AG-Blog: Digitale Transformation im öffentlichen Sektor: Strategien für nachhaltigen Erfolg

In der letzten Sitzung der AG Innovativer Staat in diesem Jahr wurden insgesamt drei Digitalstrategien auf verschiedenen föderalen Ebenen hinsichtlich ihrer Planung, Umsetzung und ihres Erfolgs betrachtet. Dabei waren sowohl die Perspektive der Länder und Stadtstaaten als auch die des Bundes mit Expert*innen vertreten.

Berlin/virtuell. In einer zunehmend digitalen Welt ist eine durchdachte Strategie für die Digitalisierung der Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg. In der Sitzung der AG Innovativer Staat standen die Kernfragen moderner Digitalstrategien im Fokus: Welche Ansätze sind zukunftsfähig? Wie lassen sich digitale Innovationen effektiv in Verwaltung und Behörden integrieren? Und welche strategischen Entscheidungen ermöglichen langfristigen Erfolg in einem dynamischen Umfeld?

Die föderale Digitalstrategie der FITKO

Den Anfang machte Dr. André Göbel, Präsident der FITKO, mit der föderalen Digitalstrategie des IT-Planungsrats für die Verwaltung. Deren Erstellung sei bereits im November 2023 vom IT-Planungsrat mit dem Ziel beschlossen worden, ein Instrument zu entwickeln, um die Verwaltung zukunftsfähig zu machen und die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen bei der Verwaltungsdigitalisierung effizienter zu gestalten. Das Motto des IT-Planungsrats „Gemeinsam wirksam“ solle dabei in die Praxis überführt werden.

Die Digitalstrategie bestehe aus drei Komponenten:

  • Die Dachstrategie: Sie legt die gemeinsame Ausrichtung fest und beinhaltet ein Zukunftsbild der Verwaltung, sowie die Leitlinien.
  • Die Schwerpunkthemen: Digitale Transformation, Digitale Infrastruktur, Digitale Anwendungen, Datennutzung, Informationssicherheit. Hier werden in partizipativen Formaten konkrete Zielbilder für die Umsetzung entwickelt.
  • Die Ableitung konkreter Umsetzungsvorhaben: Teilweise seien diese bereits umgesetzt worden, andere werden derzeit neu miteinander verknüpft, und weitere sind noch zu initiieren.
Das Bild zeigt eine Pyramidenstruktur, die eine strategische Vorgehensweise darstellt, bestehend aus drei Ebenen.

Obere Ebene: Dachstrategie – Die Spitze der Pyramide betont das "Zukunftsbild der Verwaltung" aus der Perspektive der Nutzenden und enthält "Leitlinien" für Governance, Ausrichtung und Umsetzung. Diese Ebene wird als Gegenstand einer Veranstaltung hervorgehoben.

Mittlere Ebene: Schwerpunktthemen – Hier werden Zielbilder, Programmmanagement und Dialog hervorgehoben. Sie bilden die Grundlage für die Konkretisierung der Dachstrategie.

Untere Ebene: Umsetzungsvorhaben – Diese Ebene umfasst konkrete Ergebnisse wie Produkte, Projekte und Standards, die aus den Schwerpunktthemen abgeleitet werden.

Am unteren Rand befinden sich die Logos von FITKO (Föderale IT-Kooperation) und dem IT-Planungsrat.

Die Leitlinien, die in der Dachstrategie festgelegt wurden, ließen sich wiederum in drei Arten von „Leitplanken“ gliedern:

  • Governance-Leitlinien
  • Fachliche Leitlinien (Ausrichtung)
  • Umsetzungsprinzipien

Hintergrund und Ausgangsbasis seien die vielen großen Herausforderungen, vor denen der Staat aktuell stehe (internationaler Wettbewerb, Personalmangel etc.). Dabei sei die Gestaltungskraft des IT-Planungsrats als ein entscheidender Hebel zu verstehen, um die Verwaltung zukunftssicher aufzustellen.

