AG-Blog | Arbeitswelt Heute und Morgen
Das zweite Treffen der AG Ethik im Jahr 2019 widmete sich der Arbeitswelt von heute und der Zukunft. Im Fokus standen dabei Fragen nach dem Einfluss neuer Technologien auf den Arbeitsalltag sowie das Verhältnis von Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen.
Zwischen „Entmachtung“ und „Ermächtigung“
Berlin. Stellen Sie sich vor, Sie leben im Jahr 2030: KI-gestützte Systeme sorgen für Mobilität ohne Verkehrsstaus und Zugausfälle, unterstützen ÄrztInnen bei Diagnose und Therapie und neben dem Urlaub verfügt ein Großteil der Beschäftigten über zusätzliche freie Tage, die sog. „KI-Dividende“. Mit diesem positiven Zukunftsszenario illustriert Karl-Heinz Brandl (ver.di) eine Vision der zukünftigen Arbeitswelt. Darin werden durch wirksame Mitbestimmungsrechte betrieblicher Interessensvertretungen und umfassenden Schutz der Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten Arbeitsperspektiven und -qualität gesichert.
Ausgangspunkt des Handlungsbedarfs sind für Brandl aktuelle Veränderungen der Arbeitswelt aus Gewerkschaftssicht. Beschäftigte erleben durch die Digitalisierung oft Überforderung und eine höhere Arbeitsbelastung, weswegen sie mit Skepsis auf neue Technologien – insbesondere den Einsatz von KI – reagieren. KI eröffne einen großen Gestaltungsspielraum zwischen „Entmachtung und Ermächtigung“, weswegen es „gute Arbeit by design“ benötige. Man müsse frühzeitig die Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit von Mensch und KI-Systemen festlegen. Oberster Leitgedanke müsse daher sein, dass die Maschine den Menschen unterstützt.
Blick ins 22. Jahrhundert
Ein weiteres Szenario zu ethischen Konflikten in der Arbeitswelt der Zukunft stellte die Zukunftsforscherin Dr. Florina Speth (2b AHEAD) im Kontext der Langzeitstudie „Die Zukunft deiner Kinder” vor. Die Studie begleitet seit 2015 zehn Kinder für 100 Jahre und entwickelt für diese Zukunftsszenarien. Speth sammelt durch Interviews mit ExpertInnen aus Wissenschaft und Wirtschaft sowie Personen aus dem direkten Umfeld der Kinder über die Laufzeit der Studie hinweg kontinuierlich Thesen zur Zukunft. Was passiert, wenn wir 2045 unsere Gehirne uploaden können? Welche Möglichkeiten eröffnen sich, wenn Roboter irgendwann zu unseren intelligenten Doppelgängern werden? Speth nimmt Fragen wie diese auf und verdichtet sie zu potenziellen, wünschenswerten Zukunftsszenarien.
Die AG-Teilnehmer*innen diskutierten in einem interaktiven Workshop dabei aufkommende ethische Konfliktlinien in Hinblick auf bisher nie da gewesene Arbeitsrealitäten. Sie versetzten sich dafür in die Lage einer Person, die im Jahr 2040 von einem Arbeitgeber ein mit Neuro-Enhancement-Tools verbundenes Jobangebot erhält, und überlegten, wie sie damit umgehen möchten. Der Einsatz fortgeschrittener Technologien eröffnete in diesem Zuge zahlreiche Diskussionspunkte und teils auch Dilemmata. Im Umgang mit diesen ethischen Fragen muss daher eine Reflexion persönlicher Wertevorstellungen im Mittelpunkt stehen, um – unabhängig von der noch unklaren Ausgestaltung der Zukunft – bereits heute kritischen Punkte mitzudenken und die Weichen richtig zu stellen.