Wie können wir Chancengerechtigkeit im digitalen Raum voranbringen?

Gemeinsam mit Elke Büdenbender und weiteren Expert*innen fasste das Abschlussevent unserer Reihe #DigitalesLeben bisherige Erkenntnisse zum großen Feld des „Digital Gender Gap“ zusammen und blickte mit Handlungsempfehlungen nach vorne.

Panel in einer Videokonferenz: Lena-Sophie Müller, Wiebke Ankersen, Florian Nöll, Kenza Ait Si Abbou und Elke Büdenbender

Berlin/virtuell. „Die Digitalisierung verändert gerade die Welt“, stellte Elke Büdenbender, Juristin und Ehefrau des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, zu Beginn der dritten und letzten Gesprächsrunde zur Sonderstudie #DigitalesLeben fest. Nach wie vor herrschen aber große Geschlechterunterschiede im digitalen Raum: In vielen digitalen Bereichen zeigen Männer laut der Studie beispielsweise deutliche Kompetenzvorsprünge. Auch von den Chancen, welche die Digitalisierung für die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben grundsätzlich bereithält, profitieren Männer deutlich mehr als Frauen, was in der ersten Gesprächsrunde unter anderem mit Thomas Jarzombek (BMWi) besprochen wurde. Der sogenannte „Digital Gender Gap“ wird dadurch verstärkt, Frauen bei der Gestaltung der Digitalisierung außen vorgelassen.

Die Bedeutung von Bildung und digitalen Kompetenzen

Wie können nun Politik, Gesellschaft und Wirtschaft gemeinsam Geschlechterunterschiede im Digitalen überwinden? Wie können wir dazu beitragen, dass die Auswirkungen und Ursachen von Geschlechterunterschieden erkannt und verdeutlicht werden? Wie können wir ein Umdenken unterstützen und auch neue Generationen dazu bewegen, sich zu engagieren? Über diese Fragen diskutierten Elke Büdenbender, Kenza Ait Si Abbou (Senior Managerin für Robotik und künstliche Intelligenz bei der Deutschen Telekom sowie Autorin), Dr. Wiebke Ankersen (Geschäftsführerin der AllBright Stiftung) sowie Florian Nöll (Experte für Start-ups, Corporate Innovation und die digitale Wirtschaft), moderiert von Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin der Initiative D21.

Bildung als Schlüssel

Die Expert*innen der Gesprächsrunde waren sich einig, dass Bildung und eine klischeefreie Erziehung eine bedeutende Rolle bei der Überwindung von Geschlechterunterschieden im digitalen Raum spielen.

Bildung ist der Schlüssel zu einem selbstbestimmten und guten Leben.
Elke Büdenbender
Klischeefreie Berufswahl & Frauen in MINT-Berufen

Büdenbender rief dazu auf, Selbstbewusstsein und Kompetenz bereits im jungen Alter bei allen Kindern zu fördern und sie zu ermutigen. So sollten auch Erzieher*innen, (Berufs-)Lehrer*innen, Ausbilder*innen und Professor*innen eingebunden werden, um Kindern und jungen Erwachsenen eine vorurteilsfreie Erziehung zu ermöglichen und sie in ihren Interessen unabhängig vom Geschlecht zu bestärken. Darüber hinaus sei es wichtig, Vorbilder wie Kenza Ait Si Abbou sichtbar(er) zu machen. Elke Büdenbender berichtete den Teilnehmer*innen auch von ihrer eigenen Erziehung und Sozialisierung, die sie als klischeearm wahrgenommen habe und die sie darin bestärkt hätte, ihre Interessen zu ihrem Beruf zu machen und Juristin zu werden. Außerhalb der Schule bereits im jungen Alter anzufangen, Rollenbilder zu durchbrechen, könne ebenfalls dabei helfen, im späteren Berufsleben Diversität und Chancengerechtigkeit zu fördern.

Elke Büdenbender in einer Videokonferenz

Wesentliche Instrumente, um das Interesse für MINT-Berufe (Berufe im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) an Schulen oder Universitäten zu fördern, sahen die Expert*innen unter anderem in konkreten, messbaren Zielvorgaben. Eine Quote für Schülerinnen in Leistungskursen im MINT-Bereich könnte so eine Maßnahme sein. In technischen Studiengängen sowie in der Ausbildung von Lehrer*innen könnten außerdem verpflichtende Grundmodule in Genderkompetenzen dabei helfen, Geschlechterunterschiede zu überwinden und gleichberechtigte Teilhabe aller Geschlechter in MINT-Berufen zu ermöglichen. Im Berufsleben sollten schließlich Führungskräfte Fort- und Weiterbildungen für alle Mitarbeiter*innen ermöglichen.