Zukunftsbild der Verwaltung aus der Nutzendenperspektive

André Göbel in einer Videokonferenz
Dr. André Göbel

Göbel betonte, dass die Bedürfnisse der Nutzenden den Ausgangspunkt für alle strategischen Überlegungen darstellen – also die Bedürfnisse von Bürger*innen, Organisationen und Unternehmen, Entscheider*innen in der Politik und den Verwaltungsspitzen sowie von Behörden- und Verwaltungsmitarbeitenden. Denn diese Strategie sei nur mithilfe leistungsfähiger Strukturen und der Kultur eines Miteinanders im Staat möglich.

Gleichzeitig habe man sich bewusst für eine stufenhafte Umsetzung der Strategie entschieden: So wurde die Dachstrategie bereits im November als erster Teil der noch nicht vollständig ausgearbeitete föderalen Digitalstrategie veröffentlicht. Eine solche „Work-in-progress“-Vorgehensweise sei für die Politik und Verwaltung sehr ungewöhnlich, beschleunige aber die Umsetzungsprozesse enorm.

Göbel betonte, dass der IT-Planungsrat sich selbst verpflichtet habe, die Strategie als wiederkehrenden Dialogprozess zu verstehen. So werde es künftig regelmäßige Feedbackgespräche, in denen neben den Erfolgen auch Misserfolge gemessen würden, geben können. Ebenfalls stellte Göbel die Wichtigkeit der Zusammenarbeit auf allen Ebenen für die erfolgreiche Umsetzung der Vorhaben heraus:

Der IT-Planungsrat streckt hier nicht nur die Hand aus, sondern fordert die Zusammenarbeit auch ein. Ansonsten werden wir die Digitalisierung in Deutschland nicht umgesetzt bekommen.
Dr. André Göbel, FITKO

Abschließend merkte Göbel zur aktuellen Diskussion um neue Institutionen für Digitalaufgaben an, dass zwar die Unterstützung durch externe Organisationen an einigen Stellen durchaus sinnvoll sei, es aber föderal umso wichtiger sei, die bereits bestehenden Strukturen und Organisationen in klarer Zuständigkeit und engster Kooperation zu nutzen. Neue externe Organisation, die erstmal aus dem Nichts für die nächsten drei Jahre neu aufgebaut werden müssen, würden wertvolle Zeit und Kapazitäten binden, ohne einen Lösungsbeitrag liefern zu können. Gleichwohl müsse die Strukturdiskussion eher mit dem langläufigen Blick über die Legislaturen hinweg geführt werden.

(Digital-)Strategie: Eine Länderperspektive

Jennifer Runte in einer Videokonferenz
Jennifer Runte

Jennifer Runte, Referentin für Digitalstrategie, und Matthias Wieckmann, Leiter Digitalstrategien in der Senatskanzlei Hamburg, berichteten der AG darauf aufbauend über die aktuelle Digitalstrategie für Hamburg. Dabei gaben sie einen Einblick in den organisatorischen Aufbau und den Prozessdesign einer solchen Digitalstrategie. Tatsächlich handele es sich bei der aktuellen Digitalstrategie bereits um die dritte übergreifende Digitalstrategie des Senats. Zusätzlich dazu habe jede Behörde eine eigene Digitalisierungsstrategie. Zuständig für die Koordination seien die Mitarbeitenden des Amts für IT und Digitalisierung, das in die Senatskanzlei eingegliedert sei. Die Strategien würden dabei mit einer Mischung aus Top-Down- und Bottom-Up-Prozessen und entsprechenden Methoden erarbeitet. Die Devise bei der Erarbeitung der Strategien laute: „zentral steuern, dezentral umsetzen.“

Als Grundlage für die Entwicklung der Digitalstrategien fungiere das ITD-Rahmenwerk 2.0. Dabei sei es besonders wichtig, eine strategische Stringenz zu einzuhalten:

Wir starten bei einer Vision und leiten davon ab. So entstehen dann die Ziele, die wir formulieren können.
Jennifer Runte, Senatskanzlei Hamburg
Matthias Wieckmann in einer Videokonferenz
Matthias Wieckmann

Dies führe dazu, dass einzelnen Ziele und Maßnahmen für eine umsetzungsbereite Strategie logisch aufeinander aufbauen. Außerdem könne so schnell eine Vergleichbarkeit der einzelnen behördlichen Strategien erreicht werden. Auf Basis dieser dezentralen Strategien könne dann die übergreifende, zentrale Strategie entwickelt werden. Seit April 2023 habe es hierzu eine übergreifende Strategieworkshop-Reihe zur Weiterentwicklung der strategischen Entwicklungsbereiche gegeben, um ein gemeinsames Verständnis einer Vision sowie konkrete Schritte und strategische Ziele zu erarbeiten.

