Wer profitiert von der Digitalisierung? Zwei Jahre Digitalstrategie der Bundesregierung

Das digitalpolitisches Monitoring der Initiative D21 betrachtet die Wirkungen von ausgewählten, gesellschaftlich besonders relevanten Zielen der Digitalstrategie. Heute ziehen wir eine erste Zwischenbilanz für das Ziel „Alle profitieren von Digitalisierung“.

Im Februar 2023 hat die Initiative D21 eine Bestandsaufnahme zu folgenden 5 gesellschaftsrelevanten Zielen der am 31.08.2022 verabschiedeten Digitalstrategie der Bundesregierung veröffentlicht: 

  • Alle profitieren von der Digitalisierung.
  • Digitalkompetenzen werden verbessert.
  • Beschäftigungschancen werden genutzt.
  • Desinformation wird durch Informationskompetenz bekämpft.
  • Lebenslanges Lernen stärkt Teilhabe und Resilienz.
Grafik mit der Übersicht über das digitalpolitische Monitoring. Als Textversion zu finden im D21-Digital-Index 2022/2023
Bestandsaufnahme vom Februar 2023 zu 5 Zielen der Digitalstrategie der Bundesregierung

Nun, zum zweiten Jahrestag der Digitalstrategie, wollen wir eine erste Zwischenbilanz ziehen, ob wir bereits Fortschritte für die Digitale Gesellschaft in einem der zentralen gesellschaftlichen Ziele sehen:

„Alle profitieren von Digitalisierung.“

Balkendiagramm zur Frage "Ich glaube, dass ich persönlich insgesamt von der Digitalisierung profitiere."
2020: 56%; 2021: 59%; 2022: 55%; 2023: 53 %
Basis: Bevölkerung ab 14 Jahren (2023: n = 6.455); Top2 (stimme voll und ganz zu/stimme eher zu)

Die Digitalstrategie zielt darauf ab, die Digitalisierung für alle nutzbar zu machen. Während der Corona-Pandemie sahen viele Bürger*innen die Vorteile der Digitalisierung, doch ist diese Wahrnehmung seitdem leicht zurückgegangen. Im Juli 2022 fühlten sich 55 Prozent durch die Digitalisierung bereichert, im Jahr darauf waren es nur noch 53 Prozent. Diese Daten stammen aus den Befragungen im Rahmen des D21-Digital-Index 2023/2024.

Verkleinerte Gräben

Die Unterschiede zwischen den Bevölkerungsgruppen bestehen weiterhin, haben sich aber in einigen Bereichen verringert. So betrug der Unterschied zwischen der Generation Z (73 Prozent) und der ältesten Generation (geboren bis 1945, 21 Prozent) im Jahr 2022 52 Prozentpunkte, 2023 sind es nur noch 45 Prozentpunkte. Das liegt daran, dass die Älteren jetzt mehr profitieren (+4 Prozentpunkte auf 25 Prozent), während das Gefühl des Profitierens in der Generation Z leicht zurückgeht (-3 Prozentpunkte auf 70 Prozent).

Auch der Abstand zwischen den alten und den neuen Bundesländern verringert sich: von 12 Prozentpunkten Unterschied im Jahr 2022 auf 7 Prozentpunkte im Jahr 2023. Diese Annäherung ist darauf zurückzuführen, dass der Anteil der Profiteur*innen in den alten Bundesländern gesunken (von 57 auf 54 Prozent) und in den neuen Bundesländern gestiegen ist (von 45 auf 47 Prozent).

Vergrößerte Gräben

Dagegen vergrößert sich die Kluft zwischen Stadt und Land leicht: In den Städten sinkt die Quote von 60 im Jahr 2022 auf 58 im Jahr 2023, während sie auf dem Land von 48 auf 45 Prozent sinkt, wodurch sich die Differenz von 12 auf 13 Prozentpunkte erhöht.

