#GovTalk 2024: Bund, Länder, Kommunen und die Zusammenarbeit im föderalen Staat
Eine Veranstaltung, die Optimismus weckt. Der GovTalk 2024 war geprägt von einer Aufbruchsstimmung, konstruktiven und offenen Gesprächen zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Es entstand die Atmosphäre: Wenn wir alle einen Schritt aufeinander zugehen, schaffen wir das! Neben der Vorstellung zentraler Erkenntnisse des eGovernment MONITOR standen die Bundesländer und die Zusammenarbeit der föderalen Ebenen bei der Verwaltungsdigitalisierung im Fokus der Veranstaltung.
Berlin. Eine leistungsfähige digitale Verwaltung kann das Vertrauen der Bürger*innen in den Staat stärken. Doch wie ist die Sicht der Bürger*innen auf den Stand der Verwaltungsdigitalisierung im Jahr 2024? Die Moderatorin Ann Cathrin Riedel hieß über 140 Gäst*innen aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft auf dem GovTalk 2024 herzlich willkommen, um unter anderem diese Frage gemeinsam zu diskutieren. Außerdem standen vor dem Hintergrund der föderalen Digitalstrategie die Bundesländer und die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen im Mittelpunkt. In den lösungsorientierten Debatten, offenen Gespräche und konstruktiven Vergleichen zeigten sich Vertreter*innen aller Ebenen entschlossen, einen Schritt aufeinander zuzugehen.
Jetzt oder nie – Verwaltungsdigitalisierung im föderalen Deutschland
In einem eröffnenden Dialog mit Ann Cathrin Riedel begrüßten Marc Reinhardt, Präsident der Initiative D21 und Co-Moderator, und Dr. Markus Richter, CIO des Bundes, die Gäst*innen und läuteten Start der Veranstaltung ein. „Wir stehen nicht da, wo wir sein wollen. Aber wir sind doch einen Schritt weitergegangen“, antwortete Dr. Markus Richter auf die Frage, was im vergangenen Jahr mit Blick auf die Verwaltungsdigitalisierung erreicht worden sei. Der eGovernment MONITOR biete in diesem Kontext einen Moment des Innehaltens und ermögliche es, einen Quervergleich durchzuführen. Deswegen sei er eine wichtige Basis, um auch mit Blick auf die Länder weitere Schlüsse zu ziehen. Dass zusätzliche Anstrengungen notwendig seien, da es ohne eine digitale Verwaltung keinen leistungsfähigen Staat mehr geben werde, darin waren sich Marc Reinhardt und Markus Richter einig. Für eine erfolgreiche Verwaltungsdigitalisierung bedürfe es unter anderem gemeinsame interföderale IT-Infrastrukturen. Doch mit Blick auf deren Umsetzungsstand sagte Dr. Markus Richter:
Und auch Marc Reinhardt bekräftigte:
Er plädiere deswegen dafür, dass man es feiern und nicht als Niederlage bewerten solle, wenn eigene kommunale oder Länder-IT-Anwendungen zugunsten einer einheitlichen IT-Landschaft aufgegeben würden. Denn wenn alle einen Schritt aufeinander zugingen, könne man vieles zum Positiven ändern.
Deep-Dive Bundesländer: Unterschiede und Wege zur Angleichung
Zum Beispiel könnten die Unterschiede zwischen den Bundesländern angeglichen werden, die Sandy Jahn, Initiative D21, in ihrem Deep-Dive zum Stand der Verwaltungsdigitalisierung auf Länderebene im Anschluss vorstellte. Dabei variiere das verschenkte Potenzial digitaler Verwaltungsdienstleistungen und somit die digitale Nutzungslücke auch stark zwischen den jeweiligen Leistungen. Die drei Hauptgründe für die Nicht-Nutzung seien kurzgesagt: kenne ich nicht, finde ich nicht oder will ich nicht. Diesen Gründen könne laut eGovernment MONITOR mit Kampagnen, Pop-Up-Informationsstores und durch die nutzer*innenfreundliche Bereitstellung der Verwaltungsdienstleistungen auf einer zentralen Plattform entgegengewirkt werden. Insgesamt müsse der der digitale Weg schneller, einfacher und bequemer sein als der analoge:
Die Rolle der FITKO als Dirigent der Digitalisierung und weitere Hebelpotenziale
Andernfalls könnten die Disparitäten zwischen den Bundesländern aufgrund der unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten und -erlebnisse neue Spannungen hervorrufen, ergänzte Dr. André Göbel von der FITKO, die den eGovernment MONITOR als fachlichen Premiumpartner in diesem Jahr erstmalig unterstützten. Für die Zukunft wünsche er sich, stärker in den Ländervergleich zu gehen. So könne besser geschaut werden, wie die digitalisierten Leistungen bei den Bürger*innen in den unterschiedlichen Bundesländern ankämen. Weitere Hebelpotenziale für die Verwaltungsdigitalisierung sehe er in der Erstellung der föderalen Digitalstrategie, die von der FITKO begleitet werde, der Bildung von Schwerpunktthemen mit CIO-Verantwortlichkeiten, der gemeinsamen EfA-Finanzierung, einem föderalen IT-Standardisierungsboard unter Einbindung der Wirtschaft und der gemeinsamen Entwicklung interoperabler Zielarchitekturen.
