71 % der Deutschen sehen Mehrwert von E-Government – aber 42 % sind mit dem derzeitigen Angebot nicht zufrieden

  • Vertrauen in Leistungsfähigkeit von Staat und Verwaltung ist gesunken
  • Mehrheit offen für Künstliche Intelligenz in der digitalen Verwaltung
  • Kaum Fortschritte bei digitaler Identifikation: Nur 14 % nutzen den Online-Ausweis
  • Digitale Nutzungslücke von 35 %: Mehr als jede*r Dritte nutzt bei Bedarf analoge Wege

71 Prozent der Deutschen sehen einen Vorteil darin, Behördendienste digital abzuwickeln – das ist eines der zentralen Ergebnisse des eGovernment MONITOR 2023, einer Studie der Initiative D21 und der Technischen Universität München unter Schirmherrschaft der Bundesministerin des Innern und für Heimat, Nancy Faeser, durchgeführt von Kantar. Die Studie zeigt aber auch: 42 Prozent der Bürger*innen sind mit dem derzeitigen Angebot nicht zufrieden.

Insgesamt steigt die Nutzungszahl für digitale Verwaltungsleistungen auch 2023 weiter an auf nun 56 Prozent. Dazu Bundesinnenministerin Nancy Faeser:

Ich freue mich, dass immer mehr Bürgerinnen und Bürger digitale Verwaltungsleistungen nutzen. Unser Staat wird Schritt für Schritt digitaler, das ist immer deutlicher sichtbar. Wir wollen das Leben der Menschen leichter machen, wertvolle Zeit sparen, der Zettelwirtschaft ein Ende bereiten und Behördengänge vermeiden. Zukünftig können digitale Anträge deutschlandweit über die BundID als zentrales Bürgerkonto gestellt werden. Für Unternehmen wird es in Zukunft nur noch digitale Anträge geben. Spätestens 2024 werden zum Beispiel die Kfz- oder Führerschein-Anmeldung, die Ummeldung, die Eheschließung, die Baugenehmigung und das Elterngeld deutschlandweit digital beantragt werden können. Doch die Studienergebnisse zeigen auch deutlich, an welchen Stellen wir schneller und besser werden müssen, damit die Verwaltung in unserem Land auf allen Ebenen bürgernäher und digitaler handelt. Der eGovernment MONITOR liefert dafür wichtige Impulse.
Nancy Faeser, Bundesministerin des Innern und für Heimat

Funktionierende digitale Verwaltung als wichtiges Instrument der Demokratie

Die Herausforderungen der digitalen Verwaltung sind zahlreich, aber überwindbar. Die Vorzüge liegen auf der Hand: Nutzer*innenfreundliche und medienbruchfreie digitale Verwaltungsleistungen werden zunehmend von der Bevölkerung eingefordert, würden das Verwaltungspersonal deutlich entlasten und könnten sogar die Folgen des Fachkräftemangels im öffentlichen Dienst abmildern.

Die Verwaltung stellt für die Bürger*innen die direkte Schnittstelle zum Staat dar – sie erwarten einen digitalen und reibungslosen Kontakt, der so einfach und durchgängig ist, wie sie es aus anderen Bereichen ihres Alltags kennen. Verwaltungsinterne Zuständigkeiten und organisatorische Gründe spielen für die Bürger*innen keine Rolle – sie wollen möglichst unkompliziert ihre Angelegenheiten erledigen. Speziell die Interaktion in bestimmten Lebenslagen ist immer noch zu komplex und damit sinkt das Zutrauen in die Leistungsfähigkeit des Staats. ‚Once Only‘ für die Daten, gebündelte, komfortable Anträge und proaktive Verwaltungsangebote, die sie in ihren Lebenssituationen unterstützen, sind ein Schlüssel, um das Vertrauen wieder zu stärken.
Marc Reinhardt, Präsident der Initiative D21

Mehrheit der Bevölkerung befürwortet Einsatz von Künstlicher Intelligenz

So untersucht die Studie beispielsweise auch die Akzeptanz des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz in der Verwaltung bei der Bevölkerung. Das ist ein hochaktuelles Thema, da die Bundesregierung gerade mit ihrer neuen Datenstrategie beschlossen hat, die Datenqualität und deren Bereitstellung signifikant zu verbessern – das ebnet auch den Weg für qualitativ hochwertige KI-Anwendungen in der öffentlichen Verwaltung. Laut eGovernment MONITOR wäre die Mehrheit der Bürger*innen unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Einsatz von KI in der Verwaltung einverstanden; allerdings lehnen auch 21 Prozent den Einsatz kategorisch ab. Am wichtigsten wäre den Befragten, dass grundsätzliche Entscheidungen weiterhin von Menschen getroffen werden. Eine Anwendung Künstlicher Intelligenz, die bereits im Einsatz ist, sind Chatbots: 63 Prozent kennen diese in der digitalen Verwaltung und die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland könnte sich sogar vorstellen, in Zukunft über sie mit der öffentlichen Verwaltung zu kommunizieren. 

