Digital. Doppelt. Nachhaltig: Ein (Digitaler) Zwilling kommt selten allein.

Vielfältige Potenziale und Fortschritte lösen auch Fragen danach aus, wie etwa Digitale Zwillinge verantwortungsvoll und nachhaltig genutzt werden können. Themen wie diese standen im Zentrum des Veröffentlichungsevents zum D21-Denkimpuls „Digital, doppelt, nachhaltig? Digitale Zwillinge und ihr Beitrag zur Nachhaltigkeit“.

Recap-Video mit den Stimmen vieler Expert*innen zum Thema Digitale Zwillinge
Anne-Marie Tumescheit und Jan Quaing mit Mikrofonen hinter einem Stehtisch auf der Bühne
Anne-Marie Tumescheit und Jan Quaing

Berlin. Digitale Zwillinge bieten als Schlüsseltechnologie ein großes Potenzial für die Zukunft. Man verspricht sich von ihnen Vieles: die Stadtplanung nachhaltiger zu gestalten, industrielle Prozesse effizienter zu machen und sogar die allgemeine Lebensqualität zu verbessern. Aber sind digitale Zwillinge in der Lage, diese Hoffnungen zu erfüllen, die wir in sie setzen? Wie können wir sicherstellen, dass die Entwicklung und Nutzung dieser Technologie sowohl unter ökologischen als auch gesellschaftlichen Aspekten nachhaltig ist? Und wie lassen sich ökologische und gesellschaftliche Nachhaltigkeitskriterien bewertbar machen? Beim Event „Digital, doppelt, nachhaltig? Digitale Zwillinge und ihr Beitrag zur Nachhaltigkeit“, der Veranstaltung anlässlich der Veröffentlichung eines gleichnamigen D21-Denkimpulses, kamen Vertreter*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Verwaltung in der Pan Am Lounge zusammen, um genau diese Fragen aufzuwerfen und zu diskutieren.

Der Denkimpuls ist ein Anstoß zum Nachdenken, um Ideen zu entwickeln, sich über diese auszutauschen und spannende Gespräche zu führen.
Stefanie Kaste, Initiative D21

So begrüßte Stefanie Kaste, stellvertretende Geschäftsführerin der Initiative D21, die anwesenden Gäste in der weihnachtlich geschmückten Pan Am Lounge. Der Initiative D21 sei es bei ihren Denkimpulsen, die immer zusammen mit Autor*innen aus dem Netzwerk entstehen, wichtig, dass nicht nur die Chancen und Potenziale von technologischen Entwicklungen beleuchtet, sondern auch deren verantwortungsvolle Nutzung in den Mittelpunkt gerückt werde, ergänzte Dr. Marie Blachetta, D21-Referentin für Digital Responsibility. Bevor aber diese Aspekte näher diskutiert wurden, präsentierten stellvertretend die zwei Autor*innen Jan Quaing, Deutsche Bundesstiftung Umwelt, und Anne-Marie Tumescheit, Fujitsu, die Denkanstöße des Impulses.

Stefanie Kaste und Marie Blachetta hinter einem Stehtisch mit Mikrofonen auf der Bühne
Stefanie Kaste und Dr. Marie Blachetta
Das Publikum guckt interessiert zur Bühne; manche stehen, andere sitzen.
Die Gäste verfolgen die Diskussionen der Expert*innen.
Die Nutzung von Digitalen Zwillingen ist in den letzten Jahren sehr stark angestiegen – in Unternehmen, Städten und Kommunen.
Anne-Marie Tumescheit, Fujitsu

So hob Anne-Marie Tumescheit zu Beginn die Relevanz der Technologie hervor. Gerade angesichts der steigenden Nutzung müssten sich Digitale Zwillinge wie auch jede andere Technologie der Frage stellen, wie sie zur Nachhaltigkeit beitragen könnten. „Genau das haben wir in unserem Denkimpuls gemacht“, ergänzte Jan Quaing. Digitale Zwillinge sollten dabei immer ganzheitlich im Kontext ihres Anwendungsfalls gesehen werden. Nur durch diese Betrachtungsweise könne sichergestellt werden, dass Digitale Zwillinge nicht nur nachhaltig digital, sondern auch digital nachhaltig gestaltet würden.