Es gebe dabei gar keine Wahl zwischen Machen oder Nicht-Machen. Letzteres sei aufgrund des massiven Vertrauensverlustes in den Staat keine Option.
„Maschinenraum der Digitalisierung“ im Fokus – Bundesländer im IT-Planungsrat über die föderale Zusammenarbeit
Als Vertreter der FITKO gab Dr. André Göbel gemeinsam mit Ina-Maria Ulbrich, Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern, und Ralf Stettner, CIO der Hessischen Landesregierung, Einblicke in die Arbeit der Bundesländer im IT-Planungsrat – den Maschinenraum der Digitalisierung. Unter der Moderation von Ann Cathrin Riedel und Marc Reinhardt entstand eine lebendige Diskussion über unter anderem die Unterschiede zwischen Flächenländern, Stadtstaaten und dem Bund, den Austausch und die Interoperabilität auf EU-Ebene sowie die Lessons Learned aus dem OZG. Als Erkenntnis aus dem OZG wurde genannt, dass die Kommunen Bundes- und Landesstandards begrüßten.
Auch dies sei ein Learning, Erfahrungen aus den konkreten Umsetzungsprojekten mit in die föderale Digitalstrategie einfließen zu lassen. Nicht nur top-down, sondern auch bottom-up-Kanäle zu nutzen, sei ein wichtiger Paradigmenwechsel, so Dr. André Göbel. Er ergänzte, dass viele Kommunen auf die FITKO zukämen, da sie sich eigene IT-Verfahren schlichtweg nicht mehr leisten könnten: „Wir müssen den Maschinenraum vereinheitlichen. Kein Motorhersteller der Welt baut eigene Schrauben.“ Es gehe deswegen darum, Basisfunktionalitäten so abzusichern, dass die Nutzung digitaler Leistungen überhaupt ermöglicht werde und nicht um die Aushebelung des Grundgesetzes oder die Abschaffung der kommunalen Selbstverwaltung. Einheitliche föderale Basiskomponenten könnten den Kommunen viele Arbeitsschritte ersparen. Dabei müsse man jedoch stets die engen finanziellen Rahmenbedingungen und etwaigen Grenzen des bestehenden Digitalwissens mitdenken, entgegnet Ralf Stettner. Doch nicht nur zwischen der kommunalen und der Landesebene bedürfe es einer stärkeren Zusammenarbeit.
Die Panelist*innen stellten sich nach ihrer Diskussion noch weiteren Fragen aus dem Publikum.
Verwaltungsdigitalisierung als Vertrauensfaktor
Nach einer kurzen Kaffeepause und Zeit zum Netzwerken stellte Prof. Dr. Helmut Krcmar, Technische Universität München (TUM), weitere zentrale Ergebnisse des eGovernment MONITOR mit Fokus auf das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Staates vor. Zunächst aber die harten Fakten: 62 % der Befragten sind mit digitalen Verwaltungsdienstleistungen zufrieden, doch nur 35 % vertrauen dem Staat (Ergebnis 2023), wobei 48 % sagen, dass eine Digitalisierung ihr Vertrauen in den Staat stärken könnte. Um dieses Vertrauenspotenzial zu heben, müssten staatliche digitale Dienstleistungen allerdings einige Anforderungen erfüllen. Dazu zählten mitunter die Personalisierung, sodass Daten nicht immer wieder aufs Neue eingegeben werden müssen, dass die digitalen Dienstleistungen schnell und einfach auf einer zentralen Plattform zu finden sind und dass Leistungen schneller erbracht werden als auf dem analogen Weg. Nur, wenn diese Erwartungen der Bürger*innen erfüllt werden, könne das Potenzial der 48 % gehoben werden.
