AG-Blog | Wie realistisch ist die Digitale Souveränität?

Wie realistisch ist die Digitale Souveränität der Verwaltung? Die Arbeitsgruppe Innovativer Staat lieferte Einblicke hinter die Kulissen.

Berlin/virtuell. Nachdem sich die Arbeitsgruppe Innovativer Staat in ihrer letzten Sitzung mit der Frage beschäftigt hat, was Digitale Souveränität überhaupt ist, vertiefte sie nun das Thema und diskutierte die konkrete Umsetzung insbesondere der Cloud-Infrastruktur in Deutschland. Dafür standen Dr. Markus Richter (Staatssekretär im Bundesministerium des Innern und CIO des Bundes) und Harald Joos (IT-Beauftragter der Bundesfinanzverwaltung) Rede und Antwort. Dorothea Störr-Ritter (Mitglied des Normenkontrollrats und Beauftragte für E-Government) ordnete ergänzend ganz grundsätzlich die Fortschritte von Bund und Ländern in Sachen Digitalisierung der Verwaltung ein – ein Thema, dass auch durch den anstehenden Wahlkampf verstärkt öffentlich diskutiert wird.

Gleicher Blick – unterschiedlicher Fokus

Markus Richter als Sprecher in einer Zoom-Konferenz
Bundes-CIO Dr. Markus Richter

Dr. Markus Richter und Harald Joos gaben zu Beginn der Sitzung einen Einblick hinter die Kulissen. Der CIO des Bundes legte dabei seinen Fokus auf die Rahmenbedingungen der Digitalen Souveränität, die er zum einen setzen und deren Einhaltung letztendlich auch sicherstellen muss. Für die Auftraggeberfähigkeit des Staates nannte Richter nicht nur den technischen Aspekt essenziell, sondern ebenso die Berücksichtigung von Skills und eine „Kultur auf Augenhöhe“. Im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft hatte Richter die „Berlin Declaration“ mit verhandelt. Diese ziele klar auf die Digitale Souveränität von Staaten und BürgerInnen; ihre Umsetzung sei daher von großer Bedeutung.

Harald Joos teilte seine Einschätzung und den strategischen Ansatz für die Umsetzung einer Cloudinfrastruktur für die öffentliche Verwaltung mit den Teilnehmer*innen. So genannte Hyperscaler (also Unternehmen wie AWS oder Microsoft, die sehr schnell Leistungen stark hochskalieren können) böten aktuell die beste Performanz. Eingebettet in die Rahmenbedingungen des Staates und klare Regeln könnten daher souveräne Lösungen für den Staat entstehen. 

Harald Joos in einer Zoom-Konferenz
Harald Joos, IT-Beauftragter der Bundesfinanzverwaltung

Er schlug aber einen zweigleisigen Ansatz vor, denn Souveränität bedeute auch, sich nicht von einer Lösung abhängig zu machen. Daher müsse parallel eine „Open Source“-Cloud aufgebaut werden. Die Strategie finde bereits breite Zustimmung in der Politik und müsse daher schnell umgesetzt werden. Damit die Lösungen eine kritische Masse erfahren, sei es wichtig, die Bedarfe von Bund, Ländern und Kommunen zu bündeln, so Joos weiter. Sein Multicloud-Ansatz zielt daher darauf, ein Angebot für alle Ebenen des Föderalismus zu sein. Den Rahmen dafür würden DSGVO und Projekte wie Gaia-X bilden.

Fortschrittsmessung: Der Monitor Digitale Verwaltung #5

Als die erste Auflage des „Monitor Digitale Verwaltung“ des Nationalen Normenkontrollrats (NKR) im September 2018 erschien, existierte das Online-Zugangsgesetz (OZG) bereits ein Jahr. Ziel des Berichts war es, die Regierungsarbeit zum OZG zu bewerten und Auskunft über den aktuellen Stand der Umsetzung zu geben. Im Mai 2021 wurde die fünfte Auflage veröffentlicht, deren drei wesentliche Kernbotschaften Dorothea Störr-Ritter der Arbeitsgruppe vorstellte.

Dorothea Störr-Ritter in einer Zoom-Konferenz
Dorothea Störr-Ritter, Mitglied des Normenkontrollrats und Beauftragte für E-Government

Störr-Ritter präsentierte unter anderem das eigens vom NKR erstellte Dashboard zum Umsetzungsstand des OZG. Sie bemängelte dabei, dass das Bundesinnenministerium auf seiner Website eine nicht umfassend strukturierte und in Themenfelder aufgeschlüsselte Abbildung vornehme, die teilweise irreführend sein könne. Daher erstelle der Rat bereits seit der ersten Auflage des Monitor eigene Darstellungen, um den Status quo besser beleuchten zu können.

Die Umsetzung des OZG befinde sich derzeit in einem Wechsel von der Aufwärm- in die Leistungsphase, erklärte Störr-Ritter. Allein in diesem Jahr plane der Bund, 200 Leistungen online verfügbar zu machen. Und trotz vieler finanzieller Zuwendungen sei der Erfolg des OZG weiterhin ungewiss, bemängelt die Beauftragte für E-Government. Da die Strukturen in Deutschland sehr vielfältig seien, sei die Flächendeckung eine zentrale Frage. Es müsse Komplexität durch Standardisierung reduziert werden, so Störr-Ritter weiter. Durch standardisierte und kombinierbare Lösungen seien die Verwaltungen so auch leichter wiederverwendbar, da sich auch die Frage der Nachhaltigkeit stelle. Diese sei durch den Zeitdruck, das OZG umzusetzen, in den Hintergrund gerückt und zu wenig in Grundlagenarbeit investiert worden.

„Viel Digitalisierungsverantwortliche und komplexe Umsetzungsstrukturen – Funktioniert das?“ Wimmelbild des NKR
„Viel Digitalisierungsverantwortliche und komplexe Umsetzungsstrukturen – Funktioniert das?“ - das berühmte Wimmelbild des NKR

Die dritte Kernbotschaft, die der Bericht hervorhebt, ist das moderne Datenmanagement. Dorothea Störr-Ritter verwies darauf, dass eine Registermodernisierung von sehr großer Bedeutung sei, um einen hohen Reifegrad der digitalen Lösungen und ihre Automatisierung zu gewährleisten. Die Modernisierung sei in ihrer Bedeutung und Dimension mit dem OZG vergleichbar. Sie appellierte weiterhin, die Umsetzung energischer voranzutreiben – auch von Seiten der Politik. Zudem benötige es einen systematischen Ansatz, wie Daten definiert werden und sie in der Verwaltung zum Einsatz kommen.

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Porträt von Alexander Köhler