KI for Future? Ökologische Nachhaltigkeitsbewertung von Künstlicher Intelligenz
Bei der Veranstaltung im Rahmen der virtuellen Dialogreihe „Digital Responsibility“ der Digital Future Challenge ging es um wichtige Folgefragen, die sich an die Anwendung von KI im Unternehmenskontext anschließen – und wie ökologische Nachhaltigkeitsbewertung dabei helfen kann, sie zu beantworten.
Berlin/virtuell. Während wir uns die Frage stellen, wie wir von Künstlicher Intelligenz (KI) profitieren können, um unsere Zukunftsfähigkeit zu sichern, müssen wir uns auch mit den praktischen Auswirkungen von der Nutzung einer KI auseinandersetzen. Darum ging es in der ersten Veranstaltung der virtuellen Dialogreihe „Digital Responsibility“ im Rahmen der Digital Future Challenge, die am 02. November stattfand. Die ökologische Nachhaltigkeitsbewertung von KI-Systemen stand dabei im Fokus.
Momentan werde noch viel zu selten betrachtet, wie ein KI-System gestaltet werden muss, um ökologisch nachhaltig zu sein und welche Maßnahmen dazu erforderlich seien, leitete Moderator Jan Quaing (Deutsche Bundesstiftung Umwelt) das virtuelle Event ein. Diese Überlegungen sollten also im Zentrum der Veranstaltung stehen – denn die Integration von KI in die Arbeitsabläufe im Unternehmen solle kein Selbstzweck sein, sondern müsse verantwortungsbewusst gestaltet werden. Dabei spiele die ökologische Nachhaltigkeit eine entscheidende Rolle.
Bewertungstools und ein neues Bewusstsein für eine nachhaltige KI
Einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zur einer ökologisch nachhaltigen KI leistet Dr. Anne Mollen (Uni Münster, AlgorithmWatch) mit ihrem Projekt SustAIn. In Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin, AlgorithmWatch und dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung und gefördert vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz hat SustAIn ein Selbstbewertungstool erstellt, welches die Nachhaltigkeit einer KI bewertet. Bisherige Forschung und Projekte haben sich nämlich vorwiegend auf die Frage konzentriert, wie KI zu mehr Nachhaltigkeit beitragen kann. Doch der Einsatz einer KI verbrauche aufgrund der großen Rechenzentren meist viel Strom und Wasser, welches große ökologische Auswirkungen mit sich bringe, so Mollen. Trotz Bemühungen zur Verbesserung der Energieeffizienz und der verstärkten Nutzung von CO2-freier Energie hätten Rechenzentren weiterhin sehr hohe Emissionen. Bestehende Zahlen, die sich auf die Trainingsphase einer KI beziehen, zeigen erschreckend hohe Emissionswerte, welche Mollen aus ökologischer Perspektive als sehr kritisch bewertete. Diese Emissionen seien während der Inferenzphase (Anwendungsphase) nochmal höher und aufgrund ihrer kontinuierlichen und umfangreichen Anwendung gleichzeitig schwieriger zu ermitteln.
Durch die Entwicklung des Bewertungstools für KI von SustAIn werde nun die Möglichkeit geboten, vorhandene KI-Modelle auf ihre Nachhaltigkeit hin zu überprüfen. Dies sei ein erster Schritt, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, welche (ökologischen) Auswirkungen die Nutzung einer KI haben kann. Anhand der Ausarbeitung von Richtlinien für eine ökologisch nachhaltige KI wird anschließend aufgeklärt, was bei einer nachhaltigen KI zu beachten sei. Dazu wurden 13 Kriterien aus den verschiedenen Nachhaltigkeitsdimension (ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit) identifiziert, die mit 50 Indikatoren vertieft wurden. Diese Indikatoren wurden mit Operationalisierungen versehen, sodass sie in der Praxis sofort Anwendung finden können.
