AG-Blog: Bestandsaufnahme für die digitale Zukunft – Erfolge und Baustellen in Staat und Verwaltung
Rund ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl wagen wir eine erste Bestandsaufnahme: Was wurde in dieser Legislaturperiode bisher geleistet, um Staat, Verwaltung und Gesellschaft in die digitale Gegenwart zu holen und zukunftsfest zu machen? Um diese und mehr Fragen rund um Deutschlands digitale Zukunft ging es bei der zweiten Sitzung der AG Innovativer Staat im Jahr 2024.
Fünf Vertreter*innen aus Bund, Ländern und Kommunen diskutierten bei der Sitzung, welche Maßnahmen notwendig sind, um bestehende Hürden zu überwinden und die digitale Transformation der Verwaltung erfolgreich voranzutreiben. Woran scheitert es bis jetzt? Ist die Finanzierung gesichert? Wie lässt sich die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen verbessern? Welche Gremien sind geeignet, um Innovationen in die Anwendung zu bringen? Und vor allem: Was geht noch in dieser Legislaturperiode?
Lagebild: OZG & Co. - Wo steht die Bundesregierung?
Ernst Bürger, Abteilungsleiter für Digitale Verwaltung im Bundesministerium des Innern und für Heimat, gab den Teilnehmenden ein Lagebild der Digitalisierung in der Deutschen Verwaltung. Nachdem der Bundesrat am 14. Juni 2024 dem Gesetz zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes („OZG 2.0“) im zweiten Anlauf zugestimmt hatte, beginne für Deutschland ein neues Kapitel. Das Gesetz schaffe den Rahmen für die weitere Digitalisierung der Verwaltung und fördere die Vereinheitlichung digitaler Verfahren in Bund, Ländern und Kommunen:
Bürger identifizierte für die laufende Legislaturperiode viele Veränderungen, die den digitalen Wandel weiter voran gebracht hätten. Es sei aber noch zu wenig spürbar, und das sei letztlich entscheidend. Als erfreulich merkte er auch die weiter zusammengewachsenen föderalen Strukturen an. Hier gebe es bereits seit längerem positive Entwicklungen, die mit der föderalen Digitalstrategie durch den IT-Planungsrat weiter ausgebaut werden müssen.
Im OZG 2.0 sieht Bürger die Chance, zentrale Voraussetzungen für nutzer*innenfreundliche und vollständig digitale Verfahren in ganz Deutschland zu schaffen. Aber: Es werde zu viel Zeit mit der Diskussion über die Finanzierung verbracht, statt an Lösungen zu arbeiten. Denn obwohl die Strukturen auf vielen föderalen Ebenen bereits vorhanden seien, klemme es im Roll-out. Daher sei es gut und richtig, dass der IT-Planungsrat bei der OZG-Umsetzung den Einstieg in die zentrale Finanzierung gemeinsamer sogenannter „Einer-für-alle“-Leistungen (EFA) geschafft habe.
Verwaltungsdigitalisierung in den Ländern
Eine Länderperspektive brachte Thomas Koch, zuständiger Referatsleiter für das Thema OZG im Hessischen Ministerium für Digitalisierung und Innovation, in die Runde. Er forderte ein besseres Zusammenspiel zwischen Bund und Ländern im Bereich Digitalpolitik und kritisierte den Bund dafür, die kommunale Ebene digital nicht ausreichend mitzudenken. Besonders bemängelte Koch die Verabschiedung von Gesetzen, deren Umsetzung zahlreiche, derzeit nicht verfügbare Arbeitskräfte erfordere, und plädierte für eine Neudefinition der Zuständigkeiten:
Die Länder stünden vor der Herausforderung, als Bindeglied zwischen Bund und Kommunen agieren zu müssen. Auf kommunaler Ebene habe die Digitalisierung oft eine geringere Priorität, da hier andere dringende Probleme im Vordergrund stünden. Dies erschwere die Umsetzung politischer Forderungen und verzögere den digitalen Fortschritt.
Interföderale Zusammenarbeit – ein Erfahrungsbericht
Beim dritten Impuls des Tages teilte Prof. Dr. Andreas Meyer-Falcke, ehemaliger CIO des Landes Nordrhein-Westfalen, seine Erfahrungen in der interföderalen Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe. Er kritisiert die Digitalisierungsstrategie des Bundes und fordert standardisierte und medienbruchfreie Prozesse in der Kommunikation zwischen Bürger*innen und Verwaltung:
Meyer-Falcke plädiert daher für eine Vollautomatisierung von Prozessen. Diese könne auch dem Mangel an Arbeitnehmer*innen entgegenwirken, insbesondere auf kommunaler Ebene.
Verwaltungsdigitalisierung: Praxisbericht und Zielbild aus München
Den Blick einer Kommune stellte im Anschluss Dr. Laura Dornheim, CDO der Stadt München, vor und legte dabei den Fokus auf den digitalen Stand ihrer Kommune. Die Landeshauptstadt besteche durch eine umfangreiche Digitalisierungsstrategie, an der seit 2019 jährlich fortgeschrieben wird. Auf der Website www.muenchen.digital könne der Fortschritt live beobachtet werden. Das Tracking der Digitalisierung biete einen großen Mehrwert für die Bürger*innen.
Die Strategie konzentriere sich auf 9 Handlungsfelder (u. a. Digital Government, Bildung, Klima und Umwelt, Arbeit und Wirtschaft), in denen zu Beginn verschiedene Ziele und Maßnahmen definiert worden seien, die verschiedenen Prinzipien zugeordnet werden.
Auch Dornheim forderte mehr strategische Prinzipien auf Landesebene in Handlungsfeldern wie Digital Government und bei digitalen Ende-zu-Ende-Prozessen. Sie setze dabei vor allem auf den Ausbau von Datenkompetenzen, um Beschäftigte für die Digitalisierung zu qualifizieren.
Städte und Gemeinden im Fokus
Einen letzten Impuls gab Alexander Handschuh, Beigeordneter und Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Er forderte neue Wege, um die Kommunen zu entlasten und ihre Stärken besser zu nutzen:
Es brauche einen Marktplatz, der innovative Lösungen zulasse und gleichzeitig Steuerungs- und Einflussmöglichkeiten biete. Derzeit gebe es kaum finanzielle Spielräume, was sich besonders bei der Finanzierung digitaler Lösungen bemerkbar mache. Handschuh plädierte besonders dafür, die Dresdner Forderungen im Blick zu behalten und mehr digitalisierbare Aufgaben an Bund und Länder zurückzugeben, um die Kommunen zu entlasten und ihnen so mehr Luft für ihre Kernaufgaben zu verschaffen.
Die AG-Sitzung endete mit einer Diskussion, die zeigte, dass trotz bereits erzielter Fortschritte noch erheblicher Handlungsbedarf besteht, besonders in Bezug auf Finanzierung und einer neuen Definierung der Zuständigkeiten im Bereich digitaler Verwaltung.