„Ein Start-up zu gründen, ist keine Raketenwissenschaft“

Dr. Wiebke Ankersen berichtete aus der Erfahrung der Allbright Stiftung, dass es klassischen MINT-Unternehmen oftmals an Fantasie fehle, die eigenen Strukturen chancengerechter und offener zu gestalten:

Viele halten starr an ihrem Glaubenssatz fest, dass jede Veränderung sehr anstrengend ist, und deswegen wird sie letztlich oft vermieden.
Dr. Wiebke Ankersen, Allbright Stiftung

Dennoch sollte es im Interesse heutiger moderner Führungskräfte sein, Strukturen und Möglichkeiten gerecht zu gestalten. Dafür müssten die Bereiche Rekrutierung und Beförderung einmal neu durchdacht werden, um die bestehende Benachteiligung von Frauen zu beseitigen.

Strukturelle Ungleichheit – nicht nur ein Frauenproblem

Doch nicht nur in klassischen, eingesessenen Unternehmen könne man beobachten, dass an bestehenden, Männer bevorzugenden Strukturen festgehalten werde: Florian Nöll berichtete, dass die Start-up-Branche derzeit von Männern dominiert werde und Investitionen in diverse Teams nur selten stattfinden würden. Das sogenannte „Thomas-Prinzip“ setze sich auch in seiner Szene mit dem „Christian- “ oder „Alexander-Prinzip“ fort: Gerade einmal 16 Prozent aller Start-ups werden von Frauen gegründet. 1

Die Handlungsempfehlungen der Expert*innen, um Chancengerechtigkeit im Digitalen voranzubringen

  • Die bestehenden unterschiedlichen Ausgangsbedingungen von Mädchen und Jungen in Bezug auf eine Karriere in einem MINT-Beruf reflektieren und nicht ignorieren.
  • Klischeefreie elterliche und außerhäusliche Erziehung und Interessensförderung von Kindern und jungen Erwachsenen, um stereotype Rollen- und Berufsbilder zu durchbrechen und Neugierde zu wecken, durch die Einbindung von ErzieherInnen, (Berufs-)LehrerInnen , AusbilderInnen und ProfessorInnen sowie weiteren Lehrenden in der Universität. Kinder und Jugendliche bereits im frühen Alter ermutigen, Neues auszuprobieren.
  • So können Wissen und Kompetenzen bei allen Geschlechtern ausgebaut werden, ihnen wird aufgezeigt, wozu diese nützlich sind, und somit wird das Vertrauen in eigene Interessen und Talente gestärkt.
  • Im Beruf Vorbild werden, indem man alte, männerdominierte (Arbeits-)Strukturen durchbricht, neu durchdenkt und (vor-)lebt.
  • Ängste überwinden, indem man Offenheit für Neues fördert und klar macht, dass MINT-Berufe für Menschen aller Geschlechter eine Option sind.

Auch in dieser abschließenden #DigitalesLeben-Veranstaltung wurde deutlich: Geschlechterunterschiede im digitalen Raum sind kein Frauen- sondern ein Gesellschaftsproblem! Nur gemeinsam als Gesellschaft mit Politik und Wirtschaft können wir die Ursachen für die Ungleichheit bekämpfen, über die Auswirkungen aufklären und junge Talente in ihren Interessen fördern und voranbringen.

Die komplette Gesprächsrunde zum Nachschauen

Das Gespräch war der dritteTeil der Eventreihe „Digitales Leben“, die verschiedenen Themen der Studie „Digitales Leben – Geschlechterunterschiede und Rollenbilder in der digitalen Welt“ aufgreift. In einer ersten Gesprächsrunde diskutierten wir u. a. mit Thomas Jarzombek , MdB aus dem BMWi, über bessere Rahmenbedingungen für Frauen in der (digitalen) Berufswelt und spezifisch für Gründerinnen. In der zweiten Gesprächsrunde ging es um digitale Gewalt an Frauen in sozialen Medien.

Ansprechpartnerin in der Geschäftsstelle

Porträt von Sandy Jahn

Sandy Jahn, Referentin Strategic Insights & Analytics