Gleichzeitig seien gemeinsam notwendige Strukturen und Bedarfe für die behördenübergreifende Zusammenarbeit in den strategischen Entwicklungsbereichen und digitalen Räumen definiert worden. Auch hier werde sich immer entlang der Stringenz und Logik der Strategie bewegt. Runte und Wieckmann betonten das iterative Vorgehen: Feedbackschleifen und „lessons learned“ seien äußerst wichtig. Auch die Behörden- und Abteilungsübergreifende Zusammenarbeit sei unerlässlich:

Es ist wichtig, über die Silos hinweg zu kommunizieren – besonders da, wo es thematisch Sinn macht. Die Digitalisierung hält an solchen künstlichen Grenzen nicht an.
Matthias Wieckmann, Senatskanzlei Hamburg

Die strategischen Entwicklungsbereiche (Daten, Digitale Verwaltung, Kulturwandel, Innovation, Infrastrukturen, Plattformen & Technologien) würden dabei einen Fokus auf querschnittliche Kernthemen setzen – bereits in den dezentralen Strategien der Behörden. Um die strategische Stringenz zu wahren, komme innerhalb der einzelnen Entwicklungsbereiche immer die Strategiepyramide zum Einsatz. Gleichzeitig gebe es noch sogenannte Digitale Räume. Diese beschreiben im Kern die Fachthemen der einzelnen Behörden; so sei beispielsweise die Digitalisierung von Krankenhäusern ein Fachthema der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration.

Im Vergleich zur letzten Strategie liege bei der aktuellen Strategie der Fokus noch stärker auf der fachlichen Tiefe in den Entwicklungsbereichen. Auf der einen Seite habe das überarbeitete, bewusst partizipativ und flexibel gestaltete Prozessdesign immens geholfen. Auf der anderen Seite müsse es immer wieder gut mit der weiterhin bestehenden, klassischen, hierarchischen Organisationsrealität verknüpft werden, um (nicht immer unvermeidbare) Konfliktpotenziale zu mindern, die sich aus dem Nebeneinander dieser beiden Prozessverständnisse bzw. organisatorischen Realitäten zwangsläufig ergeben.

Die Digitalstrategie des Bundes

Den Abschluss bildete Dr. Stephan Zaß, Referatsleiter DP 10 (Grundsätze der Nationalen Digitalpolitik, Digitalstrategie, Digitalisierung und Nachhaltigkeit) im BMDV, mit seinem Impuls zur Digitalstrategie der Bundesregierung. Diese soll einen „Wegweiser für den digitalen Aufbruch“ darstellen. Zaß erläuterte, dass in der Strategie zum ersten Mal die Digitalisierung als Querschnittsaufgabe definiert worden sei, an der alle Bundesministerien und das Kanzleramt unter der Federführung des BMDV gemeinsam arbeiten. Dabei stelle die Digitalstrategie der Bundesregierung ein gemeinsames Dach für die digitalpolitischen Schwerpunkte und Zielen der Ministerien dar.

