Männer stärker wahrnehmen (vgl. D21-Digital-Index 2018/2019). Bei digitalen Behördendiensten zeigt sich eine digitale Spaltung am stärksten nach dem Niveau der Bildung: 67 Prozent der Menschen mit hoher Bildung nutzen E-Government-Angebote, im mittleren Bildungsbereich sind es 59 Prozent, bei Onliner*innen mit niedriger Bildung sind es nur noch 41 Prozent.
Bekannte Hürden bleiben bestehen, Zufriedenheit bleibt stabil
Ein großes Hindernis für die Nutzung von E-Government-Angeboten bleibt, dass die gewünschten Dienste nicht oder nicht vollständig online angeboten werden. Das Onlinezugangsgesetz (OZG) sieht vor, dass bis 2022 alle Verwaltungen ihre dazu fähigen Verwaltungsleistungen online anbieten und im übergreifenden Portalverbund nutzbar machen.
Die Zufriedenheit mit den digitalen Verwaltungsdiensten steigt in allen drei Ländern im Vorjahresvergleich leicht an. In Deutschland sind 60 Prozent mit den Angeboten zufrieden, in Österreich 74 Prozent und in der Schweiz 73 Prozent (jeweils +2 Prozentpunkte). Im Langzeittrend seit 2012 ist die Zufriedenheit vergleichsweise stabil, das Niveau der Zufriedenheit gleich sich in den drei Ländern insgesamt langsam aneinander an.
Mehrere Digitale Identitäten sind aus Sicht der Onliner*innen mühsam, aber sinnvoll
Die eigene Identität weisen die Onliner*innen am häufigsten per Benutzername/Passwort, gefolgt von PIN-/TAN-Verfahren nach (vgl. eGovernment MONITOR 2018). Das Ergebnis sind verschiedene digitale Identitäten und Passwörter, die sie verwalten müssen. Nur ein Viertel der Inhaber*innen von mehr als drei Identitäten verwaltet diese über einen Passwort-Manager oder ein vergleichbares Instrument. Trotz der Komplexität ist die Bereitschaft für die Verwendung mehrerer digitaler Identitäten in allen drei Ländern hoch. Fast zwei Drittel der Nutzer*nnen empfinden den Umgang mit verschiedenen Identitäten als mühsam, aber sinnvoll. Für viele spielt dabei der Sicherheitsaspekt eine zentrale Rolle. Knapp ein Drittel fühlt sich mit der Handhabung verschiedener digitaler Identitäten jedoch überfordert.
Der Personalausweis als digitale Identität kann sich in Deutschland bislang nicht durchsetzen – in Österreich nutzt bereits fast jede/r Zweite die staatliche Lösung
Digitale Identitäten stellt der Staat aus, um eine sichere Online-Identifikation und Authentifizierung insbesondere in der Behördenkommunikation zu ermöglichen. Deutschland führte hierzu 2010 den Personalausweis im Scheckkartenformat mit der sogenannte Online-Ausweisfunktion (eID) ein. Laut „eGovernment MONITOR 2019“ besitzen rund drei Viertel der deutschen Onliner*innen den Personalausweis im Scheckkartenformat und damit die Möglichkeiten für eine digitale Identifikation. Die eID-Funktion hat jedoch nur ein Viertel freigeschaltet. Die tatsächliche Nutzung der eID-Funktion bleibt gering, nur sechs Prozent haben sie bereits genutzt, der Großteil davon über ein entsprechendes Kartenlesegerät.
Seit 2017 besteht die Möglichkeit, die NFC-Schnittstelle von Android-Smartphones zur Verwendung der eID-Funktion ohne ein zusätzliches Kartenlesegerät zu nutzen. Fast zwei Drittel der potenziellen Nutzer*nnen ist diese Möglichkeit allerdings unbekannt. Für Apple-Smartphones besteht die Möglichkeit erst seit September 2019, und damit nach Durchführung der Befragung.
Weitere Entwicklungen und Anwendungsformen für den Personalausweis und die staatliche digitale Identität sind für die Bürger*innen denkbar: Fast die Hälfte der deutschen Onliner*innen kann sich vorstellen, die Informationen ihres Personalausweises auf einer sicheren Plattform im Internet zu speichern und diese dann zur Identifizierung bei verschiedenen Diensten zu nutzen. Eine Speicherung dieser Daten auf dem Smartphone lehnen jedoch 57 Prozent ab.
In der Schweiz besitzen mittlerweile 28 Prozent eine SuisseID – davon haben 84 Prozent sie bereits eingesetzt, häufig zum Einsatz kommt sie jedoch nur bei einer Minderheit. Das 2017 neu eingeführte SwissID-Verfahren erleichtert die Abwicklung und wird zunehmend genutzt: Besitzer*innen der SuisseID verwenden das neue Verfahren bereits deutlich häufiger als die SuisseID selbst. SwissID erlaubt nicht nur eine Identifikation für behördliche, sondern auch für private Dienste und benötigt keine zusätzliche Hardware.
In Österreich nutzen knapp 50 Prozent eine aktivierte Bürgerkarte oder Handy-Signatur – mit deutlich steigender Tendenz, zudem plant fast ein Drittel der Nichtnutzer*innen die Anschaffung. Im Vergleich zu Deutschland sind in Österreich gegenwärtig deutlich mehr behördliche Dienstleistungen über die elektronische Behörden-ID zugänglich.
Digitale Steuererklärung: Behördliche Angebote in Deutschland weniger genutzt als in Österreich und der Schweiz
In einer „Citizen Journey“ untersucht der „eGovernment MONITOR 2019“ die Kontaktkanäle der Bürger*innen mit den Behörden im Zuge der Erstellung ihrer Steuererklärung. Insgesamt ist die elektronische Steuererklärung in Deutschland deutlich weniger verbreitet als in Österreich und der Schweiz.
Bei der Steuererklärung durchlaufen Bürger*innen im Wesentlichen vier Schritte: Informationsbeschaffung, Beratung, Erstellung der Steuererklärung und Abgabe. Die Behörden sind bei der Informationsbeschaffung und Beratung in Deutschland nur dritt- bzw. viertwichtigste Anlaufstelle. Öfter helfen Steuerberatungen, Lohnsteuervereine oder das private Umfeld. Ein Viertel der Befragten gab an, nicht einmal auf die Idee gekommen zu sein, die Informationen online bei den Behörden einzuholen. Österreicher*innen und Schweizer*innen informieren sich deutlich häufiger auf offiziellem Wege. Große Unterschiede zeigen sich bei der Erstellung der Steuererklärung: In Österreich nutzen über 80 Prozent und in der Schweiz rund 60 Prozent die behördeneigene Software. Das deutsche „ELSTER“ hingegen nutzt nur rund ein Drittel, ein weiteres Viertel verwendet eine andere Software – insgesamt erstellen damit 56 Prozent ihre Steuererklärung in Deutschland digital. Die Abgabe erfolgt in Deutschland fast zur Hälfte elektronisch (32 Prozent ELSTER, 13 Prozent andere Software), in der Schweiz zu 39 Prozent digital (hier spielt der Brief nach wie vor die größte Rolle). In Österreich geben über 80 Prozent ihre Steuererklärung online ab.