AG-Blog | Recruiting und HR-Technologien
Künstliche Intelligenz (KI) und andere Technologien kommen im HR-Bereich immer mehr zum Einsatz, z. B. bei der Suche von neuen MitarbeiterInnen oder um die Produktivität von Beschäftigten zu steigern. Welche Chancen versprechen sich Unternehmen durch den Einsatz solcher Technologien und welche Herausforderungen gibt es dabei? Diese Fragen diskutierte die AG Ethik bei ihrer Sitzung..
Berlin. Passende Talente händeringend gesucht! Dies sieht Britta Daffner als eine der aktuellen Herausforderungen bei der Personalgewinnung. Die Abteilungsleiterin und Managing Consultant AI & Data Science bei IBM zeigt in ihrem Vortrag zu den Entwicklungen im HR-Bereich verschiedene Beispiele, wie KI dabei unterstützen kann, beispielsweise bei der gendergerechten Gestaltung von Ausschreibungen, beim Matching von Lebensläufen und Ausschreibungen, durch virtuelle Assistenten, die beim Auswählen passender Stellen unterstützen, und auch beim Gestalten der Bewerbungsgespräche.
Auch die AG-Teilnehmenden sind sich einig, dass das persönliche Gespräch auch bei technischer Unterstützung eine hohe Relevanz behalte.
Um KI überhaupt erfolgreich beim Recruiting einzusetzen, sei es Vorfeld jedoch wichtig zu definieren, welche Anforderungen eine Stelle genau mit sich bringe und was für ein Mensch auf eine solche Stelle passe, erklärt Daffner. Eine weitere Frage sei auch die Datifizierbarkeit von Menschen: Welche menschlichen Eigenschaften lassen sich mit Daten abbilden und welche nicht? Welche sollte man erfassen, welche nicht? Als Beispiel wurden Ehrlichkeit und Aufmerksamkeit genannt. In der entstehenden Diskussion zu diesen Fragen werden verschiedene Prioritäten und Vorstellungen der Teilnehmenden der AG deutlich.
Letztlich sei das Finden der richtigen Mitarbeiter*innen jedoch nur ein Teil erfolgreicher HR-Arbeit, beendet Daffner ihren Vortrag. Gute Kräfte nicht nur zu finden, sondern auch im Unternehmen halten zu können, sei wichtig. In die Organisation integrierte Möglichkeiten zum lebenslangen, personalisierten und kontinuierlichen Lernen sei ein Schlüssel für eine erfolgreiche Personalbindung.
Mitarbeiter*innen-Engagement-Tools – oder ist das schon Überwachung?
Das Binden der passenden Mitarbeiter*innen ans Unternehmen hängt auch mit ihrer Motivation und ihrem Wohlbefinden zusammen. Es gebe verschiedene Tools, die Arbeitsleistung zu messen und die Leistung der Arbeitnehmer*innen zu steigern, berichtet Dr. Nadine Galandi, Leiterin des Deloitte Neuroscience-Instituts. Schnell komme man darüber auch zum Thema Stress – dem laut Selbsteinschätzung häufigsten Grund für Unzufriedenheit. Galandi bietet einen interessanten Einblick in die Entstehung von Stress und Wege des Messens. Durch biologische Daten wie der Herzratenvariabilität lasse sich Stress relativ einfach feststellen. Dabei betont Galandi, Stress entstehe nicht nur durch Arbeit, sondern auch im privaten Bereich. Beide Komponenten müssen zusammen kommen, weswegen die Analyse dieser Daten sehr sensibel ist und sich die Frage stelle, was in der Verantwortung des Unternehmens liege und was in der eigenen Verantwortung. Denn die Konfrontation mit den Ergebnissen einer solchen Stressanalyse könne für Menschen sehr heikel und belastend sein.
Mit welchen Tools können Unternehmen Arbeitsleistung messen ohne Mitarbeiter*innen zu überwachen, welche Einblicke bringen verbesserte Arbeitsmuster und wo sind Grenzen – oder wo sollten sie sein? Das waren die Leitfragen der anschließenden Diskussion. Zunächst aber stellte Johanna Rathenow von Microsoft mit „MyAnalytics“ ein mögliches Tool zum Mitarbeiter*innen-Engagement vor. Dieses analysiert den persönlichen Terminkalender sowie Arbeitszeiten und gibt individuelle Empfehlungen zur Einteilung und Priorisierung von Aufgaben sowie zur effizienten Planung der Zusammenarbeit mit Kolleg*innen.
Nach den beiden Vorträgen entsteht bei den Zuhörenden die Befürchtung, ob wir durch solche Tools nicht verlernten, auf das eigene Empfinden zu hören, und stattdessen Verantwortung für das eigene Wohlbefinden weg delegierten? Nicht unwahrscheinlich, waren sich alle einig. Allerdings könne bei gestressten Menschen die Konfrontation mit den Ergebnissen auch dazu anregen, das eigene Verhalten zu überdenken, wenn sie sich die Belastung eigentlich nicht eingestehen wollen würden, wie die beiden Referentinnen betonen. Wichtig sei, dass eine Analyse solcher Daten immer sehr individuell erfolgen müsse. Es gibt keine Lösung, die für alle passt, da Stress stark von der Persönlichkeit der Menschen abhängig ist – so brauchen die einen viele Aufgaben gleichzeitig und andere unbedingt eine einstündige Mittagspause.
Hier bestehe die Gefahr von Missbrauch, insbesondere bei prekären Arbeitsverhältnissen. Um Zahlen und Ergebnisse richtig zu interpretieren sowie entsprechende Schlüsse zu ziehen, sei entsprechendes Wissen in der Bevölkerung notwendig und ebenso weitere Forschung.