Doch wie werden Digitale Zwillinge nachhaltig? Dazu gibt der D21-Denkimpuls konkrete und praxisnahe Handlungsempfehlungen für die Bereiche der IT-Infrastruktur, Erstellung und Betrieb, Sensorik sowie Daten. Es gelte unter anderem, den Ressourceneinsatz kritisch zu hinterfragen; sich klare, messbare Ziele zu setzen, die auch angepasst werden können; bestehende Daten mit standardisierten Schnittstellen zu verbinden und zu nutzen; den interdisziplinären Austausch zu steigern und zu guter Letzt Bürger*innen bei der Entwicklung zu beteiligen und ihnen Anwendungsfälle Digitaler Zwillinge aufzuzeigen, um die Akzeptanz und Nutzung der Technologie zu steigern.

Viele Anwendungsfelder – was Digitale Zwillinge in einer Kommune leisten können

Auf einem großen Bildschirm sieht man Wolfgang Glock in einer Videokonferenz und seine Hintergrundpräsentation
Wolfgang Glock

Einen konkreten Einblick in die Praxis Digitaler Zwillinge gab Wolfgang Glock, IT-Referat der Stadt München, deren Digitaler Zwilling gerade mit dem Digital Award ausgezeichnet worden ist. Es handle sich dabei um ein umfassendes virtuelles 2D- und 3D-Bild der Stadt München, das auf Flugzeugaufnahmen beruhe. Auf Basis der virtuellen Visualisierung könnten Simulationen, Analysen und Prognosen leichter erstellt und so schnelle, präzise und datenbasierte Entscheidungen ermöglicht werden. Den Anwendungsfällen seien dabei nahezu keine Grenzen gesetzt und viele Nutzungsmöglichkeiten denkbar – von der integrierten Stadtentwicklung über die kommunale Wärmeplanung, Sicherheit, Gesundheit bis hin zu der Simulation von Klima- und Umweltszenarien.

Bei der Entwicklung Digitaler Zwillinge sei jedoch Verschiedenes zu beachten. So sei es wichtig, den Digitalen Zwilling in der Digitalstrategie zu verankern, Bürger*innen bei der Entwicklung zu beteiligen und ihnen Nutzungspotenziale der Technologie aufzuzeigen. Außerdem sei ausschlaggebend, dass die spezifischen Anwendungsfälle und Handlungsfelder die Digitalen Zwillinge treiben, damit sie themenspezifische Anforderungen erfüllen könnten.

Wir versuchen mit den Themen der Urbanisierungen, Energiewende, Mobilität und dem demografischen Wandel, den Digitalen Zwilling an verschiedenen Ecken einzubinden.
Wolfgang Glock, Stadt München

Dreh- und Angelpunkt sei deswegen nicht die Technik, sondern der jeweilige Anwendungsfall.

Beate Ginzel, Christian Kastrop und Anne-Marie Tumescheit bei der Podiumsdiskussion
Dr. Beate Ginzel, Prof. Dr. Christian Kastrop und Anne-Marie Tumescheit
Moderatorin Simone Kaiser mit Mikrofon in der Hand an einem Stehtisch gelehnt
Simone Kaiser

Herausforderungen und Visionen: Digitale Zwillinge als Schaltzentrale der Zukunft

In der anschließenden, von Simone Kaiser, Fraunhofer IAO CeRRI und Co-Autorin des Denkimpulses, moderierten Paneldiskussion wurden Anwendungsfälle und Nachhaltigkeit Digitaler Zwillinge u.a. gemeinsam mit Expert*innen weiter vertieft. Auch in Leipzig würden wie in München Digitale Zwillinge unter anderem für die Energiewende, Wärmeplanung und auch für die Prognose von Kitaplätzen verwendet. Allgemein könnten viele Themen und Herausforderungen der nachhaltigen Stadtplanung durch Digitale Zwillinge unterstützt werden, so Dr. Beate Ginzel, Referat Digitale Stadt der Stadt Leipzig. Um dabei die Chancen und Risiken Digitaler Zwillinge auszubalancieren, sei eine ganzheitliche Perspektive wichtig. Dazu zähle, dass das Ziel für den Einsatz Digitaler Zwillinge bei der Entwicklung von Beginn an mitgedacht werde, betonte Jan Quaing. Jene ganzheitliche Perspektive sei zwar gut und wichtig, entgegnete Dr. Beate Ginzel, aber sehr komplex und in der Praxis kaum umsetzbar. Denn dafür werde sehr praxisnahe Begleitforschung benötigt, für die allerdings häufig das Geld fehle. Zwar sei ein holistischer Ansatz natürlich zu befürworten, aber:

Wir dürfen uns nicht von holistischen Ansätzen lähmen lassen. Sonst fangen wir niemals an.
Dr. Beate Ginzel, Stadt Leipzig

Auch über die soziale Dimension Digitaler Zwillinge wurde intensiv diskutiert. Soziale Gerechtigkeit bei Digitalen Zwillingen sei ein wesentlicher Faktor für deren Nutzung und Akzeptanz, so Anne-Marie Tumescheit. So seien etwa generationengerechte Beteiligungsprozesse unabdingbar, um alle Bürger*innen abzuholen. Deswegen arbeite die Stadt Leipzig auch eng mit Senior*innenbüros zusammen, ergänzte Ginzel.

Beate Ginzel spricht in ein Mikrofon
Dr. Beate Ginzel

Eine globale Perspektive im Zusammenhang der sozialen Dimension brachte Prof. Dr. Christian Kastrop, Global Solutions Initiative, ein. Digitale Zwillinge seien nicht nur für globale Lieferketten überaus hilfreich; ein weiterer Anwendungsfall sei der Flugverkehr, dessen Klimaschädlichkeit durch Digitale Zwillinge transparenter würde. Bürger*innen könnten somit die Auswirkungen ihres eigenen Handelns auf das Klima besser verstehen und dieses anpassen. Er betonte jedoch auch, dass durch Digitale Zwillinge die Schwere zwischen globalem Norden und globalen Süden nicht vergrößert, sondern verkleinert werden sollte. Somit würden Digitale Zwillinge auch eine große Bedeutung in der sozial-digitalen Nachhaltigkeitsdimension einnehmen.

Abschließend bat die Moderatorin Simone Kaiser die Panelist*innen, eine Zukunftsvision für digitale Zwillinge zu zeichnen:

  • Für Dr. Beate Ginzel werde bei Digitalen Zwillingen in der Zukunft mehr Aufklärungsarbeit für die Bürger*innen dahingehend geleistet, welche Potenziale, Mehrwert und Wirkung digitale Zwillinge haben. Auch werden in ihrer Vision Nutzer*innen von Anfang an mit eingebunden, um insgesamt die Akzeptanz und den Zuschnitt Digitaler Zwillinge sicherzustellen.
  • Auch in der Vorstellung von Prof. Dr. Christian Kastrop werden bei der zukünftigen Entwicklung Digitaler Zwillinge Bürger*innen von Beginn an beteiligt. Zusätzlich wünscht er sich, dass Digitale Zwillinge als Informationsquelle in anderen Bürger*innenbeteiligungsprozessen genutzt würden.
  • Digitale Zwillinge, die für jede*n einfach zugänglich und nutzbar sind, prägen die Vision von Anne-Marie Tumescheit. In ihrer Vision gibt es eine große Bereitschaft und Offenheit, den Nutzen digitaler Zwillinge für Bürger*innen aufzuzeigen.
  • Jan Quaing sieht in Zukunft in Digitalen Zwillingen die Schaltzentrale des ökonomischen Wandels. Dafür benötige es aber Wissen und Fortbildungen.

Im Anschluss an die Diskussion tauschten sich die Gäst*innen bei weihnachtlichem Flair und fantastischer Aussicht auf das nächtliche Berlin Charlottenburg über die Impulse aus.

Wir danken Fujitsu für die finanzielle Unterstützung des Denkimpulses und des Events.

3 Personen unterhalten sich stehend miteinander
Vier Personen unterhalten sich stehend. Sie haben Getränke in den Händen

Ansprechpartnerin in der Geschäftsstelle

Porträt von Dr. Marie Blachetta

Dr. Marie Blachetta, Referentin Digital Responsibility (sie/ihr)