Balkendiagramm zur Frage: Ich glaube, dass ich persönlich insgesamt von der Digitalisierung profitiere.
Angaben in Prozent; Basis: Bevölkerung ab 14 Jahren (2023: n = 6.455); Top2 (stimme voll und ganz zu/stimme eher zu)

Auch zwischen den einzelnen Bundesländern gibt es Unterschiede: Zwischen dem Bundesland mit dem höchsten Anteil an Profiteur*innen (Hessen mit 58 Prozent) und dem Bundesland mit dem niedrigsten Anteil (Thüringen mit 36 Prozent) liegen immerhin 22 Prozentpunkte. Im letzten Jahr waren es noch 18 Prozentpunkte Unterschied. Allerdings lässt sich das vor allem an dem auffallend niedrigen Wert in Thüringen zurückführen. Zum Saarland (45 Prozent, Achtung: geringe Fallzahl für 2023, nur Tendenzaussage möglich) und Brandenburg, den Ländern direkt vor Thüringen im Ranking, sind es nur 13 bzw. 12 Prozentpunkte Unterschied. In den meisten Bundesländern ist der Anteil der Menschen, die einen persönlichen Nutzen in der Digitalisierung sehen, zurückgegangen. Besonders stark trifft dies auf Rheinland-Pfalz (-16 Prozentpunkte), Hamburg (-11 Prozentpunkte) und Berlin (-10 Prozentpunkte) zu. Aber auch in Thüringen und Baden-Württemberg ist der Anteil um 6 bzw. 7 Prozentpunkte zurückgegangen. Mehr Menschen als noch im Vorjahr profitieren hingegen in Sachsen-Anhalt (+8 Prozentpunkte) und Sachsen (+5 Prozentpunkte). (Bremen konnte aufgrund der geringen Fallzahl nicht betrachtet werden.)

Fazit: Wie profitieren mehr Menschen von der Digitalisierung?

Es wurden Fortschritte bei der digitalen Teilhabe gemacht – insbesondere bei vorher eher abgehängten Generationen und Regionen. Aber: Es bestehen weiterhin deutliche Unterschiede. Die Digitalisierung wird von den älteren Generationen zunehmend als vorteilhaft empfunden, während die jüngeren Generationen weniger davon profitieren als früher. Zudem verringern sich die Unterschiede zwischen den alten und neuen Bundesländern leicht, während die Kluft zwischen Stadt und Land bestehen bleibt und sich eher noch zu vergrößern droht. Vor allem die Bundesländer, in denen weniger als die Hälfte der Bürger*innen profitiert, sollten in den Blick genommen werden – allen voran Thüringen, wo nur etwas mehr als jede*r Dritte einen persönlichen Vorteil durch die Digitalisierung sieht. 

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass eine gezielte Förderung in den Bundesländern notwendig ist. Die neu gegründete Digitalminister*innenkonferenz kann ein starker Partner für die Bundesregierung sein, um noch stärker und zielgerichteter in den Ländern zu wirken. Es kann nicht der Anspruch Deutschlands als stärkste Volkswirtschaft der Europäischen Union sein, weiterhin so große digitale Ungleichheiten zuzulassen. Die Verringerung der Kluft zwischen den Generationen ist ein erfreulicher Fortschritt, der allerdings zum Teil durch Rückschritte der jüngeren Generation bedingt ist. Es ist zu begrüßen, dass Bündnisse und Initiativen wie der DigitalPakt Alter gemeinsam mit den Interessenverbänden älterer Menschen mehr Teilhabe ermöglichen. Gleichzeitig dürfen wir die jüngeren Generationen nicht vergessen. Für sie bedeutet „profitieren“ häufig etwas anderes als für die älteren Generationen – gleichzeitig haben sie keine Lobby, die diese Bedürfnisse und Interessen auch in Politik und Gesellschaft trägt. 

Um messbare Erfolge für die gesellschaftlichen Ziele der Digitalstrategie zu erzielen, müssen die entsprechenden Maßnahmen auch auf die Bedürfnisse und Herausforderungen unterschiedlicher Zielgruppen zugeschnitten sein. Diese zu identifizieren, muss Teil der Roadmap zu einem digital fortschrittlichen und innovativen Land sein, in dem alle von der Digitalisierung profitieren.

Ansprechpartnerin in der Geschäftsstelle

Porträt von Sandy Jahn

Sandy Jahn, Referentin Strategic Insights & Analytics (sie/ihr)