Insgesamt sei entscheidend, dass bei der Entwicklung einer nachhaltigen KI nicht nur die technischen Komponenten berücksichtigt würden, sondern auch das Bewusstsein dafür geschärft werde, dass energierelevante Entscheidungen getroffen werden müssen:
Es sei zum Beispiel eine Überlegung wert, ob man auf Organisationsebene Modelle mit geringer Komplexität oder bereits vortrainierte Modelle einsetzen könne. Und auch Rahmenbedingungen seien von großer Bedeutung, denn es seien viele verschiedene Akteure (entwickelnde Organisationen, einsetzende Organisationen und politische Rahmenbedingungen) für eine nachhaltige Umsetzung von KI verantwortlich. Schließlich sollte die Nachhaltigkeit in der Entwicklung und Anwendung von KI nicht nur eine technische Anforderung sein, sondern ein Leitziel werden, welches in allen Entscheidungsprozessen und Handlungen verankert sei. Die Schaffung eines Bewusstseinswandels in dieser Hinsicht sei von entscheidender Bedeutung, um die ökologischen Auswirkungen von KI zu minimieren. Gemeinsam mit Methoden zur Reduzierung des Energieverbrauchs durch Optimierungstechniken müsse also ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt werden, schloss Moll.
Umweltschonende Rechenzentren und die Suche nach einem geeigneten Messmodell
Ein Anwendungsbeispiel im Kontext der ökologischen Nachhaltigkeit von KI-Systemen stellte Dusan Dokic vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz mit dem Projekt Escade vor. Ziel des Projektes sei ein ressourcenschonendes Rechenzentrum, welches sich auch aus monetärer Sicht rentiere. Dazu setze man auf den Einsatz von neuromorphen Chiptechnologien, da diese eine Effizienzsteigerungen von bis zu 50 Prozent bei der Trainingsphase und bis zu 80 Prozent bei der Inferenzphase von KI-Modellen versprechen würden. Allerdings könne manbestehende Chips in den Rechenzentren nicht einfach mit den neuromorphen Chips ersetzen; stattdessen brauche es eine neue Infrastruktur, welche auf die neuromorphen Chips zugeschnitten sei. Das Projekt Escade befinde sich bereits in der Testphase, weshalb Dokic auch Anwendungsbeispiele mitbringen konnte. Im Bereich des Visual Computings werden die neuromorphen Chips zum Beispiel bereits sehr erfolgreich verwendet. Ein Partner von Escade setze diese beispielsweise in der Stahlindustrie ein, wo sie zur genauen Sortierung von Metallschrott genutzt werden.
Dokic betonte wie schon Mollen, dass der Einsatz einer KI vorsichtig abgewogen werden sollte:
Um Entscheidungen fundierter treffen zu können, wäre ein Messmodell, welches den Energieverbrauch einer KI bestimmen könnte, sehr hilfreich. Allerdings bestehe aktuell noch keine zufriedenstellende Messmethode. Ein möglicher Ansatz wäre die Betrachtung der Ökobilanz der einzelnen KI-Lebenszyklen verknüpft mit der Ökobilanz der erforderlichen physischen Geräte, welche die Erstellung und Nutzung von KI-Anwendungen ermöglichen. Hinzu käme jedoch noch die Ökobilanz von Algorithmen, Rechenzentren und Anwendungen. Außerdem müsse man Aspekte wie den Einfluss von KI auf der Systemebene betrachten. Zu nennen wäre da zum Beispiel die Auswirkung auf das Konsumverhalten. Deutlich werde, dass es aufgrund der vielen zu beachtenden abstrakten Ebenen schwer sei, geeignete Messgrößen zu finden. Allerdings bestehe ein großes Interesse an solchen Messmodellen, da sie eine große Einsicht bieten könnten.
In der anschließenden Diskussion wurden viele spannende Fragen gestellt, unter anderem, was es für Möglichkeiten gebe, Nutzende zu einer ökologisch nachhaltigen Anwendung von KI zu motivieren. Mollen sah einen Weg darin, zum Beispiel durch Journalismus die ökologischen Auswirkungen von KI für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Allerdings sehe sie dies auch nicht als eine individuelle Verantwortung; stattdessen müssten alle Akteur*innen ökologisch nachhaltige KI-Systeme gemeinsam vorantreiben. Eine wichtige Zuständigkeit liege dabei bei der Politik, welche Regularien für Rechenzentren und Unternehmen einzuführen müsse.
Zudem wurde diskutiert, wie die beiden Expert*innen die Abwägungsmöglichkeiten zwischen dem Aufwand (insbesondere Ressourcen) und Nutzen aus ökologischer Perspektive, z.B. durch die Säuberung der Meere mithilfe von KI-Systemen, einschätzen würden. Generell gibt es in diesem Bereich der ökologisch nachhaltigen KIs noch einen großen Gestaltungspielraum, was besonders mit Blick auf die teilnehmenden Studierenden der DFC sehr spannend ist: Sie können die Zukunft im Bereich ökologisch nachhaltige KI gestalten.