Die Strategie lasse sich in drei Handlungsfelder gliedern:

  • Vernetze und digital souveräne Gesellschaft
  • Innovative Wirtschaft, Arbeitswelt, Wissenschaft und Forschung
  • Lernender, digitaler Staat
Stephan Zaß in einer Videokonferenz
Dr. Stephan Zaß

Zaß erläuterte, dass die Bundesregierung die digitalen Projekte, von denen sie ressortübergreifend die größte Hebelwirkung erwarte (flächendeckender Gigabitausbau, Verfügbarkeit von Daten, sichere und nutzer*innenfreundliche digitale Identitäten etc.), mit besonderer Priorität vorantreibe. Auch internationale Standards seien wichtig für die grenzüberschreitende Nutzung von Anwendungen. Gleichzeitig verfolge die Bundesregierung in ihrer Datenstrategie die konkrete Umsetzung von 18 Leuchtturmprojekten, die Deutschland digital voranbringen sollen. Diese Projekte sollen veranschaulichen, wie die Digitalisierung das Leben der Menschen in Deutschland verbessert und vereinfacht. Jedes Ressort arbeite dabei eigenverantwortlich an der Digitalisierung in seinem Fachbereich, während die Koordination durch das BMDV erfolge.

Insgesamt beinhalte die Digitalstrategie 140 Zielvorgaben. Damit diese alle erreicht werden können, sei eine entsprechende Governance notwendig, die sich in drei Säulen aufteilen ließe:

  • Qualitiatives Monitoring für zentrale Vorhaben durch einen unabhängigen Beirat aus 17 Mitgliedern aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft für den bestmöglichen Output
  • Quantitatives Monitoring für alle Ziele durch eine Datenbank für möglichst hohen Output
  • Wirkungsmessung für ausgewählte Vorhaben durch Forschung für das beste Outcome

Die Umsetzung der Strategie werde dabei von allen Ressorts begleitet, um Fortschritte gemeinsam voranzutreiben. Dies geschehe zum einen in den halbjährlichen Runden der Staatssekretär*innen aller Bundesministerien. Zusätzlich gebe es die interministeriellen Arbeitsgruppen, in denen sich Mitarbeitende der Arbeitsebene fortlaufend über ihre Erfahrungen mit Umsetzung und Monitoring austauschen. Ziel sei ein starkes ressortübergreifendes Kompetenznetzwerk mit einer positiven und transparenten Fehler- und Lernkultur.

Zum Abschluss zog Zaß ein Resümee zur aktuellen Strategie und ging dabei auch auf die Prüfung der Digitalstrategie durch den Bundesrechnungshof ein. Dieser hatte unter anderem kritisiert, dass die Strategie zu wenig quantifizierbare Ziele aufweise. Laut Zaß seien jedoch nicht alle Ziele aus einer solchen Strategie quantifizierbar und müssten es auch nicht sein. Dennoch gebe es auch Verbesserungspotenzial. Beispielsweise gebe es auf Bundesebene immer noch kein zentrales Digitalisierungsbudget. Auch sei der Bund mehr auf die Zusammenarbeit mit den Ländern angewiesen und müsse hier mehr in den Dialog gehen:

Einige Bundesländer gehen mit gutem Beispiel voran. Hier müssen wir uns fragen: Was lässt sich daraus auf den Bund übertragen und wie können wir aus den Erfahrungen der Länder lernen?
Dr. Stefan Zaß, BMDV

Wahl der AG-Leitung

Die AG Innovativer Staat hat im Anschluss an die Sitzung gewählt: Wir gratulieren Basak Akbayir (Gartner) zur Wahl und Jan-Lars Bey (Cassini Consulting AG) zur Wiederwahl als AG-Leitung und freuen uns auf das, was kommt! Herzlichen Glückwunsch! Ein großer Dank geht an die bisherige Co-Leiterin der AG Innovativer Staat Cornelia Gottbehüt (EY), die turnusgemäß nach zwei Jahren AG-Leitung nicht mehr kandidiert hat, für die fantastische Zusammenarbeit! Während ihres Engagements als AG-Leitung hatte sie stets den Blick für den roten Faden und die Themen, die im Bereich digitale Verwaltung und Verwaltungsmodernisierung brennen. Nicht vergessen werden wir vor allem ihre kluge Moderation und die pointierten Nachfragen an die Speaker*innen. Wir sind dankbar, dass sie der AG Innovativer Staat auch in Zukunft als Mitglied erhalten bleibt.

Ansprechpartner in der Geschäftsstelle

Porträt von Alexander Köhler

Alexander Köhler, Referent Digitaler Staat (er/ihm)