Gemeinsam statt einsam und Mut zur Veränderung
Bevor es mit einem Round-Table zur Umsetzung der Verwaltungsdigitalisierung mit je einer*m Vertreter*in von Bund, Ländern und Kommunen weiterging, gab jeder der drei Panelist*innen einen kurzen Impuls.
Dr. Markus Richter, CIO des Bundes, betonte, dass eine dezentrale Verwaltungsdigitalisierung zu viele Ressourcen binde. Diese Personalressourcen stünden angesichts des Fachkräftemangels schlicht nicht mehr zur Verfügung. Die Verwaltungsdigitalisierung müsse deswegen beschleunigt werden, etwa indem alle föderalen Ebenen ihre Expertise zusammenlegten. Dazu brauche es auch gemeinsame IT-Infrastrukturen und Plattformen:
Martina Klement, CDO des Landes Berlin, schilderte Eindrücke zur Verwaltungsdigitalisierung aus Sicht eines Stadtstaates. Ungeachtet der Unterschiede zu Flächenstaaten, stünden alle Länder vor ähnlichen Herausforderungen bei der Verwaltungsdigitalisierung. Deswegen sei sie der vollen Überzeugung, dass auf Länderebene viel enger zusammengearbeitet werden müsse. Auch bedürfe es einer höheren Nutzer*innenfreundlichkeit und einer stärkeren Bekanntheit der digitalen Dienstleistungen, an der kontinuierlich weitergearbeitet werden müsse.
Deswegen sei sie der Auffassung, insgesamt mehr beim Bund anzusiedeln, da so die Verwaltungsdigitalisierung schneller vorangebracht werden könnte.
Anja Soisson, Leiterin des Amtes für Digitalisierung und Organisation der Stadt Leipzig, brachte die kommunale Perspektive ein und erklärte gleich zu Beginn:
Anschließend gab Anja Soisson Einblicke in die Herausforderungen der Verwaltungsdigitalisierung auf kommunaler Ebene. So bringe etwa fast jede EfA-Leistung ein eigenes Portal mit, was zu Unklarheiten und Frust bei Bürger*innen führe. Sie fordere deswegen ebenfalls unter anderem zentrale Plattformen, dass die kommunale Ebene bei Gesetzerarbeitungsprozessen mitgedacht werde und dass bei kommunalen Pflichtaufgaben per Weisung auch zentrale IT-Lösungen und -Standards von höherer staatlicher Ebene bereitgestellt werden sollten. Mit Blick auf den eGovernment MONITOR und das OZG-Dashboard hob sie hervor, dass es Vorteile habe, wenn man sich bei der Verwaltungsdigitalisierung miteinander messen und vergleichen könne. Das erleichtere auch Diskussionen über Finanzierung.
Gemeinsam diskutierte die drei Panelist*innen nach ihren kurzen Inputs über die Umsetzung der Verwaltungsdigitalisierung im föderalen Deutschland und beantworteten Fragen aus dem Publikum. Dabei wurde deutlich, dass die Verwaltungsdigitalisierung eher an fehlendem Mut in der Verwaltung und in den Parlamenten scheitere als an mangelndem Interesse und Kompetenzen, Digitalkompetenzen mehr in die Themenfelder und Projektarbeiten hineingetragen werden sollten sowie eine Ende-zu-Ende-Verantwortung und eine dauerhafte Aufgabenkritik etabliert werden müsse.
So fasste Moderatorin Ann Cathrin Riedel abschließend die Eindrücke des Tages zusammen. Co-Moderator Marc Reinhardt pflichtete ihr bei. Er habe viel Positives gehört, von konstruktiven Vergleichen über die Entschlossenheit zu gemeinsamen interföderalen Plattformen bis hin dazu, das Abschalten von eigenen Anwendungen zugunsten einer einheitlichen IT-Infrastruktur zu feiern. Das alles wecke Optimismus, der sich hoffentlich in den Zahlen des eGoverment MONITOR im nächsten Jahr widerspiegelt.