Das Fundament fehlt: Online-Ausweis weiterhin kaum genutzt 

Die sichere Möglichkeit zur digitalen Identifikation ist eine Grundlage für zahlreiche Verwaltungsleistungen. Doch bislang konnte sich der Online-Ausweis als staatliche Lösung seit seiner Einführung vor 13 Jahren nicht durchsetzen: Zwar stieg die Nutzung des Online-Ausweises im Vergleich zum Vorjahr auf 14 Prozent an (plus vier Prozentpunkte), bewegt sich aber weiter auf niedrigem Niveau. Nur 30 Prozent der deutschen Bürger*innen geben an, dass die Online-Funktion bei ihnen einsatzbereit ist. Während bei der Hälfte der Personalausweisbesitzer*innen die Online-Funktion nach eigener Angabe nicht einsatzbereit ist, kennt jede*r Fünfte den Status nicht. Der häufigste Grund: Die Bürger*innen sehen den Nutzen nicht, es fehlt ihnen an Anwendungsmöglichkeiten. Den Online-Ausweis als Identifikationsmöglichkeit nutzen wollen dabei die meisten. Mehr als die Hälfte der Bürger*innen wünscht sich eine einheitliche Identifikationsmöglichkeit statt vieler verschiedener Optionen – 53 Prozent davon bevorzugen dafür den Online-Ausweis.

Die Ausweisinhaber*innen nutzen die Online-Ausweisfunktion kaum, weil es wenig nutzbare und für sie nützliche Dienste gibt, und Dienste selbst binden die Online-Ausweisfunktion nicht konsequent genug ein. Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen
Prof. Dr. Helmut Krcmar, Technische Universität München

So bleibt in vielen Fällen weiterhin der persönliche Gang zum Amt notwendig.

Digitale Nutzungslücke: Jede*r Dritte deckt Bedarf an Verwaltungsleistungen noch analog 

Mit der digitalen Nutzungslücke definiert der eGovernment MONITOR eine wirkungsorientierte Kennzahl, die misst, wie viele zwar einen Bedarf an einer bestimmten Leistung haben, diesen aber noch analog abwickeln, statt den digitalen Weg zu wählen. Die Kennzahl zeigt also, welcher Anteil noch nicht digital erreicht wird und warum

Die Nutzungslücke ist mit 35 Prozent in Deutschland, 31 Prozent in der Schweiz und 27 Prozent in Österreich weiterhin viel zu groß. Die digitale Nutzungslücke zu schließen, sollte für Entscheider*innen höchste Priorität haben, da sich nur so die dringend notwendigen Effizienzeffekte realisieren lassen.
Prof. Dr. Helmut Krcmar, Technische Universität München

Die Gründe liegen zum einen in der immer noch geringen Bekanntheit einiger digitalen Leistungen: 61 Prozent nennen dies als Barriere für die Nutzung von E-Government. Zum anderen fehlt es den Menschen allerdings vor allem auch am routinierten Umgang mit digitaler Verwaltung: Der am häufigsten genannte Grund für die bewusste Nutzung des analogen Weges ist die Gewohnheit, Dinge auf dem Amt zu erledigen. 

Einkommenssteuererklärung als Vorreiter der digitalen Angebote

Bei der Zufriedenheit mit den bestehenden E-Government-Angeboten bildet Deutschland mit 58 Prozent das Schlusslicht im D-A-CH-Gebiet, in Österreich sind es 75 Prozent, in der Schweiz 78 Prozent. Der größte Grund zur Unzufriedenheit: das unvollständige Angebot an Leistungen. Dass effiziente und zugängliche digitale Angebote gut angenommen werden, beweist die Einkommenssteuererklärung: Mit 83 Prozent in Deutschland und jeweils 92 Prozent in Österreich und der Schweiz liegt der Anteil an zufriedenen Nutzer*innen höher als bei fast allen anderen betrachteten Leistungen und könnte eine Vorbildfunktion einnehmen.

Digitale Angebote entfalten ihre Vorteile und volle Wirksamkeit dann, wenn sie in der Breite Akzeptanz finden und analoge Leistungen weitgehend ersetzen. Dafür braucht es Angebote, die einfacher und schneller sind als der Gang zur Behörde. Eine leistungsstarke digitale Verwaltung muss im Interesse aller liegen: Sie schafft Vertrauen beim Bürger, spart beim Haushalt und entlastet gleichzeitig die Mitarbeiter*innen in den Behörden.
Marc Reinhardt, Präsident der Initiative D21